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Vor G20-Gipfel in Indien:Die neue Welt-Un-Ordnung
von Ulf Röller
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Wieder ein Gipfel in Krisenzeiten: Am Wochenende kommen die G20 in Neu-Delhi zusammen. Und einmal mehr gehen die unterschiedlichen Macht-Interessen weit auseinander.
Der G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs wird am Wochenende des 9./10. September in Neu-Dehli stattfinden.
Quelle: epa
Als sich die Vereinten Nationen vor mehr als 75 Jahren gründeten, war die Erinnerung an den Horror des Zweiten Weltkriegs noch frisch. Die neue Supermacht USA hatte zwei Atombomben abgeworfen. Der Mensch hatte die Fähigkeit entwickelt, sich selbst auszulöschen.
Vielleicht formulierte deshalb US-Präsident Harry Truman einen Traum:
Friedensbotschaften zum G20-Gipfel
Es blieb eine Illusion, denn seither hat es wohl mehr als 250 Kriege geben. Der Mensch ist nicht für Frieden gemacht, zu groß die Sehnsucht nach Macht.
Der Werbefilm des G20-Gipfels, der am kommenden Wochenende in Indien stattfindet, ist trotzdem voller blumiger Friedensbotschaften. Der indische Regierungschef Narendra Modi verkündet die passende Botschaft dazu:
Aber die Realität sieht leider anders aus. Der G20-Gipfel wird wieder einmal ein Treffen in Krisenzeiten sein. Der Ukraine-Krieg überschattet die internationalen Beziehungen.
Treffen der Super-Egos
Russlands Präsident Wladimir Putin wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Sein Daheimbleiben erspart den Gipfelteilnehmern die peinliche Frage, wie sie mit ihm umgehen. Das lang ersehnte Treffen von US-Präsident Joe Biden und Chinas Präsident Xi Jinping wird es wohl nicht geben. Xi wird seinen Ministerpräsidenten schicken, wie sein Außenamt mitteilen ließ.
Appell: Europa soll mit einer Stimme sprechen
Einer der seit Jahrzehnten Außenpolitik beobachtet, ist der ehemalige Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger. Er hat eine klare Meinung dazu:
Im ZDF-Interview sagte Ischinger weiter: "Es muss mehr für die eigene Sicherheit tun." Es ist eine bittere Wahrheit: Ohne Amerika ist Europa nicht fähig, Russlands Aggression abzuwehren.
Ukraine-Krieg empört nicht überall auf der Welt
Schmerzlich mussten die europäischen Regierungschefs erfahren, dass ihre Empörung über den Ukraine-Krieg nicht überall geteilt wird. Für viele Länder in Afrika und in Lateinamerika ist dies ein europäischer Konflikt.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat dafür sogar Verständnis. Diese Länder haben Europa als Kolonialmächte erlebt, sagt er im ZDF-Interview, diese Erinnerung sei noch frisch. "Wir Europäer sehen diesen Krieg von einem moralischen Standpunkt und lehnen ihn ab. Denn es ist ein Angriff auf einen Nachbarn ohne jeden Grund. Wir sind empört." Borell weiter:
Der EU-Außenbeauftragte meint konkret damit die Brics-Staaten, Südafrika, Brasilien, Indien, Russland und China, die sich vor knapp zwei Wochen getroffen haben. Ihre Macht-Interessen sind unterschiedlich, aber sie eint doch eins, die "Nicht-Akzeptanz des westlichen Führungsanspruchs", so China-Experte Sebastian Heilmann von der Universität Trier.
China will Amerikas Macht eindämmen
Dieses Brics-Bündnis ist kein Wertebündnis, sondern ein Wirtschaftsblock, der immer stärker wird. Präsident Xi hofft, mit diesem Bündnis Amerikas Vorherrschaft zu bremsen. Er glaubt an ein chinesisches Jahrhundert, er glaubt, der Westen sei im Niedergang. Schaut lieber nach Peking, ruft Xi der Welt zu.
Früher schaute die Welt wie selbstverständlich nach Washington, um Antworten zu finden. Dort regiert ein 80-jähriger Präsident, der die große Hoffnung für viele in Europa verkörpert, weil ein 77-jähriger Herausforderer namens Donald Trump zum Angriff auf das Weiße Haus und die westlichen Werte bläst. Eine Welt, in der sich Amerika selbst innenpolitisch zerlegt hat, wäre eine Welt, in der China den Ton angibt.
In Sachen Elektromobilität hinkt Europa China hinterher. Beim Heimspiel auf der IAA treffen die deutschen Autobauer nun auf die chinesische Konkurrenz - und deren günstige Preise.05.09.2023 | 2:43 min
Wolfgang Ischinger warnt davor - denn in einer solchen Welt kämen unsere Werte unter die Räder:
Der Ausgang des Duells Amerika-China entscheidet über unsere Art zu leben. Die Welt formiert sich neu. Wie sagte US-Präsident Truman seinerzeit: Wir müssen einen Weg finden, Krieg zu beenden. Die Welt sucht weiter.
Ulf Röller leitet das ZDF-Studio in Brüssel.