Interview
Krieg in Syrien:Fällt Homs, hat Assad "riesengroßes Problem"
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Könnte Syriens Machthaber Assad nach der überraschenden Offensive islamistischer Rebellen stürzen? Der Kampf um die strategisch wichtige Stadt Homs dürfte entscheidend sein.
Islamistische Kämpfer dringen in Syrien weiter Richtung Süden vor und stehen offenbar vor der Stadt Homs. Teilweise hätten die Truppen von Machthaber Assad die Stadt verlassen. 07.12.2024 | 1:38 min
Nach der Blitzoffensive der islamistischen Rebellenallianz in Syrien droht Machthaber Baschar al-Assad eine entscheidende Schlacht um die strategisch wichtige Stadt Homs. Nachdem Aleppo und Hama an die Rebellenallianz gefallen sind, sei Homs die "nächste Station entlang des Highways, also der Autobahn M5", sagt Nahost- und Militärexperte Sascha Bruchmann.
Die Stadt sei die Verbindung zum Westen des Landes, wo wichtige Militärbasen liegen. Zudem stütze sich das Assad-Regime auf die dortige Unterstützung der Alawiten, einer Minderheit in Syrien.
In Syrien rücken die islamistischen Kämpfer mit ihrer Großoffensive gegen das Assad-Regime weiter in Richtung der Hauptstadt Damaskus vor. Tausende Menschen sind auf der Flucht.06.12.2024 | 2:41 min
Die syrischen Streitkräfte seien demoralisiert, sagt Bruchmann. Das hätten die Kämpfe um Aleppo und Hama gezeigt. Die Unterstützung durch russische Luftstreitkräfte und mit Iran verbündete Milizen reichten zudem derzeit nicht aus, um Gebiete zu halten.
ZDF-Korrespondentin Golineh Atai will sich dennoch nicht festlegen, ob Assad bald stürzen könnte: "Das ist sehr schwierig, gerade zu prophezeien." Homs sei "voller Assad-Infrastruktur". Wenn es keine massiven Übertritte regierungstreuer Kämpfer gebe, sei noch tagelang mit größeren Kämpfen zu rechnen. Atai betont aber auch:
Sollte Homs fallen, hätte Assad ein riesengroßes Problem, seine Hauptstadt Damaskus und seine Militärbasis zu verbinden, sagt Nahost- und Militärexperte Sascha Bruchmann.06.12.2024 | 12:27 min
Russland, Iran, Türkei, USA: Wer in Syrien welche Interessen verfolgt
Durch die Verstrickung vieler verschiedener Kräfte aus dem Ausland hat die derzeitige Lage in Syrien auch eine geopolitische Brisanz. Die USA seien mit etwa 900 Spezialkräften im Osten Syriens vertreten, um zu verhindern, dass die Terrormiliz Islamischer Staat wieder erstarkt, sagt Militärexperte Bruchmann.
Sie würden dort mit kurdischen Kräften, den "Syrian Democratic Forces" und deren Miliz, der YPG, zusammenarbeiten. Ob die Vereinigten Staaten aber auch unter der künftigen Regierung Donald Trumps in Syrien bleiben werden, sei derzeit nicht absehbar.
Die Türkei arbeite derweil daran, eine "Pufferzone in Richtung der Kurdengebiete" zu erhalten, sagt Golineh Atai, und attackiere die Kurdenmiliz YPG.
Nach der Einnahme der strategisch wichtigen Stadt Hama ist die Allianz islamistischen Rebellen Richtung Homs vorgerückt. Die syrischen Regierungstruppen haben sich zurückgezogen.06.12.2024 | 1:54 min
Der Iran wiederum habe Syrien gebraucht, um den Kontakt zur Hisbollah zu halten und etwa Waffen an diese zu liefern. Syrien sei ursprünglich das "Herzland der sogenannten Achse des Widerstandes" gewesen, so ZDF-Korrespondentin Atai. Dieser Zusammenhalt pro-iranischer Kräfte sei mit dem Waffenstillstand im Libanon allerdings "spektakulär gescheitert". Von Hisbollah-Vertretern habe sie gehört, dass diese nicht vorhätten, die Verbündeten in Syrien zu unterstützen, weil auch sie während des Krieges im Libanon keine Unterstützung erfahren hätten.
Der Iran habe jedoch ein Interesse daran, die Ausbreitung sunnitischer Terrorgruppierungen zu unterbinden und sei daher auf seine "vorgelagerten arabischen Milizen" angewiesen, die die derzeit in Syrien vorrückende Rebellen-Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) bekämpfen.
ZDF-Korrespondentin: Russland braucht die Mittelmeer-Häfen
Das Verhältnis von Russland zu Syrien habe sich in den vergangenen Jahren derweil gewandelt. 2015 hatten russische Kräfte eingegriffen, als die Assad-Herrschaft kurz vor ihrem Ende stand.
Den Rebellen um ihren Führer al-Dschulani stünde ein schwieriger Kampf bevor, so Syrien-Korrespondentin Atai. Sie suchten ein gutes Verhältnis mit dem Assad-Verbündeten Russland.06.12.2024 | 11:41 min
In den vergangenen neun Jahren habe es immer wieder Versuche von Seiten Russlands gegeben, Assad auch zum Einlenken, zu einem politischen Abkommen und zum Wiederaufbau Syriens zu bewegen, so Atai. "Und das ist grandios gescheitert."
Russland habe aber "auf jeden Fall" ein Interesse daran, seine Häfen in Syrien zu halten, damit es auch einen Zugang zum Mittelmeer hat. Es ist unklar, ob das weiter möglich wäre, sollte Assad stürzen.
Die Interviews bei ZDFheute live führte Marc Burgemeister, zusammengefasst hat sie Torben Heine.
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