Oldenburg: Profit mit Unterkünften für Geflüchtete?

Unterkünfte in Oldenburg:Profit auf dem Rücken ukrainischer Geflüchteter?

von Katja Belousova und Astrid Randerath
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In Oldenburg soll ein Verein Überschüsse erwirtschaftet haben, indem er marode, überfüllte Häuser an Geflüchtete aus der Ukraine zwischenvermietete. Was sagen Stadt und Betroffene?

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Als Artem Abdulaiev und Mykhaylo Rakosiy vor dem Krieg in der Ukraine nach Oldenburg flohen, hatten sie vor allem einen Wunsch: in Deutschland ein menschenwürdiges Leben zu führen - abseits von Bomben und Zerstörung.
Mykhaylo Rakosiy verließ mit Mutter und Schwester Saporischja. Ende 2022 zogen sie in ein Haus, das der Verein "Oldenburg hilft" angemietet hatte und an die Ukrainer zwischenvermietete. Auf den ersten Blick wirkte das Haus schön, doch die erste Woche lebten sie ohne Heizung, erzählt Rakosiy ZDF frontal: "Draußen war Winter, es war Dezember und sehr kalt. Wir fanden einen Ofen und Holz in der Küche."

Wir zogen uns warm an, konnten nachts aber nicht schlafen, weil es so kalt war.

Mykhaylo Rakosiy

Verein "Oldenburg hilft" mietete Dutzende Immobilien an

Zu dritt schliefen sie die ersten Monate in einem etwa 17 Quadratmeter großen Zimmer. Für 925 Euro - bezahlt von Jobcenter und Sozialamt. Nach und nach zogen immer mehr Familien in das Einfamilienhaus. In einem Brandbrief warnte sogar die Eigentümerin des Hauses im Oktober 2023: "13 einander fremde Menschen können nicht gleichzeitig und längerfristig in dem Haus untergebracht werden, wenn sie mit genug Privatsphäre würdig miteinander leben sollen".
Abdulaiev zog Anfang 2023 in ein anderes Haus, das der Verein angemietet hatte - und ebenfalls überbelegt war. "Immer wieder ist Schimmel aufgetreten. Obwohl wir immer gelüftet und geheizt haben", erinnert sich der 21-Jährige aus Mariupol. Die Wohn- und Heizkosten für sein 18 Quadratmeter kleines Zimmer mit Gemeinschaftsbad und -küche übernahm das Jobcenter - 620 Euro im Monat.
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Etwa 60 Immobilien mietete der Verein "Oldenburg hilft" an, um sie an Ukrainer weiterzuvermieten. Übernommen wurden die Kosten für Unterkunft und Heizung vor allem vom Jobcenter - das macht die Behörde, wenn Menschen Bürgergeld beziehen. Das Geld dafür stammt größtenteils vom Bund.



Zehntausende Euro mit maroden Häusern?

In einem Monat soll der Verein zehntausende Euro erwirtschaftet haben - mit teils maroden, überbelegten Häusern und Zimmern. "Oldenburg hilft" hat sich trotz mehrfacher Nachfrage von ZDF frontal nicht zu den Vorwürfen geäußert.
Dafür ist das ehemalige Mitglied Karsten Ude bereit, über seine Erfahrungen zu sprechen. Er hatte sich vor allem bei Hilfstransporten in die Ukraine engagiert - die Vermietungen des Vereins machten ihn schnell stutzig.
Bei einer Sitzung im Herbst 2022 sei eine Tabelle an die Wand geworfen worden, erzählt er ZDF frontal. "Wo die ganzen Überschüsse mehr oder weniger kurz und klein gerechnet wurden, und das war zum damaligen Zeitpunkt ein Überschuss von etwa 25.000 Euro im Monat bei 30 Häusern. Das war schon irre." Das alles sei auf Kosten des Steuerzahlers geschehen, kritisiert er.

Ich denke aufgrund der Erfahrung mit dem ersten Haus, wurde klar, es wird mehr dafür bezahlt, als es kostet. Und damit lässt sich ein Überschuss erwirtschaften.

Karsten Ude, ehem. Mitglied "Oldenburg hilft"

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Staatsanwaltschaft Oldenburg ermittelt

Im Februar 2023 erstattete Ude Anzeige. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg veranlasste eine Durchsuchung und ermittelt inzwischen gegen ein ehemaliges Vorstandsmitglied wegen Untreue. Trotzdem vermietete der Verein weiter. Wie kann das sein?
Dagmar Sachse, Oldenburgs Sozialdezernentin, erklärt ZDF frontal, dass man bei dem Verein "sehr früh Zweifel angemeldet" habe. Bereits ab Ende 2022 sowie Anfang und Mitte 2023 habe man Wohnungen von "Oldenburg hilft" besichtigt. Doch "erst wenn es Hinweise gibt, dass das eine Wohnform ist, die wir nicht dulden wollen, dann gibt es Anlass, was zu tun", sagt sie.

Die Menschen haben in der Ukraine auch schon Mietverträge unterschrieben. Das ist nicht so, dass sie nicht wüssten, wie man das macht.

Dagmar Sachse, Sozialdezernentin Oldenburg

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Hemmungen bei Geflüchteten

Geflüchtete trauen sich jedoch häufig nicht, Probleme öffentlich zu machen - aus Scham, aus Angst oder weil sie die deutsche Sprache nicht gut genug beherrschen. Auch Resignation spielt eine Rolle. "Wir haben akzeptiert, dass das die Situation war. Wir haben es einfach so hingenommen und uns deshalb nicht dagegen gewehrt", sagt Abdulaiev.
Der ehrenamtliche Helfer Ralph Butzin vom Verein "Up to help" kennt dieses Verhalten aus seiner Arbeit mit Geflüchteten: "Grundsätzlich ist es so, dass geflüchtete Menschen sich nicht beschweren, sondern erst mal dankbar sind, überhaupt irgendwo zu wohnen."

Aber es gibt ja auch eine Sorgfaltspflicht der Stadt und des Jobcenters, einfach mal nachzuschauen.

Ralph Butzin, Verein "Up to help"

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Noch immer leben Menschen in Unterkünften des Vereins

Erst nach Berichten in der Lokalpresse kam Bewegung in den Fall "Oldenburg hilft". Aktuell sei die Stadt in Abstimmung mit dem Verein dabei, die Immobilien "abzubauen", erklärt Sachse.

Ich glaube, dass das nur eine Frage der Zeit ist, bis sich das Immobiliengeschäft und vielleicht die Vereinstätigkeit erübrigt.

Dagmar Sachse, Sozialdezernentin Oldenburg

Doch es gibt immer noch Menschen, die in Unterkünften von "Oldenburg hilft" leben.
Abdulaiev und Rakosiy haben mittlerweile neue Wohnungen gefunden. Der Weg dahin sei in der Studentenstadt Oldenburg nicht leicht gewesen, erzählen sie. Monatelang waren sie auf Wohnungssuche. Nun sind sie zufrieden mit den Wohnbedingungen. "Ich brauche nicht viel, um glücklich zu sein", sagt Abdulaiev.

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Quelle: dpa

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