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Zugeschaltet beim Gerichtstermin:Wieso Nawalny wieder da ist
von Nina Niebergall
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Putins schärfster Kritiker, Alexej Nawalny, ist seit langer Zeit wieder zu hören und zu sehen. Er gibt sich ungebrochen. Doch die Schikanen des Regimes gehen weiter.
Der russische Oppositionsführer Nawalny wurde bei einem Gerichtstermin per Video aus einem Straflager in der Polarregion zugeschaltet. Er gilt als größter innenpolitischer Gegner von Präsident Putin.10.01.2024 | 1:37 min
Alexej Nawalny tritt überraschend gut gelaunt vor die wenigen Journalist*innen, die rechtzeitig davon erfahren haben, dass er heute zu sehen sein würde. Es ist ein gewohntes Bild: Nawalny in einer Zelle, Gitter vor dem Gesicht, miserable Videoqualität. So wurde er ins Gericht Kowrowski in der Region Wladimir zugeschaltet.
Über einen Bildschirm scherzt der Kreml-Kritiker mit den Journalist*innen. Seinen Bart habe er sich abrasieren müssen, der sei in der neuen Strafkolonie nicht erlaubt. "So ein Bart wie Sie ihn haben, ist nicht erlaubt", sagt er lachend zu einem Journalisten. Die Botschaft seiner guten Laune wohl: Das Regime kann mich ans Ende der Welt verlegen lassen. Meinen Widerstand brechen kann es nicht.
Aus der Strafkolonie "Polarwolf"
Die Journalist*innen versuchen schnell, all ihre Fragen unterzubringen. Wie es ihm gehe, ob er genug zu essen bekomme, ob es kalt sei in der Strafkolonie IK-3, die sie auch "Polarwolf" nennen, weil sie so weit im eisigen Norden ist.
"Die Haftbedingungen sind viel besser als im IK-6 in Wladimir", berichtet Alexej Nawalny. "Es gibt nur ein Problem. Ich weiß aber nicht, an welches Gericht ich Auskunft geben soll: Das Wetter ist schlecht." Eine ironische Anspielung darauf, dass Nawalny in diesen Tagen vor mehreren Gerichten erscheinen soll, um seine Anklagepunkte vorzubringen. Wie der russische Sicherheitsapparat funktioniert, ist für Angeklagte kaum zu verstehen. Es regiert die Willkür.
Am 21. Januar jährt sich die Inhaftierung Alexej Nawalnys zum dritten Mal. Aktuell befindet er sich in der sibirischen Jamal-Region in einem Straflager. Armin Coerper berichtet.10.01.2024 | 1:09 min
Klage gegen die Lagerleitung
Doch diesmal muss sich nicht Nawalny verteidigen. Sondern die Leitung des Straflagers IK-6, in dem er bis Anfang Dezember einsaß. Nawalny hatte sich wiederholt über die harschen Haftbedingungen beschwert.
Heute prüfte das Kowrowski-Gericht nur eine Klage des Kreml-Kritikers. Dabei ging es um seine Abschiebung in eine Strafzelle für zwölf Tage, nachdem Nawalny einem Gefängniswärter, der ihm einen Stift wegnahm, "unanständige Worte" zugerufen hatte. Russische Medien, die vor Ort waren, zitieren Nawalnys Ausführungen vor Gericht:
Der Richter lehnte seine Klage ab.
Alexej Nawalny, russischer Oppositionsführer und Antikorruptionsaktivist. Während er international für seinen Einsatz gelobt wird, werfen ihm Kritiker Nationalismus und Populismus vor.23.11.2023 | 17:57 min
Wieder in Isolationshaft
Am Vortag hatte Nawalny über "X" mitgeteilt, dass er schon wieder in Isolationshaft verlegt worden sei, insgesamt zum 24. Mal. Der Grund: Er habe es versäumt, sich in einem Formular ordnungsgemäß vorzustellen.
Zuletzt war Nawalny für 20 Tage verschwunden, hatte keinen Kontakt mehr zu seinem Team oder seinen Anwälten. An Weihnachten dann tauchte er plötzlich 2.000 Kilometer von Moskau entfernt in der sibirischen Jamal-Region im Straflager IK-3 wieder auf.
Brutale Bedingungen am Polarkreis
Die Bedingungen dort gelten als brutal. Kontakt zur Außenwelt ist nur schwer möglich, Briefe sollen nicht zugestellt werden. In der Siedlung Charp, bei der das Straflager "Polarwolf" liegt, leben nur einige tausend Einwohner*innen.
20. August 2020. Kreml-Gegner Alexej Nawalny besteigt ein Flugzeug. Ziel: Moskau. Kurz nach dem Start bricht er zusammen, fällt ins Koma. Ein internationaler Polit-Krimi beginnt.30.03.2021 | 44:10 min
Sergej Davidis, der für die in Russland verbotene Menschenrechtsorganisation Memorial arbeitet, sagte dem Magazin "republic.ru", in dem Straflager würden die Inhaftierten systematisch ihrer Rechte beraubt. Zuletzt seien mehrere politische Gefangene dorthin verlegt worden. Das sei kein Zufall.
Dass Nawalny in ein abgelegenes Straflager gebracht wurde, liegt laut seinem Team an der bevorstehenden Präsidentschaftswahl in Russland. Präsident Wladimir Putin habe Nawalny hinter den Polarkreis wegsperren lassen, um ihn zum Schweigen zu bringen, schreibt Nawalnys ins Ausland geflüchteter Chefstratege Leonid Wolkow auf seinem Telegram-Kanal.
Deshalb habe der Kreml Nawalny nicht vollständig aus dem öffentlichen Raum verschwinden lassen, sagt der russische Politikwissenschaftler Galljamow. Die Menschen hätten Angst vor einer Diktatur. Deshalb wahre das Regime den Schein von Gerechtigkeit. Auch wenn es die in Russland schon lange nicht mehr gibt.
Nina Niebergall berichtet als ZDF-Korrespondentin über Russland, die Kaukasus-Region und Zentralasien.
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