Diskussion um Koranverbrennungen:Schweden streitet: Was darf Meinungsfreiheit?
von Jenifer Girke, Stockholm
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Koranverbrennungen in Schweden finden weiter statt. Muslime fühlen sich bedroht und das Land ringt mit seiner Meinungsfreiheit. Wäre ein Verbot die Lösung?
Seit Wochen verbrennt Salwan Momika Korane in Schweden. Viele Muslime fordern, dass diese Form des Protests verboten wird, weil sie einen Angriff auf den Islam darstelle.31.08.2023 | 9:24 min
Das Freitagsgebet in der Imam Ali Moschee ist gerade zu Ende. Es gibt Datteln, Tee - und ein bestimmendes Thema. "Es fühlt sich an, als würde deine eigene Identität verbrannt werden. Als Grund für die Koranverbrennungen werden schöne Worte wie Meinungsfreiheit verwendet", sagt der irakische Muslim Bahaa Hussein.
Sein Freund Ahmad Attar fügt hinzu: "Wir alle wollen Meinungsfreiheit. Aus diesem Grund haben viele von uns ihre Länder verlassen." In Schweden wird darum gestritten, was Meinungsfreiheit darf und welchen Platz der Islam in der Gesellschaft hat.
Rechte Politiker äußern sich "verächtlich über den Islam"
Seit Wochen verbrennt der 37-jährige Iraker Salwan Momika einen Koran nach dem anderen, sein Ziel: den Koran verbieten. Geschützt werden seine Aktionen durch die Meinungsfreiheit. Und die hat in Schweden eine lange Tradition:
Als erstes Land weltweit hat Schweden 1766 die Pressefreiheit per Gesetz verankert, also vor mehr als 250 Jahren. Damit ist auch das Äußern der eigenen Meinung schon lange ein hohes Gut in dem Land. Der Straftatbestand der Blasphemie wurde 1970 abgeschafft, die Kritik an Religionen gehört zur Meinungsfreiheit.
Ja, zum Beispiel bei Volksverhetzung. Allerdings ist Religionskritik legal. Ob das Verbrennen eines heiligen Buches Religionskritik ist oder eine Aufhetzung gegen eine Volksgruppe darstellen könnte, hat noch kein Gericht entschieden. Damit ist das unklar.
Über 800.000 Muslime und Musliminnen leben in Schweden - viele davon stammen aus islamischen Ländern. Ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen seien grundsätzlich gut in Schweden, sagt Islamwissenschaftler Mohammad Fazlhashemi. Aber:
Damit meine Fazlhashemi die rechtspopulistischen Schwedendemokraten - ohne sie hat die Regierung unter Ministerpräsident Ulf Kristersson keine Mehrheit im Parlament.
Rechtspopulisten wollen keine Verbote von Koranverbrennungen
Auch in Dänemark kam es zu Koranverbrennungen. Dort sollen sie nun verboten werden - in Schweden zeichnet sich ein solcher Schritt momentan nicht ab. Das könnte das Sicherheitsrisiko für das Land weiter erhöhen, sagte die Sozialdemokratin und frühere Regierungschefin Magdalena Andersson im schwedischen Fernsehen vor wenigen Tagen.
Sie fordert ein Verbot und wirft den Akteuren der Koranverbrennungen vor, Verbindungen zu den rechtsextremen Schwedendemokraten zu pflegen. Der Chef der Partei, Jimmie Åkesson, hält in der TV-Debatte dagegen: Solche Verbindungen seien ihm nicht bekannt, er würde niemanden zu Koranverbrennungen auffordern. Aber ein Verbot und damit die Einschränkung der Meinungsfreiheit lehnt er ab.
Und was sagt das zuständige Justizministerium? Auf Anfrage teilte man uns mit: Man beobachte die Lage und würde untersuchen, ob Demonstrationen verboten werden können, wenn die nationale Sicherheit gefährdet sei. Mit einem Ergebnis sei aber erst im Juli 2024 zu rechnen.
Schweden: Ein islamfeindliches Land?
Die islamistische Terrororganisation Al-Kaida hat zu Anschlägen in Schweden aufgerufen. Die Warnstufe wurde auf die zweithöchste angehoben. Ministerpräsident Kristersson beteuerte bislang, die Regierung nehme die Gefahr ernst. Anfang August schrieb er auf Instagram, Schweden würde sich "in der schlimmsten Sicherheitslage seit dem Zweiten Weltkrieg" befinden.
Posting von Ulf Kristersson
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Bilder aus Bagdad Ende Juli unterstützen die Sorge: Wütende Muslime reagierten mit Gewalt auf die Koranverbrennungen und stürmten die schwedische Botschaft in der irakischen Hauptstadt.
Terrorexpertin Evin Ismail von der Swedish University of Defense erklärt:
Die Folge: "Für islamistische Gruppen bedeutet das, dass es ein mögliches Ziel für Angriffe ist." Schweden - ein islamfeindliches Land, das an seiner Meinungsfreiheit festhält? Die Menschen auf den Straßen Stockholms sind aufgewühlt: "Die Meinungsfreiheit ist das absolut Wichtigste im Leben. Aber warum sollte ich eine Bibel oder den Koran verbrennen? Das ist einfach nicht richtig", sagt Umut.
Die 17-jährige Muslimin Ridwana appelliert mit Blick auf den Iraker Momika: "Momikas Vorstellung von Muslimen ist, dass wir Chaos stiften und die Gesellschaft zerstören. Also: Sei schlauer als er, lass' dich nicht provozieren und mach einfach weiter im Leben."
Es ist eine Geschichte, die die Welt verändern sollte. Die Geschichte des Koran, der heiligen Schrift des Islams, beginnt in einer menschenfeindlichen Region in der Nähe von Mekka.04.04.2019 | 3:13 min
Islamwissenschaftler: Verbote reichen nicht aus
Und Jacob meint: "Bestimmte Dinge können eher durch öffentlichen Diskurs geändert werden anstatt durch Gesetzesänderungen. Denn wer entscheidet, was erlaubt ist und was nicht? Das ist komplex." Auch der Islamwissenschaftler sagt, Verbote reichten nicht aus:
Das Problem sei also nicht die Tat selbst, sondern die Art und Weise, wie sie in der öffentlichen Debatte verteidigt werde.
Meinungsfreiheit ausleben, ohne sich spalten zu lassen. Friedlich den Konflikt austragen - auch, wenn es keine schnelle Lösung gibt. Vor dieser Herausforderung steht die Gesellschaft in Schweden.
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