Die Propaganda der Hamas im Netz - ein Krieg der Bilder
Kampf ums Narrativ:Wie die Hamas im Netz Propaganda betreibt
von Alexandra Hawlin
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Ihren Kampf gegen Israel führt die Hamas längst auch im Netz. Wie die Terrororganisation versucht, die öffentliche Meinung zu lenken und weltweit für ihre Zwecke zu mobilisieren.
Hamas-Terroristen sollen vermeintlich als human dargestellt werden, als Freiheitskämpfer. Es ist ein Strategiewechsel im Vergleich zu den anfangs dominierenden Gewaltdarstellungen der Hamas. Denn sie hat die Bedeutung von Bildern im Kampf um die Deutungshoheit im Nahost-Konflikt längst erkannt.
Strategische Kriegsführung auf Social Media
Soziale Netzwerke werden mit Propaganda und Desinformation geflutet, von Userinnen und Usern weiterverbreitet. Aber auch Medien und Journalisten greifen auf das Propaganda-Material der Hamas zurück und verbreiten es so weltweit.
Bei der Planung des Angriffs auf Israel scheint die Terrororganisation Hamas die sozialen Medien miteingespeist zu haben. Davon geht Monika Hübscher aus. Sie forscht zu Antisemitismus und Social Media an der Universität Duisburg-Essen und an der Universität Haifa.
Mit Kameras ausgestattet haben die islamistischen Angreifer ihre Gräueltaten am 7. Oktober teils live ins Netz übertragen. Menschen weltweit konnten aus dem Blickwinkel der Attentäter sehen, wie unschuldige Zivilisten, Erwachsene, Ältere, Kinder, Tiere erschossen werden. Viele Bilder sind zu grausam, um sie zu zeigen, gar zu beschreiben, so Monika Hübscher.
Wirkung und Ziel der Hamas-Propaganda
Es ist eine neue Qualität von Grausamkeit, die sich in Bildern im Netz verbreitet. "Einmal kann man sehen, dass diese Bilder eine starke entmenschlichende Wirkung haben", sagt Hübscher.
"Man entmenschlicht Israelis, Jüdinnen und Juden und gleichzeitig normalisiert sich diese Gewalt und kann anstiftend wirken zu Taten im realen Leben", so die Antisemitismusforscherin.
Manche Videos auf dem Telegram-Kanal der Hamas oder Hamas-nahen Kanälen zeigen professionell geschnittene Videos, die den Angriff auf Israel verherrlichen.
Auffallend ist, dass die Inhalte nicht nur auf Arabisch publiziert werden, sondern immer öfter auf Englisch. Das Ziel sind Userinnen und User in der westlichen Welt - USA, Großbritannien, Deutschland.
Gewaltdarstellungen und Desinformation auf Plattformen
Eine Flut von Videos, Fotos, Memes und KI-generierten Inhalten - vielfach schwer zu verifizieren - verbreitet sich vor allem auf Telegram und X, ehemals Twitter, wo Propaganda, Gewaltdarstellungen und Desinformation wenig reguliert werden.
Ein Grund dafür, dass Propaganda, Gewaltverherrlichung und Desinformation auf Social-Media-Plattformen bleiben, ist, dass Schlupflöcher ausgenutzt werden, um den Algorithmus und die Erkennungssysteme der Plattformen zu umgehen.
Algorithm-Speak, kurz: Algospeak, ist eine Art Sprache, mit der versucht wird, den Algorithmus der Plattformen auszutricksen. Das passiert etwa, indem bei Inhalten, die gegen die Richtlinien verstoßen, positiv bewertete Hashtags verwendet werden oder Buchstaben und Zeichen in Keywords weggelassen werden
Adversarial Attack ("feindlicher Angriff") sind Techniken zur Manipulation von KI-Systemen. Zum Beispiel werden die Pixel eines Bildes leicht verändert, so dass es für den Menschen nicht sichtbar ist, das Objekt aber vom Erkennungssystem falsch zugeordnet wird.
TikTok entwickelt seine automatischen Erkennungssysteme weiter und entfernt gewalttätige Inhalte und Accounts, teilt das Unternehmen mit.
Meta stuft die Hamas als "Gefährliche Organisation und Personen" ein, verbietet und entfernt nach eigenen Angaben Hamas-verherrlichende Inhalte auf den Plattformen.
X, ehemals Twitter, reglementiert Propaganda und Fake News weniger streng. "X ist der Meinung, dass es zwar schwierig, aber im Interesse der Öffentlichkeit ist, zu verstehen, was in Echtzeit passiert", teilt das Unternehmen mit. Nachdem die EU Druck auf die Social-Media-Plattform geübt hat, gibt X an, nach dem Angriff auf Israel Hunderte Hamas-nahe Kanäle entfernt zu haben.
Nachdem die EU Druck übt, teilt die Plattform X mit, sie habe nach dem Angriff der Hamas Hunderte Hamas-nahe Accounts entfernt. Gewaltdarstellungen und Fake News bleiben aber meist auf der Plattform, werden lediglich mit einer Warnung oder einem Hinweis versehen.
Diese Inhalte erzeugen meist viel Aufmerksamkeit, die Userinnen und User interagieren, mit Likes oder Gegenrede, verweilen auf den Plattformen. Solche Posts werden algorithmisch noch weiter verbreitet.
Der Nahost-Konflikt: Ein Krieg um das Narrativ
"Wir leben in einem Zeitalter, in dem nicht mehr viele an Fakten interessiert sind, sondern mehr an ihrer 'gefühlten' Wahrheit, an Klicks und Verkaufszahlen", sagt Mahmoud Salem, ägyptischer Autor und Experte für Desinformation und Factchecking. Das sei ein sehr gefährliches Terrain.
Die Terrororganisation Hamas macht sich das zunutze. Wenn es immer schwieriger wird, Fakten von Fake News zu unterscheiden, gewinnt am Ende der, der den Krieg um das Narrativ, die Erzählung beherrscht.
So kämpft die Hamas schon lange nicht mehr nur am Boden, sondern auch im Netz. Es ist ein moderner Informationskrieg - mit dem Ziel, die öffentliche Meinung zu ihren Zwecken zu lenken und weltweit zu mobilisieren.
Mit dem Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel ist der Nahost-Konflikt eskaliert. Israel greift infolge der Terrorattacke Ziele im Gazastreifen an. Ein Rückblick.