Interview
FAQ
Umfragen, Kandidaten, Parteien:Die wichtigsten Fragen zur Wahl in Polen
von Lukasz Galkowski, Warschau
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Am Sonntag wählt Polen ein neues Parlament. Was sind die wichtigsten Parteien, wie steht es in den Umfragen und welche Szenarien sind nach der Wahl möglich? Ein Überblick.
Welche Parteien und Bündnisse treten an?
Nach zwei Amtszeiten unter der Führung der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) will die Opposition das Zepter übernehmen. Allerdings tritt die pro-europäische Opposition nicht in einem Block, sondern mit drei Listen an: der von den Liberalkonservativen angeführten Bürgerkoalition (KO), dem christdemokratischen Bündnis Dritter Weg (Trzecia Droga) und der Linken. Die ultrarechte Konfederacja komplettiert das Feld der wichtigsten Kontrahenten.
Die nationalkonservative Partei von Jarosław Kaczyński führt seit 2015 die Regierung in Polen an. Als Juniorpartner verstärken die PiS-Fraktion im Parlament unter anderem Abgeordnete der rechtspopulistischen Suwerenna Polska (Souveränes Polen) von Justizminister Zbigniew Ziobro, der das Gesicht der umstrittenen Justizreformen ist.
Recht und Gerechtigkeit verknüpft eine etatistische Wirtschaftspolitik mit einem traditionellen Weltbild. Die Partei setzt auf einen starken Sozialstaat, will das Kindergeld weiter erhöhen. In der Migrationspolitik lehnt sie eine Umverteilung innerhalb der EU ab, die katholische Kirche soll in Polen ihre starke Rolle behalten.
Recht und Gerechtigkeit verknüpft eine etatistische Wirtschaftspolitik mit einem traditionellen Weltbild. Die Partei setzt auf einen starken Sozialstaat, will das Kindergeld weiter erhöhen. In der Migrationspolitik lehnt sie eine Umverteilung innerhalb der EU ab, die katholische Kirche soll in Polen ihre starke Rolle behalten.
Die Koalition wird vom liberalkonservativen Spitzenkandidaten Donald Tusk und seiner Platforma Obywatelska (Bürgerplattform) angeführt. Tusk war von 2007 bis 2014 Polens Regierungschef, bevor er fünf Jahre lang EU-Ratspräsident und anschließend Vorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament wurde.
Anfang 2022 kehrte er auf die politische Bühne in Polen zurück. Die KO will den Streit mit der Europäischen Union beenden und die Justizreformen der PiS zurückdrehen. Trotzdem bleibt sie zuwanderungsskeptisch. In ihrem Wahlprogramm verspricht das Wahlbündnis die Möglichkeit einer legalen Abtreibung bis zur 12. Schwangerschaftswoche und die Einführung von eingetragenen Lebenspartnerschaften.
Anfang 2022 kehrte er auf die politische Bühne in Polen zurück. Die KO will den Streit mit der Europäischen Union beenden und die Justizreformen der PiS zurückdrehen. Trotzdem bleibt sie zuwanderungsskeptisch. In ihrem Wahlprogramm verspricht das Wahlbündnis die Möglichkeit einer legalen Abtreibung bis zur 12. Schwangerschaftswoche und die Einführung von eingetragenen Lebenspartnerschaften.
Ein Angebot für christdemokratisch orientierte Wähler, die eine Alternative zur PiS und KO suchen. Das Wahlbündnis besteht aus der Partei "Polska 2050" (Polen 2050) des ehemaligen Journalisten Szymon Hołownia und der Bauernpartei PSL von Władysław Kosiniak-Kamysz.
Hołownia verbuchte 2020 als Drittplatzierter der Präsidentschaftswahl einen Achtungserfolg. Beide geben sich pro-europäisch, legen einen großen Wert auf rechtsstaatliche Prinzipien und fordern ein Vorantreiben der ökologischen Transformation.
Hołownia verbuchte 2020 als Drittplatzierter der Präsidentschaftswahl einen Achtungserfolg. Beide geben sich pro-europäisch, legen einen großen Wert auf rechtsstaatliche Prinzipien und fordern ein Vorantreiben der ökologischen Transformation.
