Brüssel: EU-Staaten einigen sich auf Asylkompromiss

    Durchbruch in Brüssel:EU-Staaten einigen sich auf Asylkompromiss

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    Im Streit um die Asylreform erzielen die EU-Staaten einen Durchbruch. Man habe sich auf eine gemeinsame Position zur Krisenverordnung geeinigt - ein zentrales Element der Reform.

    Die Staaten der Europäischen Union haben nach wochenlangem Streit über ein Kernelement der geplanten Asylreform einen Durchbruch erzielt. Es sei eine gemeinsame Positionierung zu den Vorschlägen der EU-Kommission für einen Krisenmechanismus vereinbart werden, teilte die spanische EU-Ratspräsidentschaft auf der Plattform X mit. Die Einigung ermöglicht wichtige Gespräche mit dem Europaparlament, die für den Abschluss der Asylreform wichtig sind.
    Kanzler Olaf Scholz hat die Einigung der EU-Staaten auf einen zentralen Bestandteil der europäischen Asylreform als "gute Nachricht" bezeichnet. Er sprach von einem "historischen Wendepunkt".

    Die Reform wird irreguläre Migration in Europa wirksam begrenzen und Staaten wie Deutschland dauerhaft entlasten.

    Olaf Scholz

    Krisenverordnung für verschärfte Maßnahmen

    Die sogenannte Krisenverordnung ist ein zentrales Element der geplanten EU-Asylreform. Die Pläne sehen unter anderem einen deutlich härteren Umgang mit Migranten aus Ländern vor, die als relativ sicher gelten. Sie sollen künftig nach einem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Dort würde dann im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat.
    Zudem soll dafür gesorgt werden, dass stark belasteten Staaten wie Italien und Griechenland künftig ein Teil der Asylsuchenden abgenommen wird. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden.
    Migrationspolitik unter Druck
    Viele Kommunen ächzen unter der steigenden Zahl ankommender Asylbewerber. Was zu tun ist, darüber gehen die Meinungen allerdings weit auseinander.02.10.2023 | 1:48 min

    Auch wenn der EU-Rat sich auf die Krisenverordnung verständigt, ist das nur ein weiterer Schritt - aber noch nicht die endgültige Lösung, erklärt ZDF-Korrespondent Florian Neuhann im Vorfeld der Einigung. Denn dann müssen Rat und EU-Parlament sich im so genannten Trilog einigen. Und noch liegen beide Institutionen hier weit auseinander. So will das Parlament im Fall einer Krise zum Beispiel eine verpflichtende Verteilung von Migranten einführen - eine Position, die unter den Mitgliedstaaten kaum eine Mehrheit finden dürfte.

    Der Druck in der EU ist zudem groß - vor allem wegen der nahenden Europawahl im Juni 2024. Projekte, die bis dahin nicht mit den Regierungen der Mitgliedstaaten ausgehandelt sind, könnten anschließend wieder infrage gestellt werden. Sollte es zu keiner Einigung auf ein Asylpaket kommen, so ein Parlamentarier, "dann könne man den Rechtspopulisten bei der nächsten Europawahl auch gleich die Hälfte der Stimmen schenken".

    In Deutschland gibt es Kritik an der aktuellen Einigung: Linken-Vorsitzende Wissler hat der Bundesregierung vorgeworfen, in der Frage Bedenken wegen einer Verletzung von Menschenrechten über Bord geworfen zu haben. Auch die Grüne Jugend kritisiert, die aktuelle Verständigung sei "Wasser auf die Mühlen rechter Regierungen in Europa", so Co-Chef Dzienus.

    Bundesregierung hatte Pläne blockiert

    Dass über die Pläne für den Krisenmechanismus wochenlang keine Einigung erzielt werden konnte, hatte insbesondere an humanitären Bedenken der deutschen Bundesregierung gelegen. Nachdem der Druck von Partnerländern gestiegen war, gab Berlin in der vergangenen Woche den Widerstand auf, erreichte aber kleinere Zugeständnisse.
    Zuletzt sperrte sich dann noch Italien, das nun aber ebenfalls im Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten einem Kompromiss zustimmte.

    Scholz setzte wohl auf Richtlinienkompetenz

    In Brüssel hatte die Bundesregierung ihre Ablehnung des Vorschlags für die Verordnung damit erklärt, dass EU-Staaten das Regelwerk nutzen könnten, um Schutzstandards für Migranten auf ein zweifelhaft niedriges Niveau abzusenken. Letztlich konnte sie aber nur noch wenige Verbesserungen durchsetzen.
    Nach Angaben aus Regierungskreisen hatte Bundeskanzler Scholz informell von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht und durchgesetzt, den Widerstand gegen die Krisenverordnung aufzugeben.

    Von der Leyen: Ein "Gamechanger"

    EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußerte sich erfreut über die Verständigung der EU-Staaten. Das sei ein echter "Gamechanger", teilte sie auf der Plattform X mit.
    Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete die Einigung der EU-Staaten auf eine gemeinsame Krisenverordnung bei der Asylpolitik als wichtigen Schritt nach vorne. Sie sei froh, dass dies gelungen sei und dass die Bundesregierung ihre Vorstellungen von Menschlichkeit und Ordnung habe durchsetzen können.
    Quelle: AFP, ZDF, KNA, dpa

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