Orban und die EU: Kritik gegen Ungarns EU-Ratspräsidenschaft

    Ungarns EU-Ratspräsidentschaft:Wie Viktor Orban die EU trollt

    Eine Frau mit braunen Haaren lächelt in die Kamera.
    von Lara Wiedeking, Straßburg
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    Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban soll am Mittwoch vor dem Europäischen Parlament sprechen. In Straßburg rechnet man mit Protest und Provokation.

    Victor Orban beim 50th Ambrosetti Forum in Cernobbio, Norditalien
    Viktor Orban hält als Ministerpräsident von Ungarn die aktuelle Position der EU-Ratspräsidentschaft. Bei seiner geplanten Rede vor dem EU-Parlament wird viel Protest erwartet.
    Quelle: epa

    "Wo ist unser Geld, Herr Orban?" - die Frage prangt neben dem Konterfei des ungarischen Ministerpräsidenten. Es ist der Titel einer Foto-Ausstellung, die zeigt, wofür in Ungarn EU-Gelder eingesetzt werden. Auf den Fluren des Europäischen Parlaments in Straßburg regt sich schon Protest gegen das, was kommen wird. Am Mittwoch soll der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban vor dem Europäischen Parlament sprechen, noch bis Ende des Jahres hat Ungarn die EU-Ratspräsidentschaft inne.
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    Auf "Friedensmission" zu den Autokraten

    Eigentlich soll das Staatsoberhaupt, das den EU-Ratsvorsitz hat, vermitteln und Brücken zwischen den EU-Mitgliedsstaaten bauen. Kaum hat Orban den Posten übernommen, ist er zu einer vom ihm so genannten "Friedensmission" aufgebrochen und traf sich mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, mit dem amerikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump, mit Chinas Staatsoberhaupt Xi Jinping.
    Laura Barnick im Schaltgespräch mit ZDF-Korrespondent Ulf Röller.
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    Die Politikerinnen und Politiker in Brüssel und vielen Hauptstädten der EU waren außer sich, wollten die EU-Ratspräsidentschaft Ungarns boykottieren. So ließen sie manche Veranstaltungen in Brüssel statt in Budapest stattfinden, wie das Treffen der EU-Außenministerinnen und Außenminister vor wenigen Wochen. Und wenn sich doch einer der Räte in Budapest trifft, schicken Mitgliedsstaaten die zweite Riege.
    Migration, Rechtstaatlichkeit, aber vor allem der Krieg in der Ukraine - schon vorher war das Verhältnis zwischen Ungarns Regierung und der EU angespannt: "Die pro-russische Position der ungarischen Regierung der letzten zwei Jahre hat ihr innerhalb der Europäischen Union mehr geschadet und die ungarische Regierung viel mehr isoliert als die zwölf Jahre Autokratisierung davor", so Daniel Hegedüs, Politikwissenschafter und Populismus-Forscher.

    Ungarn hat Anfang Juli die alle sechs Monate wechselnde EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Bis Ende des Jahres hat das Land damit den Vorsitz der Ministerräte inne und kann diese maßgeblich beeinflussen. Hat ein Mitgliedsstaat die EU-Ratspräsidentschaft inne, muss er dafür sorgen, dass die Arbeit des Rates systematisch vorangeht und Entscheidungen gefällt werden. Eine weitere wichtige Aufgabe besteht in der Vertretung des Rates gegenüber den anderen EU-Institutionen, vor allem gegenüber der Kommission und dem EU-Parlament.

    Budapest hat seine Ratspräsidentschaft unter das Motto "Make Europe Great Again" (Macht Europa wieder groß!) gestellt - eine Anlehnung an den Slogan "Make America Great Again" des früheren US-Präsidenten Donald Trump, dessen erklärter Anhänger Ministerpräsident Viktor Orban ist.

