Mehr Hinrichtungen: Wie die USA mit der Todesstrafe ringen

    Mehr Hinrichtungen 2023:Wie die USA mit der Todesstrafe ringen

    von Anna Kleiser, Washington D.C.
    |

    2023 wurden in den USA mehr Menschen hingerichtet als in den Jahren zuvor. Warum das Land es nicht schafft, die Todesstrafe abzuschaffen – obwohl die Mehrheit sie ablehnt.

    Todesstrafe in Alabama mit Stickstoff geplant
    Anfang des Jahres wurde in Alabama erstmals ein Häftling mit Stickstoffgas getötet. Die Methode ist hochumstritten.
    Quelle: dpa

    Unter den westlichen Demokratien sind die USA isoliert, wenn es um die Todesstrafe geht. Es ist das letzte Land unter ihnen, das an ihr festhält. In Deutschland etwa steht unmissverständlich im Grundgesetz: "Die Todesstrafe ist abgeschafft."
    Die USA sind gespalten, in 27 Bundesstaaten gibt es die Todesstrafe weiterhin. Auch wenn gesellschaftlich die Skepsis zunimmt - von einer landesweiten Abschaffung ist man noch weit entfernt.

    Hinrichtungen mit Stickstoff
    :Wenn US-Staaten mit dem Tod experimentieren

    Gift, Gas oder Pistole: In einigen US-Staaten wird gerade eine makabere Debatte geführt. Weil zu viele Hinrichtungen fehlschlugen, sollen Verurteilte mit Stickstoff getötet werden.
    Maybrit Nolte, Washington D.C.
    Schwarze Fußfesseln aus Leder liegen auf einer Liege in einem Hinrichtungsraum in den USA
    24 Menschen wurden in den USA im vergangenen Jahr hingerichtet. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 33 Prozent. Im aktuellen Bericht von Amnesty International liegt das Land damit auf Platz fünf der Nationen mit den meisten Hinrichtungen.






    Was Florida mit dem Anstieg zu tun hat

    Justin Mazzola forscht für Amnesty International in den USA und sagt gegenüber ZDFheute, dies sei fast ausschließlich Florida zuzuschreiben. Dort seien erstmals seit 2019 wieder Hinrichtungen durchgeführt worden.

    Sechs Menschen wurden hingerichtet, als der Gouverneur des Bundesstaates sich noch im Präsidentschaftswahlkampf befand.

    Justin Mazzola, Amnesty International USA 

    Floridas republikanischer Gouverneur Ron DeSantis hat sich die striktere Durchsetzung von Gesetzen auf die Fahne geschrieben. 2023 hat er die bis dahin nötige Einstimmigkeit unter den zwölf Geschworenen einer Jury für die Verhängung der Todesstrafe aufgehoben. Seither reichen acht Stimmen.
    Das macht deutlich, warum die Abschaffung so schwierig ist. Es ist ein hochpolitisches Thema. Juraprofessor John Blume von der Cornell-Universität betont gegenüber ZDFheute: Die Zahl der Hinrichtungen hänge vom politischen Klima ab.
    Elmar Theveßen  | ZDF-Korrespondent in Washington
    "DeSantis ist so etwas wie eine Kopie von Donald Trump gewesen", berichtet ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen. Dass er Trump nun trotz dessen Spott unterstützt, überrascht viele.22.01.2024 | 3:23 min

    Nur wenige Bundesstaaten vollstrecken Urteile

    Auf das ganze Land bezogen, hat sich in den letzten Jahrzehnten die Zahl der Exekutionen verringert. Nur wenige US-Staaten führen die Hinrichtungen auch durch. Im Jahr 2023 waren es Texas (8), Florida (6), Missouri (4), Oklahoma (4) und Alabama (2).
    Todesstrafe in den USA
    ZDFheute Infografik
    Ein Klick für den Datenschutz
    Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
    Mazzola betont, insgesamt sei die Zahl der Hinrichtungen seit der Jahrtausendwende rückläufig.

    Elf Bundesstaaten haben in diesem Zeitraum die Todesstrafe abgeschafft.

    Justin Mazzola, Amnesty International USA

    Verurteilte sitzen jahrelang in Todeszellen

    2.333 Häftlinge saßen Anfang 2023 im Todestrakt, berichtet das gemeinnützige "Todesstrafen-Informationszentrum". Im Durchschnitt vergehen demnach 23 Jahre von der Verurteilung zur Hinrichtung. Die meisten der 2023 Hingerichteten wären vermutlich nicht zum Tod verteilt worden, hätten ihre Prozesse heutzutage stattgefunden, heißt es in dem Bericht.

