Nach Hamas-Angriffen: "Israel wird den Gazastreifen erobern"
Experte zu möglicher Offensive:"Israel wird den Gazastreifen erobern"
von Lena Jenschar
|
Israel trifft Vorbereitungen, die auf eine Bodenoffensive im Gazastreifen hindeuten. Die Israelis würden über kurz oder lang den Gazastreifen erobern, so Nahost-Experte Gil Yaron.
Alle Vorbereitungen der israelischen Armee deuten auf einen Einmarsch in den Gazastreifen hin, auch wenn dies niemand so konkret sage, sagt ZDF-Korrespondent Michael Bewerunge. Israel wolle die Hamas komplett zerschlagen "und das geht nur mit einer Bodenoffensive, auch wenn die extrem blutig und extrem schwierig werden wird."
Eine solche Operation böte einige Herausforderungen. Der Gazastreifen sei dicht besiedelt. Hinzu kämen unterirdische Tunnel, die das Terrain für einen Militäreinsatz zusätzlich erschweren würden. "Es ist schwierig, sich die Situation vorzustellen, aber es wird ein schwieriger Häuserkampf werden, Gaza ist komplett untertunnelt", so Bewerunge.
Bodenoffensive mit enormen Herausforderungen
Auch wenn der potenzielle Einmarsch in Gaza schwierig werde, sei die Hamas "kein wirklicher Gegner für die Israelis", da die Terrororganisation maximal über 40.000 bis 50.000 Kämper verfüge, sagt Nahost-Experte Gil Yaron.
Allerdings soll die Hamas 150 Menschen in den Gazastreifen entführt haben - unter ihnen neben Israelis auch Deutsche und Bürger anderer Staaten. Was mit den Geiseln bei einer Bodenoffensive passieren würde, sei aktuell noch unklar. "Die Hamas hat kein Problem, die Geiseln als menschliche Schutzschilder zu gebrauchen und Geiseln auch zu ermorden", so ZDF-Korrespondent Bewerunge.
Offene Zukunft des Gazastreifens
Nahost-Experte Gil Yaron ist sich sicher: "Israel wird über kurz oder lang den Gazastreifen erobern". Am Ende werde "der ganze Gazastreifen unter israelischer Herrschaft sein". Dann beginne allerdings erst das schwerste Kapitel dieses Krieges.
Wie wird dann die Zukunft der dort lebenden Palästinenser aussehen? Israel möchte nicht für die Palästinenser verantwortlich sein und sich um deren Versorgung kümmern, aber wer diese Verantwortung dann übernehmen könne, das sei das Dilemma seit der Gründung Israels, so Yaron.
Warum die Hamas genau jetzt angriff, darüber lasse sich aktuell nur mutmaßen. "Die Hamas wollten sich wohl etablieren als wichtige Kraft innerhalb der palästinensischen Gesellschaft", so Nahost-Experte Yaron. Der Experte sieht aber noch einen anderen strategischen Punkt: die Annäherungen zwischen Saudi-Arabien und Israel. "Um einen solchen Frieden zu verhindern, könnte die Hamas zugeschlagen haben", so Yaron, "übrigens auch mit Ermunterung der Iraner."
Gil Yaron ist ein israelischer Arzt, Journalist und Nahost-Experte. Der 50-Jährige lebt in Tel-Aviv und berichtet für mehrere deutsche und internationale Medien. Seit 2020 ist er Leiter des Büros des Landes Nordrhein-Westfalen für Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung, Jugend und Kultur in Israel.
"Verhindern, dass ein Flächenbrand entsteht"
Offen bleibt aktuell, inwiefern die Hamas im Vorfeld unterstützt wurde, etwa aus dem Iran. Das iranische Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei nannte Israel ein "Krebsgeschwür", das ausgerottet werden solle - wenige Tage bevor die Hamas ihren Angriff auf Israel starteten.
Teheran macht grundsätzlich kein Geheimnis aus seiner Unterstützung der Hamas. Bodentruppen werde der Iran wahrscheinlich nicht schicken, aber der Iran sei schon involviert "und liefert Waffen an die Hamas", erklärt Yaron. Die USA haben derweil einen Flugzeugträger ins östliche Mittelmeer verlegt.
"Die wichtigste Rolle der USA ist zu verhindern, dass ein Flächenbrand entsteht", sagt der Nahost-Experte. Dieser drohe, wenn Israels Gegner glaubten, dass sie Israel nun schlagen könnten, so Yaron.
Es ist die größte Mobilisierung des israelischen Militärs seit Jahrzehnten. Panzer und Zehntausende Soldaten sammeln sich am Gazastreifen. Wie könnte eine Bodenoffensive aussehen?