Slowakei: Pressefreiheit nach Attentat weiter in Gefahr

    Analyse

    Slowakei nach Attentat:Fico: Fünf Schüsse und ein Weiter so

    Britta Hilpert
    von Britta Hilpert
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    Kein Land der EU ist gesellschaftlich stärker gespalten als die Slowakei. Kürzlich entlud sich die Spannung in einem Attentat auf den Premier. Er überlebte - und hält Kurs.

    Neues Mediengesetz in der Slowakei
    Michal Kovačič ist eine Art Markus Lanz der Slowakei - doch nun darf er seinen TV Sender nicht mehr betreten.18.06.2024 | 2:19 min
    Michal Kovačič ist eine Art Markus Lanz der Slowakei: Seit 16 Jahren rückt er den Mächtigen mit Fragen und Klartext "Na telo", zu Leibe, so auch der Titel seiner Sendung. 2023 erhielt er dafür den höchsten Journalismuspreis im Land. Heute steht er am Tor seines Privatsenders Markiza und zuckt die Schultern.

    Nach meiner Sendung am Sonntag hat die Leitung mir am Montag mitgeteilt, dass sie keine Arbeit mehr für mich haben. Sie haben meine Sendungen gestoppt.

    Michal Kovačič, Journalist und Moderator

    "Orbanisierung" in der Slowakei

    Er hatte live im Fernsehen berichtet, welchem politischen Druck seine Sendung und andere Medien ausgesetzt sind: "Die Slowakei erlebt einen Kampf um die Orbanisierung der Fernsehsender", sagte er und meint damit, dass die Regierung mehr und mehr Einfluss ausübt.
    Konkret auch beim öffentlich-rechtlichen Sender RTVS, ein neues Gesetz sieht die Abschaffung des Senders vor. "So etwas passiert heimlich, still und leise in allen Medien", sagt Kovačič.

    Das könnte katastrophale Folgen haben für die slowakische Demokratie.

    Michal Kovačič, Journalist und Moderator

    Nach dieser Sendung war Schluss bei "Na telo", es wurde seinem Sender wohl zu heiß. Seit Oktober hat die Slowakei eine neue links-populistische Regierung, die kein Freund ist von kritischer Berichterstattung.
    Slowakei: Regierung will Zugriff auf Rundfunk
    Die slowakische Regierung unter Ministerpräsident Fico will den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf Regierungslinie bringen. Dafür greift sie zu einem Trick.03.05.2024 | 2:32 min
    Robert Fico, der Regierungschef, bezeichnete Journalisten schon als "anti-slowakische Huren" und unterstellt kritischen Berichterstatter*innen, sie führten einen Kampf gegen die Regierung.

    Slowakei: Gesellschaft durch Hass und Hetze gespalten

    Seit Jahren schon, aber besonders seit dem Wahlkampf, der Robert Fico im Oktober 2023 an die Macht führte, erlebt die Slowakei Hass und Hetze und eine extrem gespaltene Gesellschaft. Aus Worten wurden Taten:
    2018 wurde ein investigativer Journalist und seine Verlobte ermordet. 2022 erschoss ein Nationalist zwei Gäste einer queeren Bar. Und Mitte Mai dieses Jahres feuerte ein 71-jähriger Slowake fünf Mal auf Robert Fico. Der Premierminister überlebte nur knapp. Als Motiv gab der Mann an, er wollte Fico "regierungsunfähig" machen.
    Karolína Farska
    Karolína Farská ist Mitorganisatorin der größten zivilen Bewegung seit dem Ende der Diktatur im Jahr 1989. Nun arbeitet sie an einem Projekt für mehr Pressefreiheit.21.05.2024 | 2:28 min

    "Versöhnung" nach dem Attentat auf Fico

    Kurzzeitig war viel von Versöhnung die Rede, doch dann zeigte sich, dass "Versöhnung" sehr unterschiedlich gehandhabt wird: Kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen, ist der Weg der Regierung, die Kontroverse zu beenden. "Die Gesellschaft hat Bedarf nach Versöhnung, dem stimme ich voll und ganz zu", sagt Michal Kovačič.

    Aber man kann nicht unter dem Vorwand der Versöhnung die Medien unterdrücken.

