Sexuelle Gewalt an Frauen: Wird die Hamas bestraft?

    Sexueller Terror in Israel:Gewalt an Frauen: Wird die Hamas bestraft?

    Henriette de Maizière, Redakteurin im ZDF-Hauptstadtstudio Berlin.
    von Henriette de Maizière
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    Sexuelle Gewalt gegen Frauen war gezielter Teil des Hamas-Überfalls auf Israel, sagt eine Frauenrechtlerin. Sie kritisiert das Schweigen der UN. Warum Aufklärung so schwer ist.

    Frauen trauern bei einer Veranstaltung für die Familien von Israelis, die vermisst werden oder als Geiseln gehalten werden. (20.10.2023)
    Frauen trauern bei einer Veranstaltung für die Familien von Israelis, die vermisst werden oder als Geiseln gehalten werden. (20.10.2023)
    Quelle: Reuters

    Viele der Berichte von Frauen, die die Gräueltaten der Hamas am 7. Oktober auf dem Nova-Musikfestival oder in einem der Kibbuze miterleben mussten, sind zu ungeheuerlich, als dass sie erzählt werden könnten. Weil die Täter zur Rechenschaft gezogen werden müssen, kann man sie jedoch auch nicht verschweigen.
    "Die ganze Zeit, die wir in der Kuhle versteckt lagen, haben wir Mädchen gehört - wir haben gehört, wie die Täter sich um die Frauen gestritten haben. Ich hörte auch, wie sie sich um die Genugtuung stritten, wer wen zuerst umbringt", erzählt Raya Tataru. Sie ist eine junge Frau, die das Massaker der Hamas auf dem Musikfestival überlebt hat. Eine Augenzeugin, deren Erzählung den Schrecken nur erahnen lässt.

    Frauenrechtlerin: Gezielte geschlechtsspezifische Gewalt durch Hamas

    "Basierend auf meinem Vorwissen habe ich erwartet, dass es geschlechtsspezifische Gewalt geben würde. Aber ich habe nicht das Ausmaß der Grausamkeit und Brutalität erwartet, von der wir jetzt sehen, dass sie ein bedeutender Teil des Hamas-Massakers war", sagt Professorin Ruth Halperin-Kaddari von der israelischen Bar-Ilan-Universität. Sie ist Rechtswissenschaftlerin und Frauenrechtlerin.
    "Wenn eine Frau im Krieg vergewaltigt wird, wird das ganze Land vergewaltigt", glaubt sie. Doch die Brutalität, mit der die radikalislamische Hamas gegen Frauen vorging, mache sie fassungslos. Was sie außerdem schockiere, sei das Schweigen der Welt zu diesen Taten:

    Die UN-Gremien, UN-Frauen, alle internationalen Frauenrechtsorganisationen, ziehen es vor, die von der Hamas begangene sexuelle Gewalt nicht anzusprechen. Sie ziehen es vor, das zu verschweigen oder herunterzuspielen.

    Ruth Halperin-Kaddari, Professorin an der israelischen Bar-Ilan-Universität

    Für sie sind die Taten der Hamas Völkermord: "Was am 7. Oktober geschah - die Hamas beging Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die einem Völkermord gleichkommen. Der Einsatz von Frauenkörpern als Kriegswaffe - der Einsatz von Frauenkörpern, um die grausamsten Verbrechen zu begehen - an Frauen selbst. Und an Israelis und Juden. Mit Absicht. Dies geschah vorsätzlich."
    Hamas nehmen am 23.10.2023 im Westjordanland an der Beerdigung von zwei palästinensischen Männern teil.
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    Sexuelle Gewalt: Israels Polizei sammelt nicht explizit Beweise

    Die Bilder der Gewalt dieses Tages sind nur schwer oder gar nicht zu ertragen - die radikalislamischen Terroristen der Hamas übertrugen sie zum Teil live über das Handy ihrer Opfer an deren Familien. Sie filmten sich, während sie Gräueltaten begingen - sich an Frauen, sogar Kindern vergingen.
    Viele der betroffenen Frauen sind tot und können nicht Zeugnis ablegen. Das erschwert die Aufklärung der Hamas-Verbrechen. Die meisten Einzelheiten der Ermittlungen unterliegen derzeit einer Geheimhaltung. Die israelische Polizei bestätigte jedoch, dass nicht explizit Beweise für sexuelle Gewalt und Übergriffe nach dem 7. Oktober gesammelt wurden.

    Beweisaufnahme sehr schwierig

    "Unsere Kriminalbeamten, die sich die Opfer ansahen, während sie die Fingerabdrücke und DNA aufnahmen, sahen alles. Enthauptungen. Verstümmelung. Sie sahen Schüsse, Nahschüsse und sie sahen Fesseln", so Michal Levin-Elad, Leiterin der forensischen Abteilung der israelischen Polizei.
    Noch immer müssten Leichen identifiziert werden. Viele Leichen seien in so schlechtem Zustand gewesen, dass eine Beweisaufnahme - wie das Sichern von Sperma-Proben - nicht möglich gewesen sei. Auch wenn ein Großteil der Anklage auf Indizien beruhen wird - aufgrund des Zustands der Leichen gebe es 'keinen Raum für Zweifel an diesen Ereignissen', so ein israelischer Polizeisprecher.

    Dokumentation: Rechtswissenschaftlerin sieht Ukraine als Vorbild

    Das Fehlen eines synchronisierten Erfassungssystems, so die Sorge von Halperin-Kaddari, könne unter Umständen dazu führen, dass es keine vollständige Aufarbeitung der Gewalttaten geben werde. Als Vergleich, wie es besser ginge, nennt sie die akribische Arbeit der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft bei der Dokumentation russischer Kriegsverbrechen.
    Zu befürchten steht, dass der geschlechtsspezifische Charakter der Gewalttaten der Hamas in der israelischen, vor allem aber internationalen Aufmerksamkeit weitgehend unter dem Radar bleibt. 
    Gibt es keine Aufklärung, besteht das Risiko, dass das humanitäre Völkerrecht an sich an Akzeptanz unter Kriegsparteien verliert. Zu Verurteilungen kommt es ohnehin oft erst nach Jahren. Und doch wird zumindest dieses Mindestmaß an Gerechtigkeit gebraucht.

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