Habeck-Appell: "Wenn die Ukraine verliert, geht es weiter"

    Interview

    Habeck zu Ukraine-Besuch:"Klar machen, warum der Krieg geführt wird"

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    Die Lage der Ukraine ist dramatisch. Minister Habeck ruft die Nato-Länder zu noch mehr Rüstungshilfe auf. Man müsse sich "immer klar machen, warum der Krieg geführt wird".

    Vizekanzler Habeck besucht Ukraine
    "Jetzt gibt es eine Lücke, diese Lücke ist aber endlich", sagt Vizekanzler Habeck über die Waffenlieferungen für die Ukraine. 19.04.2024 | 7:35 min
    Fast 3.000 Raketen und Drohnen, 8.500 gesteuerte Bomben, das alles ist allein in diesem Jahr auf die Ukraine abgefeuert worden - und es ist erst April. Zwar hat die Nato nach einem Krisentreffen mehr Unterstützung zugesagt, doch Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj warnt, es könne zu spät sein. Das Undenkbare wird denkbar: Die Ukraine könnte den Krieg verlieren.
    Wirtschaftsminister Robert Habeck hat die Ukraine besucht und dem angegriffenen Land die Unterstützung Deutschlands zugesichert.
    Sehen Sie oben im Video das komplette Interview und lesen Sie es hier Auszügen:
    Das sagt Robert Habeck dazu...

    ...wie verzweifelt die Lage der Ukraine ist

    "Vor zwei Jahren", so der Bundeswirtschaftsminister, sei es "unterlassen worden, eine kontinuierliche Produktion an Munition und Kriegsgerät hochzuziehen". Also habe man "geliefert, was man hatte und hat gedacht, na ja, das muss dann ja wohl reichen'".
    Deutschland könne - laut Grundgesetz - keine Kriegsgüter exportieren, um die Rüstung "am Laufen zu halten". Das seien ja Kriegsgüter, deswegen müsse es immer einen Auftrag geben, den das Bundessicherheitskabinett prüfe.

    Und dieser Auftrag ist nicht ausgelöst worden. Das ist die Erklärung, aber nicht die Entschuldigung. Das ist natürlich ein strategischer Fehler gewesen.

    Robert Habeck

    Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, geht zur Gedenkmauer für die im Krieg gefallenen Soldaten in Kiew.
    Bundeswirtschaftsminister Habeck ist mit einer Delegation in die Ukraine gereist. Unter anderem ging es um Russlands Angriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur.18.04.2024 | 0:22 min

    ...warum zuwenig Munition und Kriegsgerät geliefert wird

    "Es scheint mir so", sagt der Minister, "dass im letzten Jahr gedacht wurde, im Sommer kommt die Offensive und mit den Leopardpanzern und den anderen Panzern, die geliefert wurden, da wird das schon irgendwie klappen. Und dann ist es vielleicht vorbei". Das aber habe sich nicht bewahrheitet. Es sei eine Fehleinschätzung dessen gewesen, "was möglich ist oder dessen, was erreicht werden konnte".
    Und jetzt gebe es eine Lücke. Im Moment sei es eine wirklich angespannte Situation. Das bedeute, "alle Länder, die helfen können, müssen jetzt helfen". Nicht in fünf Monaten, bekräftigt Habeck, oder in zehn Monaten. "Wenn noch irgendwo Munitionsbestände sind, wenn man noch irgendwo ein Luftabwehrsystem übergeben kann", dann müsse man es jetzt tun. Zum Sommer hin werde es schon besser werden.
    Egon Ramms bei ZDFheute live
    Die Nato will die Ukraine verstärkt bei ihrer Luftabwehr unterstützen. Ex-Nato-General Ramms glaubt, Munitonslieferungen könnten relativ kurzfristig erfolgen. es sei aber zu wenig. 19.04.2024 | 8:18 min

    ...warum der Westen Israel mit Luftabwehr versorgt, die Ukraine aber nicht

    Moralisch könne man das "schwer unterscheiden", gibt Habeck zu. "Die Antwort ist natürlich", so der Minister, "dass Russland eine Atommacht ist, die kriegsbereit ist und auch, wie wir in der Ukraine sehen, nicht zögert, die Truppen einzusetzen". Wladimir Putin sei bereit, Menschenleben zu opfern, ohne Rücksicht auf Verluste, und zwar auch die eigenen. "Das ist der strategische Unterschied."

    Wir haben immer gesagt, wir werden nicht Kriegspartei werden und das definiert sozusagen den Unterschied dazwischen.

    Robert Habeck

    Die "Trias aus Patriot-Raketen, Iris-T und Gepard-Panzern" funktioniere eigentlich sehr gut. Es sei dann aber tatsächlich so, dass die Ukraine getroffen werde "von Raketen, die durchgehen, obwohl das System eigentlich gut ist".
    Bei dem massiven Angriff, den Russland jetzt starte, bei den vielen Raketen, da reiche es einfach nicht. "Und deswegen, ich weiß gar nicht, wie deutlich es ist, aber die Zahlen sind bekannt, wie viele Patriot-Systeme zum Beispiel die Länder haben." Und wenn man die ins Verhältnis zu Deutschland setze - "also ich weiß, welche Länder noch mehr geben könnten und diese Länder wissen es auch".

    ....wie die ausbleibenden Hilfen die Ukrainer demoralisieren

    Das alles sei "natürlich kein Motivator für die kämpfenden Truppen". Die Ukraine wisse selber auch, dass es "jetzt eine schwierige Phase ist, aber es ist eine Phase". Die Tschechische Republik habe "auf dem ganzen Weltmarkt 500.000 Schuss Munition eingekauft, das sind die Artillerie-Munitionstypen, die sie jetzt alle brauchen".
    Da komme "jetzt was nach. Allerdings im Moment zu wenig, aber es wird anziehen, zum Sommer hin wird es anziehen, das weiß die Ukraine auch".
    Ukraine-Hilfe: "Zu lange gewartet"
    "Es dauert natürlich, bis die [Hilfe] ankommt", berichtet ZDF-Reporter Luc Walpot zur aktuellen Lage in der Ukraine.19.04.2024 | 1:33 min

    ...wie er selbst sich dabei fühlt

    "Wir reden hier permanent über Waffen, Waffensysteme, über Kriegsgerät und über das Durchhalten an der Front und das fällt mir überhaupt nicht leicht", gibt der Grünen-Politiker zu. Das habe er sich am Anfang der Legislatur weder gewünscht noch vorgestellt, dass "ich mit Ihnen ein Interview mache, wo ich... werbend dafür spreche, mehr Kriegsgerät zu liefern". Aber man müsse sich einmal noch klar machen, warum dieser Krieg geführt werde.
    "Wladimir Putin will die liberale Demokratie in der Ukraine nicht zulassen und sie insgesamt destabilisieren", erklärt der Minister. "Wenn die Ukraine diesen Krieg nicht gewinnen kann, also verliert, dann wird es weitergehen".

    Und deswegen sind alle, die die Demokratie verteidigen wollen, alle Länder, alle Regierungen, noch einmal angehalten, die Ukraine jetzt zu unterstützen. 

    Robert Habeck

    Das Interview führte heute-journal-Moderator Christian Sievers. Zusammengerfasst hat es Elisabeth Jändl.
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