    Michal Kovačič, Journalist und Moderator

    Soziologin nach Fico-Attentat
    :"Schlag ins Herz der Slowakei"

    Das Attentat auf Regierungschef Robert Fico hat die stark gespaltene Slowakei geschockt. Eine weitere Polarisierung müsse nun gestoppt werden, sagt Soziologin Anna Durnova.
    Attentat auf slowakischen Regierungschef Fico
    Interview

    Fico will kritische Medien abschaffen

    In seinem ersten Auftritt nach dem Attentat bleibt Fico sich treu: die, so wörtlich, "frustrierte Opposition" und "anti-Regierungsmedien" hätten den Attentäter aufgehetzt. Und so setzt die Regierung fort, was sie bereits vor dem Attentat begann: die Abschaffung der öffentlich-rechtlichen Medien. Das Gesetz ist bereits in der zweiten Lesung, die Abstimmung folgt am Donnerstag.
    "Die derzeitige Regierung hat keinen einzigen Beweis vorgelegt, dass RTVS oder seine Angestellten ihre Aufgabe nicht erfüllen", so der Medienexperte Rasťo Kužel von der NGO MEMO 98. "Auf so was achten auch Kontrollgremien."
    Soldaten auf Pferden zu Fuß. Politiker im Vordergrund mit großem auslandsjournal Logo
    Europa war für Ungarn, Slowenen, Tschechen und Slowaken das Versprechen von Freiheit, Wohlstand und Sicherheit. Was ist daraus geworden, was hat sich in 20 Jahren EU verändert?25.04.2024 | 44:15 min
    Die Demontage der Pressefreiheit stößt auf Widerstand: Tausende Slowaken demonstrierten mehrfach gegen die Abschaffung von RTVS und den wachsenden politischen Druck auf die Medien. Die Angestellten von RTVS gingen am Montag vergangener Woche erstmals in ihrer Geschichte in den Warnstreik. Viele Medienschaffende tragen schwarz, als Mahnung.
    Trotzdem fürchten viele, dass sich die Situation weiter verschlechtert, denn das, was Ungarns Premier Viktor Orban in 20 Jahren geschafft habe, so Medienexperte Rasťo Kužel, das versuche die slowakische Regierung in wenigen Monaten. "Ich bin wirklich beunruhigt. Wir hatten in der Vergangenheit schon Politiker die die wichtige Rolle von Journalisten nicht akzeptiert haben, die da lautet: die Kontrolle der öffentlichen Macht."

    Angriffe auf Journalisten kulminierten 2018 in der Ermordung des Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten. Damals haben wir gehofft, dass sich das nicht wiederholt, aber leider hat sich die Situation noch verschlechtert.

    Rasťo Kužel, Medienexperte von der NGO Memo 98

    Heute in Europa Bilder
    Robert Fico, der neue Premierminister der Slowakei, begann kurz nach seiner Wahl bereits das Land umzubauen - und ging dabei nicht sonderlich demokratisch vor.04.12.2023 | 2:13 min
    Journalist Michal Kovačič will weiter machen: "Ohne die Kontrolle der Macht durch kritische Medien funktioniert die Demokratie nicht."

    Viele slowakische Institutionen sind nicht so stark und stabil wie in Westeuropa, umso mehr brauchen wir kritische Medien!

    Michal Kovačič, Journalist und Moderator

    Ihn freut nur, dass die Redaktion hinter ihm stehe, sagt er und zeigt ein Foto: ganz vorn steht Michal, dahinter seine Kollegen alle tragen Schwarz. Aber sie sind getrennt durch einen Zaun. Michal muss leider draußen bleiben. Es ist ein sehr symbolisches Bild. Es sind entscheidende Tage für die slowakische Pressefreiheit.

    Katrin Eigendorf und Jagoda Marinić sitzen auf einem Sofa
    In der Welt gibt’s nur noch Krisen? Nicht unbedingt. Das beleuchtet der neue ZDF auslandsjournal Podcast von und mit der Internationalen Sonderkorrespondentin Katrin Eigendorf und Publizistin und Journalistin Jagoda Marinić. Zum Beispiel, was uns nach dem Rechtsruck bei der Europawahl Hoffnung geben kann.

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