Yücel bei "Lanz": "Erdogans Regierung ist mafiöses Regime"

    Türkischer Journalist bei "Lanz":Yücel: "Erdogans Regierung ist mafiöses Regime"

    von Bernd Bachran
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    Journalist Michael Bröcker sieht eine "Zeit der Autokraten". Franziska Brantner (Grüne) sieht bei der CDU die Wiederbelebung der "Moskau-Connection".

    Deniz Yücel zu Gast bei "Markus Lanz".
    Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" vom 26. März in voller Länge.26.03.2025 | 76:04 min
    In der Türkei gehen seit der Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu vor einer Woche, trotz Verbots, Hunderttausende auf die Straße und protestieren gegen ihren Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Die Polizei geht teilweise mit Wasserwerfern und Tränengas auf die Protestierenden los. International wächst die Sorge, dass die Demokratie in der Türkei ernsthaft in Gefahr ist.
    Der deutsch-türkische Journalist und Publizist, Deniz Yücel, sprach bei "Markus Lanz" davon, dass die Vorwürfe gegen Imamoglu lachhaft seien und nannte die Regierung Erdogans "ein mafiöses Regime".
    Yücel, der 2017/2018 367 Tage in türkischer Haft saß, sah in der Verhaftung Imamoglus eine politisch motivierte Aktion.

    Imamoglu sitzt einzig deshalb im Gefängnis, weil Erdogan in ihm eine große Gefahr sieht.

    Deniz Yücel, Journalist

    Protest against detained Istanbul mayor Imamoglu
    Das Istanbuler Stadtparlament wählt einen Vertreter für den verhafteten und abgesetzten Bürgermeister Imamoglu. Im Vorfeld gab es wieder Proteste und Verhaftungen.26.03.2025 | 5:04 min

    Bröcker: Zeit der Autokraten

    Der Chefredakteur bei "Table.Media", Michael Bröcker, sprach von der "Zeit der Autokraten" und forderte, dass "man" dort nun einschreiten müsse, "denn wir haben handfeste Interessen, die wir gerade mit der Türkei klären müssen. Von Syrien bis hin zu einem neuen EU-Türkei Pakt […]. Die Türkei ist ein Nato-Mitgliedsland. Wir haben gerade gemeinsame Interessen."
    Bröcker nannte Punkte, mit denen Deutschland beziehungsweise Europa Erdogan zum Einlenken bewegen könnte. "Tourismus und Wirtschaft, aber auch Visa-Erleichterungen. So kann man Erdogan treffen. Das muss diese Regierung sehr schnell auf die Tagesordnung nehmen - wenn sie dann da ist."
    Demonstranten versuchen, während eines Protestes gegen die Inhaftierung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu in Istanbul vom Hauptsitz der Istanbuler Stadtverwaltung zum Taksim-Platz zu marschieren
    Zehntausende fordern in der Türkei den Rücktritt Erdogans, nach der Inhaftierung des Istanbuler Bürgermeisters Imamoglu. Mehr als 1.100 Menschen sollen festgenommen worden sein. 25.03.2025 | 0:22 min
    Die Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Franziska Brantner, sah die aktuelle Lage in der Türkei globaler. "Wir sehen gerade, dass das Verhalten von Trump und was alles geht, auch andere ermutigt, entsprechend zu handeln."

    Jeder fühlt sich jetzt gerade ermächtigt, die Demokratie eigentlich abzuschaffen.

    Franziska Brantner, Bundesvorsitzende der Grünen

    Dass Friedrich Merz sich bisher zur Lage in der Türkei noch nicht öffentlich geäußert hat, hält Michael Bröcker für "strategisch klug". "Er muss erst einmal zum Bundeskanzler gewählt werden. Dann muss er sich allerdings sehr schnell dieses Thema vornehmen."

    Der Bundeskanzler, wenn er dann Friedrich Merz heißt, muss der außenpolitischste, europapolitischste Kanzler seit Willy Brandt werden. […] Merz muss sich da ganz schnell einarbeiten.

    Michael Bröcker, Chefredakteur bei "Table.Media"

    ZDF-Korrespondentin Phoebe Gaa, zugeschaltet aus Istanbul im Gespräch mit ... im Studio.
    Trotz Massenprotesten in der Türkei muss Imamoglu weiterhin im Gefängnis bleiben und wird als Bürgermeister Istanbuls suspendiert. Phoebe Gaa berichtet über die Lage im Land.23.03.2025 | 1:06 min

    Moskau-Connection der CDU?

    Franziska Brantner sah noch ganz andere Probleme: "Was mir eher Sorgen macht, ist, dass wir in der CDU gerade die alte Moskau-Connection wiederbeleben sehen. Das wir die Politiker haben, die sagen: Ach, können wir jetzt nicht mal wieder Gas aus Russland importieren? Können wir nicht doch wieder Nord Stream zwei aufmachen?"
    Angesprochen auf das beschlossene Hunderte Milliarden schwere Schuldenpaket von Union und SPD, mit Unterstützung der Grünen, äußerte die Grünen-Politikerin:

    Meine große Sorge ist, jetzt haben sie richtig viel Geld, schaffen aber keinerlei Strukturreform.

    Franziska Brantner, Bundesvorsitzende der Grünen

    Brantner: "Wenn sie sich zum Beispiel die Rente anschauen. Wir wissen alle, dass wir eine Rentenreform brauchen, damit die stabil ist und sicher ist für die nächsten Generationen. Da ist bei denen nichts vorgesehen."
    1052. Sitzung des Bundesrates
    Die Schuldenbremse wird künftig für Ausgaben in Verteidigung und Sicherheit ausgesetzt. Außerdem gibt es ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Klima und Infrastruktur.21.03.2025 | 1:49 min

    Bröcker: Schuldenbremse ist "Schulden-Freifahrtschein"

    Der Chefredakteur von "Table.Media" war der Meinung, dass das 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastruktur eine richtige und wichtige Entscheidung war. Allerdings sieht er in der Reform der Schuldenbremse, wo die Ausgaben für Verteidigung und bestimmte sicherheitspolitische Ausgaben, ab einer bestimmten Höhe (1 Prozent-Regel) künftig nicht mehr auf die Schuldenregel des Grundgesetzes angerechnet werden sollen, einen "Schulden-Freifahrtschein".
    Politbarometer DAVID 8
    Das Sondervermögen von 500 Milliarden für Klima und Infrastruktur halten 50 Prozent der Befragten für richtig. 15 Prozent meinen, dass gar keine Schulden aufgenommen werden sollen.21.03.2025 | 0:22 min
    Bröcker vertrat die These, dass die 1 Prozent-Regel ein "Gamechanger" sei und möglicherweise zur Aufnahme weiterer Milliarden Schulden führen wird. "Durch den erweiterten Sicherheitsbegriff bei der 1 Prozent-Regel kann man in den nächsten Jahren sehr viele neue Schulden aufnehmen, wenn es sich irgendwie mit dem Bevölkerungsschutz argumentieren lässt. Und da passt viel rein."

    Da geht der Katastrophenschutz mit rein, da geht der Bevölkerungsschutz mit rein, da geht auch die Logistik für das Militär mit rein.

    Michael Bröcker, Chefredakteur bei "Table.Media"

    Bröcker weiter: "Am Ende könnte man auch argumentieren, die Straße, die nach Estland führt und die durch Thüringen oder Sachsen geht, muss jetzt auch mitfinanziert werden, weil sie am Ende auch der Sicherheit der Bevölkerung dient."

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    Quelle: dpa

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