    Die Todesstrafe gibt es in den USA heute noch beim Militär, auf Bundesebene sowie in 27 Bundesstaaten, wobei sie in mehreren dieser Staaten de facto nicht mehr vollstreckt wird. Die zugelassenen Methoden variieren von Bundesstaat zu Bundesstaat. Die mit Abstand am häufigsten angewandte Methode ist heutzutage die Exekution mit der Giftspritze. Stickstoffhypoxie ist außer in Alabama nur in den Bundesstaaten Oklahoma und Mississippi erlaubt.

    • Seit 1976 gab es insgesamt 1.579 Hinrichtungen, davon bislang 24 im Jahr 2023 (Stand Januar 2024)
    • 2.330 Gefangene sitzen in den USA im Todestrakt (Stand Januar 2024)
    • 72 Prozent der im Jahr 2022 hingerichteten Gefangenen wiesen eine erhebliche psychische Beeinträchtigung auf
    • Die Todesstrafe kann wegen Mord, Hochverrat, Völkermord oder der Tötung oder Entführung einer Person in einem hohen politischen Amt verhängt werden
    • Wer die Todesstrafe bekommt, entscheiden die Geschworenen eines Gerichts; dabei können verschiedene Faktoren eine Rolle spielen wie das Leiden des Opfers, ein sexueller Übergriff, oder wer das Opfer ist, z.B. Polizeibeamter oder kleines Kind
    • Studien belegen, dass auch die Hautfarbe eine Rolle spielt: die Chance zur Todesstrafe verurteilt zu werden ist höher, wenn der Schuldige schwarz und das Opfer weiß ist
    • Gerichtsfälle, in denen die Todesstrafe verhängt wurde, sind durchschnittlich etwa 700.000 Dollar teurer, als Verfahren ohne Todesstrafe

    Quelle: dpa, Death Penalty Information Center

    Ein Grund, warum sich die Debatte stetig weiter in Richtung Abschaffung verschiebt. Seit den 1970er Jahren wurden landesweit 197 Todesurteile wegen der erwiesenen Unschuld der Verurteilten aufgehoben. Hinzu kommen praktische Gründe wie Schwierigkeiten in der Beschaffung der Todesspritze. Mehrere Staaten lassen daher andere Hinrichtungsmethoden zu.
    Pressekonferenz nach der Stickstoff-Hinrichtung in Albama
    In den USA ist erstmals ein zum Tode Verurteilter mit einer neuen Stickstoff-Methode hingerichtet worden. Seine Anwälte hatten vergeblich versucht, die Hinrichtung zu stoppen.26.01.2024 | 0:20 min
    In Alabama wurde Anfang des Jahres erstmals ein Mann mit Stickstoffgas hingerichtet, die EU spricht von einer "besonders grausamen" Methode. Idaho erlaubte im Juli als fünfter US-Staat zum Tode verurteilte Menschen per Erschießungskommando hinzurichten.

    Große Unterschiede zwischen Republikanern und Demokraten

    Ende 2023 war erstmals eine Mehrheit der Amerikaner für eine Abschaffung der Todesstrafe. In der Umfrage des Forschungsinstitutes Gallup zeigt sich zudem ein großer Unterschied in der Parteizugehörigkeit. 81 Prozent der befragten Republikaner befürworten die Todesstrafe im Vergleich zu nur 32 Prozent der Demokraten.
    Dementsprechend ist auch die geografische Aufteilung des Landes nicht verwunderlich. In klassisch republikanischen Staaten, wie etwa Texas, werden die meisten Hinrichtungen durchgeführt. Die Politik dort hält an der Vorstellung einer abschreckenden Wirkung fest.
    Trump-Herausfordererin Nikki Haley auf Wahlkampftour in Spring, Texas.
    Im Rennen um die US-Präsidentschaftskandidatur steht der sogenannte "Super Tuesday" an. In 15 Bundesstaaten halten Republikaner und Demokraten parteiinterne Vorwahlen ab.05.03.2024 | 0:22 min

    Experte: Abschreckung als Motiv kein Grund

    Aus Sicht vieler Fachleute und Jurist*innen ist das Unsinn. Entgegen politischer Versprechen stellt Fachjurist Blume klar:

    Es gibt keine empirischen Belege dafür, dass die Todesstrafe abschreckend wirkt.

    Prof. John Blume, Cornell Universität

    Mazzola von Amnesty International sagt, man müsse sich zwar weiter gegen rückschrittliche Gesetzgebungen wehren, der Weg zur Abschaffung sei noch lang, aber es gehe voran. Auch Blume stimmt dem zu.
    Politisch jedoch bewegt sich weniger. Im Wahlkampf 2020 hatte Joe Biden versprochen, die Todesstrafe abzuschaffen. Passiert ist nichts. Donald Trump hingegen wirbt für die Todesstrafe, will sie bei einem Wahlsieg etwa auf Schleuser ausweiten.
    Anna Kleiser ist Korrespondentin im ZDF-Studio Washington.
    Thema

    Mehr aus den USA