Premier-Rückzug in Japan: Tiefer Fall eines Hoffnungsträgers

    Rückzug von Japans Premier:Kishida: Tiefer Fall eines Hoffnungsträgers

    Elisabeth Schmidt
    von Elisabeth Schmidt
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    Fumio Kishida wird nicht mehr als Spitzenkandidat seiner Partei bei den nächsten Wahlen antreten. In Japan überrascht der Rückzug des unbeliebten Premiers nur wenige.

    Japans Ministerpräsident Fumio Kishida, aufgenommen am 14.08.2024
    Zustimmung in Umfragen rapide gesunken: Japans Ministerpräsident Fumio Kishida
    Quelle: AP

    Es sind zwei Sätze, die Japans Regierungschef besonders charakterisieren: "Ich möchte eine höfliche und tolerante Politik betreiben und das Gefühl der Einheit des Volkes wiederherstellen." Das sagte Fumio Kishida bei seinem Amtsantritt am 29. September 2021. Heute muss der Premier der Liberaldemokratischen Partei (LDP) eingestehen:

    Es ist notwendig, der Öffentlichkeit deutlich eine neue LDP zu präsentieren. Der offensichtlichste Weg, um zu zeigen, dass sich die LDP verändern wird, ist mein Rücktritt.

    Fumio Kishida, Japans Premier

    Erwartungen an Kishida zu hoch

    Kishida hatte eigentlich einen guten Start als Premierminister: 57 Prozent der Wähler sprachen sich damals für ihn aus. Kishida galt als Hoffnungsträger, zählt er doch zum gemäßigten Flügel der "Kochikai" seiner Partei - bekannt dafür, den rechten Flügel einzudämmen, der sich in der Nachkriegszeit für eine Remilitarisierung samt Verfassungsreform in Japan stark gemacht hatte.
    Die Erwartungen an Kishida waren hoch, zu hoch. Seine Position innerhalb der LDP war nicht gefestigt, schnell hatte er den Ruf weg, seine politischen Ansichten zu schnell zu ändern. Ein Wendehals und Machtpolitiker, der vieles dafür tat, im Amt zu bleiben. Seine Kritiker werfen ihm bis heute vor, sich zu stark an US-Präsident Joe Biden orientiert zu haben, der die Remilitarisierung Japans stärker angetrieben habe, als Kishidas Vorgänger Shinzo Abe.
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    Kishida ließ drei sicherheitspolitische Dokumente überarbeiten und leitete im Dezember 2022 die japanische Zeitenwende ein: Das einst pazifistische Japan rüstetet seitdem massiv auf und soll nun auch die Fähigkeit zum militärischen Gegenschlag besitzen.
    Bis 2027 soll sich der Verteidigungsetat auf zwei Prozent des japanischen Bruttoinlandsprodukts verdoppeln. Kishida begründete den Schritt damals mit dem Machtstreben Chinas und der gestiegenen Bedrohung durch Nordkorea. Seine Sorge damals: Die russische Invasion in die Ukraine könne autokratischen Staaten im Indopazifik als Blaupause dienen.
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    Die Verteidigungsreform hat viele japanische Liberale empört. Die japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte seien heute mehr oder weniger Teil der US-Armee unter dem Namen der ständigen gemeinsamen Kommandozentrale, lautet etwa ein Vorwurf. Heftige Kritik gab es auch, als Kishida vergangenes Jahr veranlasste, das aufbereitete verstrahlte Kühlwasser aus dem Atomkraftwerk Fukushima ins Meer zu leiten.

    Kurzen Auftrieb hatte Kishida durch den G7-Gipfel in Hiroshima im Mai 2023. Es wurde nicht nur als großen Erfolg gewertet, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj persönlich kam, sondern vor allem dass Japan es geschafft hatte, den amerikanischen Präsidenten dazu zu bewegen, zumindest einen Teil der Ausstellung im Friedensmuseum Hiroshima zum Gedenken an den Atombombenabwurf 1945 zu besichtigen. Die USA, Großbritannien und Frankreich hatten sich zunächst geweigert, die Ausstellung zu besuchen.

    Spendenskandal erschütterte Kishidas Partei

    Die negative Stimmung gegen Kishida hält bis heute an. Im Herbst letzten Jahres erschütterte ein Parteispendenskandal die LDP. 39 Parteimitglieder wurden bestraft. Die meisten gehörten der inzwischen aufgelösten Untergruppe der "Seiwakai" an, die einst vom nationalistischen, im Juli 2022 ermordeten Ex-Premier Abe angeführt wurden.
    Die Beschuldigten sollen zwischen 2017 und 2022 umgerechnet rund 3,2 Millionen Euro an Spendengeldern systematisch in schwarze Kassen geleitet haben. Kishida selbst wurde damals nicht bestraft, obwohl auch er eine Untergruppe geleitet hatte, die in den Skandal verwickelt war.

    Unzufriedenheit auf mehreren Ebenen

    Obwohl es Kishida gelungen ist, Bündnisse mit den USA, Südkorea oder auch Deutschland zu stärken, ist er von ehemals 57 Prozent Zustimmung auf nur noch 25 Prozent abgerutscht.
    In Japan ist der Frust immer noch groß, dass es der Wirtschaftspartei LDP nach der Corona-Pandemie (die in Japan offiziell bis Sommer 2023 andauerte) nicht gelungen ist, die Wirtschaft zu stabilisieren: Achterbahnfahrten an der Börse, der Yen schwach wie nie, die inländische Konjunktur am Boden und eine Rezession wie ein Damoklesschwert über Japan.
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    Jetzt soll diese Probleme ein anderer anpacken: Kishida macht den Weg frei für ein jüngeres Gesicht. Im September stimmt die LDP über einen Spitzenkandidaten ab. Die nächsten allgemeinen Wahlen, die eigentlich erst im Herbst 2025 stattfinden sollten, werden wohl vorgezogen.
    Elisabeth Schmidt ist ZDF-Ostasienkorrespondentin.

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    Quelle: ZDF

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