Die Partei setzt in ihrem Programm auf klassische linke Themen wie Frauenrechte, Arbeitnehmerrechte, die Trennung von Staat und Kirche, den Schutz der Schwächeren. Sie will die "Rolle Polens in Europa stärken", indem der Streit mit der EU beendet und eine unabhängige Justiz wiederhergestellt wird.
Die Linke will insbesondere auch Frauen mobilisieren: Sie sollen "den Regenschirm gegen den Kugelschreiber tauschen" - der Regenschirm war eines der Symbole der Proteste gegen das verschärfte Abtreibungsrecht.
Die Linke will insbesondere auch Frauen mobilisieren: Sie sollen "den Regenschirm gegen den Kugelschreiber tauschen" - der Regenschirm war eines der Symbole der Proteste gegen das verschärfte Abtreibungsrecht.
Die Ultrarechten setzten auf eine starke Rolle der katholischen Kirche und ein konservatives Familienbild mit einem radikalen Abtreibungsrecht - auch wenn an Frauen gerichtete Themen im Wahlprogramm ausgeklammert sind. Die Konfederacja ist EU-skeptisch und wirtschaftsliberal, kritisiert die PiS für ihre Sozialpolitik und fordert radikale Steuersenkungen bis hin zur Abschaffung der staatlichen Sozialversicherungsanstalt.
Sie ist besonders bei jungen Männern beliebt. In ihren Reihen sitzen auch einige Nationalisten, die in der Vergangenheit mit rassistischen und antisemitischen Stimmen auffielen. Die Konfederacja fällt außerdem mit anti-ukrainischer Rhetorik auf.
Quelle: ZDF
Sie ist besonders bei jungen Männern beliebt. In ihren Reihen sitzen auch einige Nationalisten, die in der Vergangenheit mit rassistischen und antisemitischen Stimmen auffielen. Die Konfederacja fällt außerdem mit anti-ukrainischer Rhetorik auf.
Quelle: ZDF
Wer sind die Spitzenkandidaten?
Die PiS schickt den amtierenden Regierungschef Mateusz Morawiecki ins Rennen. Für die Opposition macht sich Donald Tusk Hoffnungen auf den Posten des Premiers. Tusk war bereits von 2007 bis 2014 Premierminister, seine PO regierte mit der Bauernpartei PSL, die des "Dritten Wegs" antritt. Morawiecki löste im Jahr 2017 seine Parteikollegin Beata Szydło an der Regierungsspitze ab.
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Wie sieht das polnische Wahlsystem aus?
Insgesamt werden 460 Abgeordnete für den Sejm, die untere Kammer des Parlaments, gewählt. Überhangmandate wie in Deutschland gibt es nicht. Es gilt die 5-Prozent-Hürde, Wahlbündnisse brauchen 8 Prozent. Zusätzlich werden noch 100 Senatoren für die obere Kammer direkt gewählt.
Im Senat hat die Opposition in der laufenden Legislaturperiode sogar eine Mehrheit, auch diesmal einigte sie sich auf einen "Senat-Pakt", demzufolge nur ein Kandidat der Opposition (Konfederacja und die kleineren Parteien ausgenommen) pro Wahlkreis aufgestellt wird, um die Chancen für einen Sieg gegen den PiS-Kandidaten zu erhöhen. Praktische Auswirkungen auf die Gesetzgebung hat das nicht: Zwar kann der Senat Änderungsanträge stellen, die jedoch von der Mehrheit im Sejm wieder abgeleht werden können.
Wie läuft die Regierungsbildung?
In Polen beauftragt der Staatspräsident den Premier in spe mit der Bildung einer Regierung, in der Regel den Spitzenkandidaten der stärksten Fraktion im Parlament. Dieser muss innerhalb von zwei Wochen bei einem Vertrauensvotum vom Sejm bestätigt werden.
Was sagen die Umfragen?
Bei allen Umfragen führt die PiS vor der KO, der Abstand zwischen beiden beträgt einige Prozentpunkte. Die wichtigsten Meinungsforschungsinstitute geben der Regierungspartei zwischen 31 und 36 Prozent der Stimmen, die KO kommt auf 26 bis 30 Prozent. Ob die PiS mit diesem Wahlergebnis alleine regieren kann, hängt davon ab, ob der Dritte Weg die 8-Prozent-Hürde für Wahlbündnisse schafft. Aktuell bewegt sich der Dritte Weg im Bereich dieser Zahl, die meisten Umfragen sehen ihn aber knapp darüber.