    Orban steht seit Jahren wegen der Aushöhlung der Demokratie in seinem Land in der Kritik und liegt mit Brüssel etwa bei der Migrationspolitik und der Unterstützung der Ukraine über Kreuz. Am 30.06.2024 kündigten die Chefs von Ungarns Fidesz-Partei, Österreichs FPÖ und Tschechiens ANO die Gründung einer neuen Rechtsaußen-Fraktion mit dem Namen Patriots for Europe (Patrioten für Europa) im Europaparlament an. (Quelle: AFP)

    "Make Europe Great Again"

    Zur Halbzeit soll Orban am Mittwoch eine Rede vor dem EU-Parlament halten und die Eckpfeiler seiner Ratspräsidentschaft vorstellen. Auf den Fluren des Parlamentes rechnet man mit weiteren Provokationen. Das, so auch Hegedüs, zeige schon das Motto der ungarischen Ratspräsidentschaft: "Make Europe Great Again". Eine Anlehnung an den Wahlkampfslogan von Donald Trump.

    Ich glaube, der zentrale Teil der Wahrnehmung ist, dass die Ungarn eigentlich diese Ratspräsidentschaft für Trolling benutzen.

    Daniel Hegedüs, German Marshall Fund

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    "Patrioten für Europa" im Aufwind

    Orban reist mit Rückenwind nach Straßburg: Seine Fraktion im Europäischen Parlament, die "Patrioten für Europa", ist die drittstärkste Kraft. Die österreichische Mitgliedspartei FPÖ ist gerade erst bei der Wahl stärkste Kraft geworden. Und sollte Donald Trump am 5. November wieder zum US-Präsident gewählt werden, hat der ungarische Machthaber einen guten Draht direkt ins Weiße Haus. Das, so ist Ungarn-Experte Hegedüs sich sicher, wird die zweite Hälfte von Ungarns EU-Ratspräsidentschaft prägen.

    Leider sehen wir, dass am Rande des politischen Spektrums, vor allem in der Ecke der rechtsradikalen Parteien, die ungarische Regierungspartei ein ziemlich dickes und starkes Netzwerk hat.

    Daniel Hegedüs, German Marshall Fund

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    Protest im Europäischen Parlament gegen Orban

    Bei einer Vorab-Pressekonferenz in Strasburg ist ein Demonstrant auf Orban zugegangen, hat ihn angebrüllt und mit Papiergeldscheinen beworfen. Orban habe sein Land verraten, für Geld, so der Protestierer. Laut der Nachrichtenagentur handelt es sich um ein Mitglied der linksliberalen Opposition in Ungarn.
    Und so stark die Fraktion um Orbans Patrioten ist, auch im Europäischen Parlament wird er auf Gegenwind stoßen. Glücklicherweise, so Anna Cavazzini von den Grünen, falle Orbans EU-Ratspräsidentschaft in eine Übergangsphase: Die neue EU-Kommission müsse noch bestätigt werden, es würden nicht viele Gesetze entschieden. Trotzdem: "Ich finde es komplett falsch, dass Orban hier im Plenum reden darf", so Cavazzini.

    Er hat die Rechtstaatlichkeit abgeschafft, die Pressefreiheit eingeschränkt, die Zivilgesellschaft eingeschränkt, und ist einer der korruptesten Putin-Versteher die wir in der Europäischen Union haben.

    Anna Cavazzini, Grüne-Fraktion im Europäischen Parlament

    Diesem eine Bühne zu bieten, finde sie falsch.
    Soldaten auf Pferden zu Fuß. Politiker im Vordergrund mit großem auslandsjournal Logo
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    Die Ausstellung "Wo ist unser Geld, Herr Orban?" im Europäischen Parlament hat Transparency International zusammengestellt. So wurden mit EU-Geldern in Ungarn zum Beispiel für mehrere hunderttausend Euro Strände ausgebaut. Aber die lokale Bevölkerung hat keinen Zutritt. Oder der Wanderweg durch die Baumwipfel, Preisschild: 162.000 Euro. Nur leider wurde der Wald drumherum abgeholzt.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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