Handgemachte Strohbesen, Ajvar und natürlich Walnüsse bieten sie an auf dem Wochenmarkt in Grocka - doch der Handel brummt nicht gerade. Viele ältere Menschen prüfen sehr genau, was die Ware kostet, denn rund 200 Euro Rente im Monat sind hier normal. Hohe
Inflation und Wirtschaftskrise sind deshalb für sie das wichtigste Thema bei den Parlamentswahlen am Sonntag.
Kaum Kritik an Regierung Vucic
Der Regierung ist es zuletzt nur wenig gelungen, diese Probleme in den Griff zu bekommen und trotzdem findet sich kaum jemand, der die amtierende Regierung und Präsident Alexander Vucic kritisiert. "Was Vucic macht, ist phänomenal", sagt uns Zorica. "Wenn er bleibt, dann werden wir alle glücklich." Von der Opposition hält sie wenig: "Eine Null. Eine Katastrophe." Der Rentner Rodoljub Mihaljović, der von 190 Euro im Monat lebt, meint ebenfalls:
Auch Mihaljović hält wenig von der Opposition. "Lassen Sie uns nicht über sie reden. Sie ist unmöglich. Wie soll ich von meiner Rente die Elektrizität zahlen?" Er ist der Ansicht, dass die Opposition für seine niedrige Rente verantwortlich ist, obwohl Vucic seit über zehn Jahren regiert.
Medien bleiben größtenteils Vucic-treu
Opposition: schlecht, Vucic: gut - das ist die weit verbreitete Meinung in Serbiens Provinz. Es sei das Ergebnis einer manipulierten politischen Kommunikation von Präsident Vucic, meinten viele der Demonstranten, die den Sommer über regelmäßig auf die Straße gingen. Nach zwei Amokläufen mit 18 Toten forderten sie eine Politik "gegen Gewalt" und eine unabhängige Presse. Neuwahl war eine spätere Forderung - und nur die nahm Vucic auf.
Die Medien bleiben größtenteils Vucic-treu wettern gegen "den Westen", gegen
EU und
Nato, und im Krieg gegen die
Ukraine stehen sie klar auf russischer Seite.
Vucic ist dort regelmäßiger Gast. Die NGO CRTA listet auf, dass er bis zum 22. November 23.260 mal live im Fernsehen sprach, teilweise bis zu drei Stunden lang. Für die "Ansprachen an die Nation" braucht er einen permanenten Krisenmodus.
Schwelender Kosovo-Konflikt
Den liefert auch das Kosovo: seit Mai gab es
mehrere teils gewaltsame Vorfälle mit der serbischen Minderheit in dem jungen Staat Kosovo, dessen Unabhängigkeit Vucic nicht anerkennt. Der tödlichste geschah Ende September, als 30 schwerbewaffnete Serben eine Schießerei mit der Kosovo-Polizei anzettelten. Ein Kosovo-Polizist und drei Serben starben, der Anführer floh nach Serbien.
Bei den vorgezogenen Wahlen am 17. Dezember geht es auch um die Spannungen im Kosovo, das von Serbien nicht vollständig anerkannt wird.14.12.2023 | 6:06 min
Dort verhängte Vucic eine Staatstrauer für die toten Angreifer und weigert sich, den Rädelsführer auszuliefern. Denn die Opfer seien nicht etwa die Kosovaren, sondern die Serben: "Die Serben im Kosovo ertragen den Terror von Kurti [Albin Kurti, Regierungschef des Kosovo, Anm.d.Red.] nicht mehr, den sie schon so lange aushalten müssen", sagte er. Und als Opfer stellt auch er selbst sich dar in diesem Wahlkampf: "Im Kern besteht die Politik der Opposition nicht darin etwas für Serbien zu tun, sondern etwas gegen Vucic."
Manipulation durch staatstreue Medien?
Raša Nedeljkov von der NGO CRTA erklärt es so: "Die Medienmaschinerie hat dafür gesorgt, dass der Präsident mit Serbien gleichgesetzt wird. Das heißt: wenn Vucic das Opfer ist, dann ist es ganz Serbien. Jeder, der stolz darauf ist Teil der serbischen Gesellschaft zu sein, wird nun so manipuliert, dass eine Attacke auf Vucic eine Attacke auf alle Serben ist."
Jeden Tag miese Schlagzeilen über ihn, so erlebt es dagegen Dragan Djilas, Chef der grössten Partei in der Anti-Vucic-Koalition: Er sei ein guter Freund der Mafia, er sei korrupt, er wolle die Serben zerstören, und natürlich auch: die Opposition würde finanziert aus dem (westlichen) Ausland. Das liefert die regierungsnahe Boulevardpresse. Über tausend Mal, so erzählt er, sei er auf der Titelseite dieser Zeitungen gewesen, über hundert Mal habe er dagegen geklagt und Recht bekommen - doch Strafzahlungen von gerade mal 1.000 Euro beeindrucken nicht.
Narrativ der "Feinde Serbiens"
Diese Medien stützen Vucic mit dem Narrativ von den "Feinden Serbiens", so meint er, denn "für einen nationalistischen Politiker ist das der einfachste Weg die Macht zu erhalten: der Westen, die EU, die USA, die Albaner, alle hassen uns! So schafft man eine Gemeinschaft und so gewinnt man Wahlen. Easy!"
Wie passt das zusammen mit
Serbiens Wunsch, der EU beizutreten? Wofür steht Vucic wirklich? "Jedenfalls ist er nicht für die EU", meint Djilas. "Er will eher so sein wie Tito, zwischen allen Blöcken, zwischen Russland,
China und allen anderen. Er ist vor allem für sich selbst. Er ist vor allem für seinen Machterhalt."
Eine Gelegenheit, mit Präsident Vucic oder jemandem aus seiner Partei darüber zu sprechen, bekamen wir vor Redaktionsschluss nicht. Mit großen politischen Veränderungen rechnet kaum jemand am kommenden Sonntag.