Rechtsaußen in Europa:Orban und die EU - keine Liebesbeziehung
von Lara Wiedeking, Brüssel
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Für die EU ist Orban seit Jahren ein Unsicherheitsfaktor. Viele sehen in Ungarns Machthaber eine Bedrohung. Der US-Wahlsieg von Donald Trump dürfte Orban weiter Aufwind geben.
Die Beziehung zwischen Viktor Orban und der EU ist angespannt. Seit 2018 läuft ein Verfahren gegen Ungarn, um zu prüfen, ob das Land die Grundwerte der EU verletzt.
Quelle: AP
Seit 2004 ist Ungarn Mitglied in der Europäischen Union. Sechs Jahre später kommt Viktor Orban erneut an die Macht, regiert mit seiner rechtsaußen Partei Fidesz seit 2010 das Land ununterbrochen. Seitdem baut Orban den Rechtsstaat um, zu seinen Gunsten, so Beobachter, und auf Kosten der Rechtsstaatlichkeit.
Und der US-Wahlsieg von Donald Trump dürfte Orban sowie den Rechtspopulisten in der EU noch mehr Selbstbewusstsein geben.
Ausmaß der Autokratisierung nicht vorstellbar
Doch das Ausmaß der Autokratisierung sei zumindest bei Orbans Wahlsieg nicht zu erahnen gewesen. "Fidesz hat eigentlich ohne jegliche Versprechen und Wahlprogramm die Wahlen in 2010 gewonnen", so Daniel Hegedüs vom German Marshall Fund. Denn der Frust über die vorherige Regierungspartei sei damals groß gewesen in Ungarn. "Nach einigen Monaten konnte man schon ahnen, welche Richtung seine Regierungspolitik nehmen wird."
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Und so trat schon 2011 Orbans sogenanntes Mediengesetz in Kraft und eine Kontrollbehörde wurde installiert. Diese untersteht direkt dem Parlament, überwacht staatliche und private TV- sowie Radiosender, Zeitungen und Internetseiten. Unbequemen Sendern kann die Behörde die Lizenz entziehen oder Sanktionen verhängen. Amnesty International sprach schon damals von einem "Maulkorb für Ungarns Medien". Das ungarische Verfassungsgericht erklärte Teile des Gesetzes für verfassungswidrig.
Grundgesetz in Ungarn: Verfassungsgericht entmachtet
Doch bei seinem Wahlsieg konnte Orban mit seiner Partei Fidesz eine Zweidrittelmehrheit im Parlament holen: Verfassungsänderungen waren kein Problem.
Das Verfassungsgericht wurde entmachtet, trotz harscher Kritik der damaligen EU-Kommission. Die Meinungsfreiheit: weiter eingeschränkt.
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Sanktionen der EU gegen Ungarn
Im September 2018 hat das Europäische Parlament den Rat aufgefordert, festzustellen, ob Ungarn Gefahr läuft, die Grundwerte der EU zu verletzen. Das sogenannte "Artikel 7-Verfahren" kann dazu führen, dass einem Land im Europäischen Rat das Stimmrecht entzogen wird.
"Zentrale Bedenken der Abgeordneten waren die Unabhängigkeit der Justiz, Meinungsfreiheit, Korruption, Rechte von Minderheiten und die Situation von Migranten und Flüchtlingen", heißt es in einer Pressemitteilung des Europäischen Parlaments. Doch das Verfahren macht wenig Fortschritte.
Auch gegen Polen war ein sogenanntes "Artikel 7 Verfahren" am Laufen, doch mit der Wahl von Donald Tusk und der Rückkehr zu mehr Rechtsstaatlichkeit hat die EU das Verfahren im Frühjahr 2024 gestoppt. Ein Regierungswechsel in Ungarn könnte ähnliche Folgen haben, ist aber unwahrscheinlich. Die letzte freie und faire Wahl habe Ungarn 2010 gehabt, so Hegedüs vom German Marshall Fund. Seitdem seien die Wahlen frei, aber nie fair gewesen.
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Orbans Ausschluss aus der EVP
In der EU gehörte Viktor Orban bis 2021 mit seiner Fidesz-Partei zur Fraktion der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), zu der auch die CDU/CSU gehört. Doch nach jahrelangem Streit ist er mit seiner Partei aus der EVP ausgetreten und kam einem Rauswurf zuvor. Es war der Moment, in dem Beobachter Orban rückwirkend als auf sich allein gestellt sahen. Es wäre vielleicht ein guter Moment gewesen, um mit mehr Druck für mehr Rechtstaatlichkeit in Ungarn zu kämpfen.
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Doch stattdessen sind mit der Europawahl 2024 die Parteien rechts der Mitte deutlich erstarkt. Orban gründete seine eigene Fraktion: Die "Patrioten für Europa" sind die Drittstärkste Kraft im Europäische Parlament, mit Marine Le Pens Rassemblement National oder der österreichischen FPÖ.
EU-Fördermittel wieder freigegeben
Und: Vor zwei Jahren hatte die EU-Kommission empfohlen, die Fördermittel für Ungarn einzubehalten, wegen des Verdachts auf Korruption und Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit. Teile des Geldes wurden inzwischen wieder freigegeben.
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Mehr Selbstbewusstsein durch Donald Trump
Zudem dürfte das Ergebnis der US-Wahl Orban einen zusätzlichen Boost geben: Schon vergangene Woche hatte er demonstrieren wollen, wie gut sein Verhältnis zu Donald Trump ist. Orban erklärte auf X (ehemals Twitter), dass er mit Trump telefoniert habe, um ihm alles Gute für die Wahl zu wünschen.
Am Mittwochmorgen postete Orban dann ein Bild von sich in den Sozialen Medien, wie er die US-Wahl verfolgt und schreibt, man sei "auf dem Weg zu einem wundervollen Sieg". Europas Rechtspopulisten können nach diesem Wahlsieg von Donald Trump wohl noch selbstbewusster auftreten.
Orban zeichnet in seiner Rede vor dem EU-Parlament ein düsteres Bild Europas, bedroht von Wirtschafts- und Migrationskrise. Die Debatte zeigt: Rechtspopulisten fühlen sich stark.
Paul Schubert und Ulf Röller, Straßburg
Analyse
Quelle: ZDF
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