"Ölstopp" der Ukraine: Eine Steilvorlage für Viktor Orban
"Ölstopp" der Ukraine:Orbans gut geölte PR-Maschine
von Britta Hilpert
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Die Nachricht, dass die Ukraine russische Öllieferungen durch die Druschba-Pipeline nach Ungarn stoppte, klang hart. Doch so schlimm ist es gar nicht - zumindest vorerst.
Die russische Ölraffinarie Lukoil wird vorerst kein Öl nach Ungarn exportieren können.
Quelle: Reuters
An dem Tag, an dem die ungarische Regierung einen Beschwerdebrief an die EU-Kommission wegen des "Ölstopps" schickt, passiert an Ungarns Zapfsäulen - nichts. Man tankt, man zahlt, man ärgert sich über die Rechnung. Manche ärgern sich auch nicht: Ausgerechnet an diesem Tag sinken mancherorts die Spritpreise. Crisis? What crisis?
Dabei klang es doch so schlimm: Stopp russischer Öllieferungen durch die Ukraine! Ein unakzeptabler und unverständlicher Schritt eines Landes, das Mitglied der EU werden will, so heißt es im ungarischen Außenministerium.
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Ungarns und Slowakeis Sonderrollen
Der ungarische Außenminister verlangt von der EU-Kommission ein Konsultationsverfahren, eine Schlichtung, die Ukraine verstoße gegen Bestimmungen des Assoziierungsabkommens.
Dazu muss man wissen: Ungarn und die Slowakei haben eine Sonderrolle bei russischen Öllieferungen: Einem Sanktionspaket stimmte Ungarn nur zu, weil man den beiden Raffinerien des ungarischen MOL-Konzerns eine Ausnahme gewährte:
Sie beziehen weiterhin russisches Rohöl über die Druschba-Pipeline. Ein gutes Geschäft: Rund 98 Prozent des Gewinns dieser beiden Raffinerien schöpft die ungarische Regierung als Sondersteuer ab. Und sie braucht das Geld: Ungarn steckt in einer Haushaltskrise.
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Ukraine: Alle diplomatischen Lösungen ausprobiert
Doch nach mehr als zwei Jahren Krieg hat nun die Ukraine Hand an Ungarns sprudelnde Einnahmequelle gelegt. Sie stört, dass damit nicht nur dem russlandfreundlichen Ungarn der Haushalt mitfinanziert wird, sondern auch Russland seine Waffen. Kiew verheimlicht nicht seine politischen Beweggründe:
"Wir haben alle diplomatischen Lösungen ausprobiert und sie haben nie funktioniert. Es scheint, als müssten wir einen anderen Ansatz finden, wie wir mit ihnen reden." So erklärt Inna Sovzun vom zuständigen Ausschuss der ukrainischen Rada dem Medium Politico, warum gerade Ungarn Ziel der Maßnahme ist.
Es ist wohl kein Zufall, dass der Stopp kurz nach dem unabgesprochenen Besuch von Viktor Orban bei Putin verhängt wird. Orban, so sieht man es nicht nur in der Ukraine, steht klar auf Seiten der Russen.
Trotz westlicher Sanktionen gelangen weiterhin kriegswichtige Hightech-Waren nach Russland, auch aus Deutschland. ZDF-Recherchen zeigen, wie dies möglich ist.
von Maja Helmer
mit Video
Druschba-Pipeline nur teilweise eingeschränkt
Die ukrainische Regierung dreht bisher aber nur ein bisschen am Ölhahn, denn der Stopp gilt nur für die Lieferungen vom russischen Konzern Lukoil. Es geht um gerade mal 30 Prozent der Öllieferungen, rechnet der ungarische Energie-Experte Attila Holoda von Aurora Energy vor: "Die ungarische MOL importiert insgesamt rund 10 Millionen Tonnen Rohöl. Ungefähr 70 Prozent davon kommen aus Russland über die Druschba-Pipeline.
Unter den russischen Partnern ist Lukoil allerdings einer der größte mit rund drei bis vier Millionen Tonnen." Neue Lieferwege über die Adria-Pipeline würden weiter entwickelt - allerdings seien die teurer. In jedem Fall aber habe Ungarn Öl-Reserven für ca. drei Monate.
Ist die Aufregung also dem Anlass unangemessen? Auch in der Slowakei wettert die Politik, Experten aber winken ab. Der russlandfreundliche Premier Fico empört sich:
Slowakei wohl auf Lieferstopp vorbereitet
Der Analytiker Boris Tomčiak von Finlord dagegen sagt im Staatsfernsehen, dass man sich in der slowakischen MOL-Raffinerie schon länger auf diesen Stopp vorbereitet habe: Dort erhöhe man nun die Abnahme von anderen russischen Exporteuren, wie Tatneft und Rosneft. Außerdem habe auch die Slowakei Reserven.
Der ehemalige Wirtschaftsminister und Energieexperte Karel Hirman sagt gegenüber der slowakischen Tageszeitung Pravda, dass die Regierung das Problem aufblase. "Der Vertrag mit Lukoil läuft sowieso Ende des Jahres aus."
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"Ölstopp" als populistische Steilvorlage
Ungarn ist da anders als die Slowakei: In mehr als zwei Jahren Krieg gibt es keine erkennbaren Schritte sich von russischer Energieabhängigkeit lösen zu wollen. Im Gegenteil: das Atomkraftwerk Paks wird nun mit russischer Unterstützung erweitert.
Der Konflikt um das Öl ist vor allem eine populistische Steilvorlage, meint Attila Holoda: "Es ist eine gute Gelegenheit für den ungarischen Außenminister Szijjarto und seinen slowakischen Kollegen, auf sich aufmerksam zu machen und gegen die Ukraine Stimmung zu machen. Es ist ein politisches Spiel, das lösbare Probleme bei Handelswegen verbergen soll.
Dieses ukrainisch-ungarische Armdrücken wird nun von der EU geprüft. Auch wenn es de facto nur um 30 Prozent der Öllieferungen geht, so kann es doch nur der Anfang sein. Der Anfang von stärkeren Liefereinschränkungen. Oder der Anfang von stärkeren Konflikten mit dem Land, das zurzeit die EU-Ratspräsidentschaft hält: Ungarn.
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