Die Linke kommt auf 8 bis 11 Prozent, muss als Partei also nicht um den Einzug bangen - genauso wie die Konfederacja, die knapp darunter liegt. Je nach Umfrage könnte die PiS mit der Konfederacja über eine absolute Mehrheit verfügen oder aber auch das Oppositionstrio KO, Dritter Weg und Linke.
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Welche Konstellationen und Szenarien sind nach den Wahlen möglich?
- PiS in Koalition mit Konfederacja: Gewinnt die PiS die Wahlen, jedoch ohne die absolute Mehrheit zu erringen, wäre die Konfederacja die einzige Partei im Parlament, mit der realistisch gesehen eine Zusammenarbeit möglich wäre. Allerdings äußerte sich die Ultrarechten hinsichtlich möglicher Beteiligungen an Regierungskoalitionen skeptisch. Besonders bei der Sozialpolitik bestehen große Differenzen zwischen ihnen und der PiS. Die Konföderaten könnten im Gegenzug für die Unterstützung für Morawiecki als Regierungschef wichtige Posten wie die des Finanzministers oder des Parlamentspräsidenten einfordern.
- PiS regiert alleine: Nach einer absoluten Mehrheit wie in den vergangenen acht Jahren sieht es für die PiS nicht aus. Die Partei von Jarosław Kaczyński wird daher Macht teilen müssen. Sollte es wider Erwarten klappen, kann sich Mateusz Morawiecki seiner Nominierung als Premier sicher sein.
- PiS führt Minderheitsregierung an: Präsident Andrzej Duda könnte zunächst dem Wahlsieger den Regierungsauftrag geben. Wird die Konfederacja aber keine Koalition eingehen wollen, müsste die PiS alleine regieren und sich ständig Mehrheiten für ihre Vorhaben suchen.
- KO führt die Koalition an: Als stärkste Oppositionspartei würde die PO Donald Tusk als Regierungschef vorschlagen und zusammen mit dem Dritten Weg und der Linken regieren. Das Trio hat sich auch bereits koalitionswillig gezeigt. Bei Themen, welche die Rechtstaatlichkeit betreffen, dürfte die Zusammenarbeit problemlos funktionieren, in anderen Bereichen womöglich schwieriger. Ein weiteres Problem dieser Option ist die konstitutionelle Stellung des polnischen Staatspräsidenten, der alle Gesetzesvorgaben der Abgeordneten mit seinem Veto verhindern kann. Um dieses Veto abzuschmettern, bedarf es einer Drei-Fünftel-Mehrheit im Parlament. Darauf kann das Dreierbündnis eher nicht hoffen.
- Minderheitsregierung der Opposition: Bei dieser Option verfügen KO, der Dritte Weg und die Linke nicht über eine Mehrheit im Parlament, die PiS aber auch nicht. Fehlen dazu nur einige wenige Abgeordnete, könnte das Oppositionsbündnis versuchen, einige Konfederacja-Abgeordnete auf ihre Seite zu ziehen. Dieses Szenario gehört jedoch zu den weniger wahrscheinlichen.
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Welche Besonderheiten gibt es?
Am Sonntag werden nicht nur Sejm-Abgeordnete und Senatoren gewählt, sondern auch ein Referendum zur Abstimmung gebracht. Die Regierung will es als Bestätigung ihrer Politik in den für sie wichtigsten Fragen sehen und wirbt mit "4 x Nein". Die Opposition ruft zum Boykott auf. Damit es gültig ist, müsse 50 prozent der Wahlberechtigten am Referendum teilnehmen. Die vier Fragen lauten:
- Unterstützen Sie den Verkauf von Staatsvermögen an ausländische Unternehmen, was zum Verlust der Kontrolle der Polinnen und Polen über strategische Wirtschaftsbereiche führt?
- Befürworten Sie eine Anhebung des Rentenalters, einschließlich der Wiederherstellung des erhöhten Rentenalters auf 67 Jahre für Frauen und Männer?
- Unterstützen Sie die Beseitigung der Mauer an der Grenze zwischen der Republik Polen mit der Republik Belarus?
- Unterstützen Sie die Aufnahme Tausender illegaler Einwanderer aus dem Nahen Osten und Afrika im Rahmen des von der europäischen Bürokratie auferlegten Zwangsumsiedlungsmechanismus?
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