Expertin zu Ukraine-Krieg: Am Ende muss Kiew in die Nato
Interview
Wie kann Europa Kiew helfen?:Major: Am Ende muss die Ukraine in die Nato
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Eine "Koalition der Willigen" soll Kiew den Rücken stärken, nachdem auf die Trump-USA kein Verlass mehr ist. Für Expertin Major ist klar: Am Ende muss die Ukraine in die Nato.
Die Ukrainehilfen fallen EU-weit sehr unterschiedlich aus, Deutschland hat mit 17,2 Milliarden Euro den Löwenanteil. Auch darum ging es beim EU-Gipfel in Brüssel.20.03.2025 | 3:00 min
Eine "bedeutende Anzahl" von Staaten ist nach britischer Darstellung bereit, nach einem etwaigen Friedensabkommen Truppen in der Ukraine zu stationieren. Mehr als 30 europäische Staaten würden sich voraussichtlich an der sogenannten "Koalition der Willigen" beteiligen. Das teilte das Büro von Premierminister Keir Starmer mit.
Claudia Major, Vize-Präsidentin des "German Marshall Fund of the United States", glaubt, dass die Absicherung eines Waffenstillstands in der Ukraine eine europäische Aufgabe ist. Die logische Schlussfolgerung sei in diesem Fall am Ende die Aufnahme der Ukraine in die Nato, sagt Major, die am Donnerstagabend in der Sendung "maybrit illner" zum Thema "Putin spielt mit Trump - und wer rettet jetzt die Ukraine?" zu Gast ist, im Interview mit ZDFheute.
Trotz Ringen um eine Waffenruhe melden Kiew und Moskau erneut gegenseitige Angriffe. So sollen durch russische Drohnenattacken in der Ostukraine zwei Menschen verletzt worden sein.20.03.2025 | 0:23 min
ZDFheute: Was sind die Ziele der "Koalition der Willigen"?
Claudia Major: Zunächst finde ich wirklich bemerkenswert, dass die Europäer (und einige internationale Partner) es geschafft haben, zu einer europäischen "Koalition der Willigen" zu kommen. Denn bislang haben die Europäer meistens die Probleme nach Institutionen aufgeteilt, also in den EU-Korb und in den Nato-Korb.
US-Präsident Trump wolle Frieden in der Ukraine, später Geschäfte machen und ein Atomabkommen abschließen, so ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen. Eine Strategie dafür gebe es nicht.20.03.2025 | 3:48 min
Die "Koalition der Willigen" überwindet diese institutionellen Boxen: Großbritannien als nicht-EU-Mitglied, aber Nato-Alliierter, hat eine führende Rolle, genauso wie das EU- und Nato-Land Frankreich; einige zentrale Länder sind dabei, und der Nato-Generalsekretär und die EU-Kommissionspräsidentin auch.
Das erlaubt, die zentralen Kräfte zu bündeln, schneller voran zu kommen als in behäbigen Prozessen, und die Organisationen mit ihren spezifischen Möglichkeiten bestmöglich zu nutzen, aber auch, Blockaden wie mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Orban zu umgehen.
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Claudia Major
... ist seit dem 15. März 2025 Senior Vice President für internationale Sicherheits- und Verteidigungspolitik beim German Marshall Fund. Der German Marshall Fund of the United States (GMF) ist eine 1972 gegründete gemeinnützige Organisation, die die transatlantische Zusammenarbeit in Bereichen wie Sicherheit, Wirtschaft und Demokratie fördert. Major ist Verteidigungsexpertin mit Schwerpunkt auf Nato, europäischer Sicherheit und transatlantischen Beziehungen. Zuvor war sie Leiterin der Abteilung Internationale Sicherheit bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sowie tätig bei Institutionen wie dem Zentrum für Sicherheitsstudien der ETH Zürich und dem EUISS.
Laut Donald Trump und J.D. Vance ist die Absicherung eines möglichen Waffenstillstands in der Ukraine eine europäische Aufgabe, soll aber außerhalb des Nato-Rahmens stattfinden. Emmanuel Macron und Keir Starmer führen die Überlegungen zu einer solchen europäischen Koalition an, weisen aber auch darauf hin, dass militärisch ein US- Backstop dafür notwendig wäre.
Der US-Backstop bedeutet die Unterstützung der USA in zentralen Bereichen, die die Europäer nicht sicherstellen können, wie Aufklärung, Zielerfassung, aber letztlich auch die Zusage, im Notfall einen solchen Einsatz abzusichern.
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Claudia Major
Trotz Gesprächen mit Trump sei Moskau nicht interessiert an einem Frieden in der Ukraine, so Militäranalyst Hendrik Remmel. Die militärische Lage sei für Putin aussichtsreich. 20.03.2025 | 20:13 min
ZDFheute: Wer beteiligt sich denn an dieser Koalition?
