Erdogan und seine Konkurrenz: Bürgermeister Imamoglu in Haft

    Der Fall Imamoglu:Zu gefährlich für Erdogans Macht?

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    Imamoglu ist kein Einzelfall, zeigt der Blick in die jüngere Geschichte. Seine Inhaftierung lässt bei Beobachtern die Zweifel an der Unabhängigkeit der türkischen Justiz wachsen.

    Eine Gruppe an Studenten sitzt mit Protestplakaten in der Hand auf dem Boden, in der Mitte steht ein maskierter Mann, der eine türkische Flagge schwenkt. Auf der rechten Seite befindet sich eine Gruppe Polizisten mit Schutzausrüstung, die die Protestierenden im Zaum hält.
    Studenten protestieren gegen die Verhaftung von Istanbuls Bürgermeister Ekrem Imamoglu.
    Quelle: AP

    Hinter den Mauern des Marmara-Gefängnisses verschwinden diejenigen, die der türkischen Regierung ein Dorn im Auge sind. In dem türkischen Hochsicherheitsgefängnis westlich von Istanbul sitzen besonders viele politische Gefangene ein. Jetzt ist Ekrem Imamoglu einer von ihnen. Am Sonntag wurde der Istanbuler Bürgermeister in die berüchtigte Haftanstalt gebracht. Zuvor hatte ein Gericht Untersuchungshaft gegen ihn verhängt. "Es ist eine Hinrichtung ohne Prozess", teilte Imamoglu auf der Plattform X mit.

    Zweifel an Vorwürfen

    Gegen den beliebten Oppositionspolitiker und Erdogan-Rivalen, der am Mittwochmorgen in einer Nacht und Nebel-Aktion festgenommen wurde, wird wegen Korruption und Unterstützung einer Terror-Organisation ermittelt. Doch viele Türken zweifeln an den Vorwürfen - sie haben den Glauben an die Unabhängigkeit ihrer Justiz verloren. Die Überzeugung, dass die Verfahren gegen Imamoglu politisch motiviert und gegenstandslos sind, ist auch unter Experten weit verbreitet.
    Proteste intensivieren sich nach der Inhaftierung EKREM IMAMOGLUs in Istanbul
    Als eine "Bewegung der Gewalt" verurteilt Präsident Erdogan die Proteste gegen die Verhaftung von Oppositionspolitiker Imamoglu. Derweil gehen die Menschen weiter auf die Straße. 24.03.2025 | 3:03 min

    Wir können nicht von einer unabhängigen Gerichtsbarkeit in der Türkei ausgehen.

    Yasar Aydin, Stiftung Wissenschaft und Politik

    Besonders die Vorwürfe "Korruption" und "Terrorunterstützung" seien gängige Mittel, um gegen Oppositionelle vorzugehen, die Erdogans Regime gefährlich werden könnten.

    Fall Imamoglu nur einer von vielen

    Seit dem vereitelten Putschversuch 2016 hat Erdogan umfassende Veränderungen in der Justiz vorgenommen und türkische Gerichte haben ihr Vorgehen gegen die Opposition ausgeweitet. Ein Blick in die Geschichte der türkischen Justiz zeigt: Imamoglus Verhaftung ist kein Einzelfall. Er gehört in eine ganze Reihe von oppositionellen Politikern, Menschenrechtsaktivisten und Journalisten, die über die Jahre von der türkischen Justiz nach dem gleichen Muster verurteilt wurden. Ihre Anklagepunkte ähneln sich oft: Beleidigung, Korruption, Terrorpropaganda.
    Proteste intensivieren sich nach der Inhaftierung Imamoglus
    Nach der Inhaftierung des Istanbuler Bürgermeisters Imamoglu weiten sich die Massenproteste in der Türkei aus. Hunderttausende zogen erneut durch die Straßen.24.03.2025 | 1:15 min
    Da ist Selahattin Demirtas, der ehemalige Co-Vorsitzende der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP - heute DEM-Partei, der zwei Mal gegen Erdogan bei den Präsidentschaftswahlen antrat. Er sitzt seit 2016 in Haft. Ihm wurden unter anderem Aufrufe zur Gewalt, Beleidigung des Präsidenten und Terrorpropaganda vorgeworfen. 2024 wurde er zu 42 Jahren Haft verurteilt - seine Amtskollegin Figen Yüksekdag erhielt eine Strafe von mehr als 30 Jahren.
    Da ist Canan Kaftancioglu, ehemalige Vorsitzende der CHP in Istanbul, die 2019 zu mehr als neun Jahren Haft verurteilt wurde. Sie galt als Architektin von Imamoglus Sieg bei den Bürgermeisterwahlen im selben Jahr. Die Justiz warf ihr unter anderem Terrorpropaganda, Präsidentenbeleidigung sowie Volksverhetzung vor.

    Imamoglu schon früher im Fokus der Justiz

    Die Liste inhaftierter Oppositioneller ließe sich noch lange fortsetzen. Auch Imamoglu ist nicht zum ersten Mal im Visier der türkischen Justiz. Als er 2019 zum Bürgermeister von Istanbul gewählt wurde und damit die langjährige Herrschaft von Erdogans AKP über die einwohnerreichste Stadt der Türkei beendete, wurde die Wahl annulliert - die Wiederwahl gewann er mit deutlichem Vorsprung.
    Weil er die Wahlbehörde jedoch als "Idioten" bezeichnete, wurde er 2022 mit einem Politikverbot und einer mehr als zweijährigen Haftstrafe belegt. Er ging in Berufung, wodurch das Urteil nicht rechtskräftig wurde. 2023 wurde eine weitere Untersuchung wegen Korruption und Ausschreibungsmanipulation gegen ihn eingeleitet.
    Protest in Istanbul against the detention of Istanbul mayor Imamoglu
    Ekrem Imamoglu wurde festgenommen. Dem Bürgermeister von Istanbul und Rivalen von Erdogan wird unter anderem Korruption vorgeworfen. Die Opposition spricht von einem Putschversuch.19.03.2025 | 2:33 min
    Auch die jetzige Verhaftung Imamoglus kam nicht überraschend. Erst einen Tag vor seiner Verhaftung wurde ihm sein Hochschulabschluss an der Istanbul-Universität aberkannt. Wer in der Türkei Präsident werden will, braucht einen akademischen Abschluss. Beobachter vermuten, dass dadurch verhindert werden soll, dass Imamoglu bei einer Präsidentschaftswahl als Erdogans Gegenkandidat antreten kann. Denn:

    Imamoglu hat es geschafft, Erdogan den Nimbus der Unbesiegbarkeit zu nehmen.

    Yasar Aydin, Stiftung Wissenschaft und Politik

    Und das scheint für Erdogan nicht hinnehmbar.

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    Quelle: dpa

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    Quelle: ZDF

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