Die Auswirkungen des
Ukraine-Kriegs sind auf dem diplomatischen Parkett in allen Ecken der Welt spürbar. Es ist ein stetiges Tauziehen um Einfluss. Welches Land liefert Waffen, wer gibt russischen Oligarchen Unterschlupf, über welche Handelszentren werden russische Produkte umgeleitet?
Moskau geht ähnlich vor und konnte zuletzt erfolgreich Europas Einfluss in der Sahel-Zone durch
Militär-Kooperationen mit Putschisten mindern. In den vergangenen Tagen waren es hingegen mehrere diplomatische Niederlagen, die Russland in Staaten einstecken musste, die es selbst als seinen Hinterhof betrachtet.
Armenien: Beitritt zum Internationalen Strafgerichtshof
Ein Besuch Putins in Armenien ist damit vorerst vom Tisch, das Land wäre verpflichtet, Putin zu verhaften und auszuliefern. Der Kreml bezeichnete die Entscheidung als "unfreundlichen Schritt".
Bergkarabach als Knackpunkt für Armenien
Eine zentrale Rolle bei der Entscheidung dürfte das Gefühl Armeniens gespielt haben, von Russland im Stich gelassen worden zu sein. In den
Kämpfen mit Aserbaidschan um die Region Bergkarabach seit 2020 verhielt sich Russland weitgehend neutral - obwohl Armenien Teil des russischen Militärbündnisses OVKS ist und eine Militärbasis auf armenischem Gebiet unterhält.
Eine Bitte um Unterstützung im September 2022 durch den armenischen Premier Nikol Paschinjan an die OVKS schlug Putin aus.
Kirgistan und Tadschikistan: Verbündete bekämpfen sich
Überhaupt das Militärbündnis OVKS - eigentlich soll es wie eine Alternative zur
Nato funktionieren. Wird ein Mitgliedsstaat angegriffen, gilt das wie ein Angriff auf alle. Wenn sich jedoch mehrere Mitglieder militärisch im Konflikt befinden, tritt die Machtlosigkeit des von Russland 1992 initiierten Bündnisses hervor.
Im September 2022 war das zwischen
Kirgistan und Tadschikistan der Fall. Über mehrere Tage gab es entlang beidseitig beanspruchter Grenzgebiete heftige Kämpfe. Russlands Einfluss auf das Bündnis war nicht mehr stark genug, um solche seit Jahrzehnten schwelenden Meinungsverschiedenheiten zu kontrollieren.
Die Verbindungen zwischen Russland und der Ex-Sowjetrepublik Kirgisistan sind traditionell eng. Doch wie verändert Russlands Überfall auf die Ukraine das Verhältnis beider Staaten?21.06.2023 | 6:35 min
Kasachstan: Will Russland-Sanktionen nicht mehr untergraben
Aber auch wenn das Militärbündnis einmal aktiv wird, scheint das keine langanhaltende Loyalität zu bedeuten. Als im Januar 2022 Bürger in Kasachstan gegen die Regierung von Präsident Qassym-Schomart Tokajew protestierten, schickte die OVKS rund 2.500 Soldaten nach Kasachstan. Unruhen mit mehr als 200 Toten wurden niedergeschlagen.
Den gesamten Ukraine-Krieg hindurch sah sich Kasachstan Vorwürfen ausgesetzt,
Umschlagplatz für europäische Waren zu sein, um sie nach Russland zu schleusen. Vor allem Elektronik soll auf diesem Weg vorbei an den europäischen Sanktionen nach Russland gelangt sein. Nach einem Treffen mit Bundeskanzler
Olaf Scholz am Freitag in Berlin versicherte Tokajew nun, die Sanktionen einhalten zu wollen. "Kasachstan hat unmissverständlich erklärt, dass es sich an die Sanktionen halten wird", so Tokajew. Gleichzeitig werde Deutschland seine Öl-Importe aus Kasachstan erhöhen.
Sofern sich Kasachstan tatsächlich an diese Zusage hält, zeigt dieser diplomatische Kuhhandel, dass Russlands Einfluss über seine südlichen Nachbarländer verloren hat. Solange Europa ihnen etwas Handfestes zu bieten hat, scheinen die Staaten Zentralasiens Putin vorübergehend links liegenzulassen.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.