Major: Frankreich und Großbritannien sehen sich als politisch führende Länder, die auch Truppen bereit stellen könnten. Andere Staaten haben militärische oder politische Unterstützung in Aussicht gestellt, aber viele sind zurückhaltend. Denn ein solcher Einsatz ist mit vielen Dilemmata verbunden. Welche Aufgabe hätte eine solche Koalition - einen Waffenstillstand überwachen, Russland abschrecken, oder die ukrainischen Truppen unterstützen? Woher kommen die Truppen der "Koalition der Willigen"? Die meisten Nato-Staaten melden ihre Truppen für die Nato-Verteidigungsplanung an.
Wenn die Europäer und einige Verbündete jetzt eine glaubhafte Truppe aufstellen, die zum Beispiel einen Waffenstillstand absichert, dann müssen diese Einheiten aus den bestehenden Nato-Verpflichtungen rausgenommen werden. Damit schwächt man letztlich regional die Nato-Verteidigungsplanung, um das Nicht-Nato-Mitglied Ukraine zu schützen.
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Claudia Major
Die Sendung "maybrit illner" mit dem Thema "Putin spielt mit Trump - und wer rettet jetzt die Ukraine?" sehen Sie diesen Donnerstag, 20. März 2025, um 22.15 Uhr live im ZDF-TV-Programm und im neuen ZDF-Streamingportal auch auf Abruf
Es diskutieren: Sigmar Gabriel, Vorsitzender der "Atlantik-Brücke e.V.", ehemaliger Außenminister und SPD-Parteivorsitzende, Norbert Röttgen (CDU), Außenpolitiker, Claudia Major, Senior Vice President für Transatlantische Sicherheitsinitiativen German Marshall Fund of the United States (GMF), John Bolton, April 2018 bis September 2019 Nationaler Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, ehem. Botschafter der USA bei den UN und Katrin Eigendorf, Internationale Sonderkorrespondentin des ZDF
Laden wir Russland, das wir in der Ukraine abschrecken wollen, damit zu Abenteuern an anderer Stelle ein? Andererseits ist eine gesicherte souveräne Ukraine eine hervorragende Sicherheitsvorsorge auch für Westeuropa; die Europäer haben also ein klares Interesse.
Eine andere Frage betrifft die Glaubwürdigkeit: Die letzten drei Jahre haben die westlichen Länder immer wieder betont, dass sie keine Kriegspartei sind. Dass sie nicht im Krieg mit Russland (auch wenn Russland sich im Krieg mit dem Westen sieht) sind, beziehungsweise nicht direkt beteiligt sind, also keine Truppen in die Ukraine schicken.
Und jetzt sollen Truppen in der Ukraine einen Waffenstillstand überwachen oder Russland abschrecken. Ist das glaubwürdig? Und: Was schreckt Russland überhaupt ab?
Wenn es den westlichen Staaten wirklich ernst mit der Absicherung wäre, dann würden sie die Ukraine in die Nato aufnehmen. Aber das hat die Regierung Trump abgelehnt und zuvor die Regierung Scholz auch. Es gibt also ein Glaubwürdigkeitsproblem.
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Claudia Major
Das russische Militär beschießt weiterhin ukrainische Infrastruktur. Trump hatte diese nach einem Telefonat mit Putin als eingestellt erklärt.19.03.2025 | 1:48 min
ZDFheute: Wenn wir auf das Geld für die Rüstung schauen - was ja sowohl in Deutschland als auch in der EU jetzt reichlich fließen soll - bedeutet das auch gleich viel Sicherheit?
Major:Langfristig ja, kurzfristig nein, weil die Investitionsentscheidungen, die die Bundesregierung jetzt hoffentlich schnell treffen wird, notwendig sind, aber ein Großteil der Veränderungen in der militärischen Sicherheit und bei der Gesamtverteidigung, also auch im zivilen und zivil-militärischen Bereich, braucht Zeit.
Wenn man die Bundeswehr anwachsen lassen will auf 180.000 oder auf 200.000 Soldaten oder mehr, dann braucht es ein paar Jahre, bis die Soldaten rekrutiert und ausgebildet sind.
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Claudia Major
Die Folgen der zwischen US-Präsident Trump und Kremlchef Putin erzielten Vereinbarung im Ukraine-Krieg sind ungewiss. „Es gibt offensichtlich von Russlands Seiten kein Bestreben, den Krieg zu beenden“, so Claudia Major (German Marshall Fund).19.03.2025 | 5:49 min
Neues Gerät, ob Flugabwehr, Drohnen oder Panzer, muss hergestellt, beschafft und in die Truppe eingeführt werden. Manchmal muss es erst entwickelt werden, wie etwa die weitreichenden Präzisionswaffen. Natürlich sind das absolut notwendige Investitionen – letztlich geht es um Deutschlands Lebensversicherung, aber fast nichts davon geht schnell. Also das Signal ist schon da, das ist nach innen (Europa, Nato) und außen (Herausforderer wie Russland) wichtig - aber es materialisiert sich erst langfristig.
Und letztlich braucht es für eine tragfähige Sicherheitspolitik die Unterstützung der Bevölkerung, die die Notwendigkeit von Verteidigung versteht, mitträgt und dieses Land schützenswert findet.
Das Interview führte Micha Wagenbach aus der Redaktion "maybrit illner".
Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
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