Hochrechnungen in Frankreich:Linksbündnis vorn, Le Pen auf Platz drei
|
Frankreich hat gewählt: Das links-grüne Bündnis NFP liegt nach Hochrechnungen vorn. Marine Le Pens extreme Rechte erreicht voraussichtlich Platz drei.
Prognosen der Parlamentswahl zeigen: Das Linksbündnis NFP liegt wider Erwarten vorne. Die rechtspopulistische Partei Rassemblement National liegt noch hinter der Partei Macrons.07.07.2024 | 2:52 min
Überraschung in Frankreich: Nach dem Rechtsruck in der ersten Wahlrunde, liegt bei der Parlamentswahl entgegen aller Erwartungen Hochrechnungen zufolge das Linksbündnis vorn.
Das rechtsnationale Rassemblement National von Marine Le Pen schnitt deutlich schlechter ab als angenommen.
Es dürfte nur auf dem dritten Platz hinter dem Mitte-Lager von Staatspräsident Emmanuel Macron landen, wie die Sender TF1 und France 2 nach Schließung der Wahllokale berichteten.
Die absolute Mehrheit von 289 Sitzen dürfte aber keines der Lager erreichen.
Sitzverteilung in Frankreich
ZDFheute Infografik
Ein Klick für den Datenschutz
Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
"Wenn diese erste Zahlen stimmen und das Linksbündnis wirklich vorne liegt, wäre das eine Sensation", sagt ZDF-Korrespondent Thomas Walde in Paris. Das hieße, so Walde weiter, dass "die Taktik von Staatspräsident Emmanuel Macron und den Linken aufgegangen ist, sich abzusprechen".
Die politischen Gegner hätten sich vereint, um das Rassemblement National (RN) zu verhindern. Man könne jetzt schon sagen, meint Thomas Walde weiter, "RN-Chef Jordan Bardella wird nicht Premier werden".
Wer diesen Posten erhalten wird, sei unklar, "denn im Lager Macron und bei den Linken gebe es jede Menge Unterschiede". Da sei man nicht gewohnt, zusammenzuarbeiten.
Die überraschende erste Prognose zur Parlamentswahl in Frankreich ordnet ZDF-Korrespondent Thomas Walde in Paris ein.07.07.2024 | 2:50 min
Zweckbündnis gegen rechten Durchmarsch
Ein Zweckbündnis des Mitte-Lagers von Macron und der linken Kräfte hatte nach der ersten Wahlrunde einen Durchmarsch der Rechten verhindern wollen.
Mehr als 200 Bewerber hatten deshalb ihre Kandidatur vor der zweiten Runde zurückgezogen, um damit die Siegchancen besser platzierter Gegner des RN in den Wahlkreisen zu erhöhen.
Präsident Macron hatte nach dem Sieg von Le Pens Rassemblement National bei der Europawahl Anfang Juni die Nationalversammlung aufgelöst und eine Neuwahl angekündigt.
Die Nationalversammlung ist eine von zwei französischen Parlamentskammern. Sie ist an der Gesetzgebung beteiligt und kann per Misstrauensvotum die Regierung stürzen.
Das Risiko, dass das Rassemblement National alleine an die Macht kommen könnte, "ist nach diesem Wahltag viel kleiner geworden", so der Politikwissenschaftler Joseph de Weck.07.07.2024 | 5:19 min
Minderheitsregierung oder sogar Große Koalition?
Wie es nun weitergeht, ist vorerst unklar. Mit dem Ergebnis ergeben sich verschiedene Zukunftsszenarien. Die Linken könnten versuchen, von den Mitte-Kräften Unterstützung zu bekommen - entweder als eine Minderheitsregierung mit Duldung oder in einer Art Großen Koalition. Angesichts der gegensätzlichen politischen Ausrichtungen ist allerdings nicht abzusehen, ob dies gelingen könnte.
Auch hatte etwa Premier Gabriel Attal eine Regierungszusammenarbeit mit der Linkspartei La France Insoumise explizit ausgeschlossen. Unklar ist, ob Staatschef Macron in einem solchen Szenario politisch gezwungen wäre, einen Premier aus den Reihen der Linken zu ernennen. Die Nationalversammlung kann die Regierung stürzen.
Muss Präsident Macron Macht abgeben?
Bei einem Premier aus dem linken Lager müsste Präsident Macron Macht teilen. Der Premier würde wichtiger. Was dies für Deutschland und Europa hieße, ist unklar. Das Linksbündnis vertritt bei vielen großen politischen Themen sehr unterschiedliche Positionen.
Klar scheint aber, dass Macron selbst in einer Koalition mit den Linken nicht ungehindert seinen Kurs fortfahren könnte, sondern gezwungen wäre, etliche Kompromisse einzugehen.
Er wird wohl nicht Präsident werden: RN-Parteichef Jordan Bardella (r) und Marine Le Pen.
Quelle: Reuters
Ohne Mehrheit droht Stillstand
Sollte keines der Lager eine Regierungsmehrheit finden, könnte die aktuelle Regierung als Übergangsregierung im Amt bleiben oder eine Expertenregierung eingesetzt werden. Frankreich droht in einem solchen Szenario politischer Stillstand. Eine erneute Auflösung des Parlaments durch Macron und Neuwahlen sind erst im Juli 2025 wieder möglich.
Auch die Politik der Europäischen Union wäre betroffen: "In Brüssel war heute Abend doch zumindest ein deutliches Aufatmen zu erahnen", sagt ZDF-Korrespondentin Isabelle Schäfers in Brüssel.
Die Sorge sei "riesig gewesen, was eine durch das Rassemblement National geführte Regierung hier alles hätte blockieren können - weitere Ukraine-Hilfe, eine gemeinsame Migrations-Politik, den EU-Haushalt".
Aber: Man wisse "hier natürlich, dass Emmanuel Macron auch so ein geschwächter Präsident ist", berichtet Schäfers. Die EU habe es ab jetzt mit einem französischen Präsidenten zu tun, der "innenpolitisch gelähmt ist und der vermutlich keine großen europäischen Initiativen mehr ergreifen kann".
Der Rechtsruck in Frankreich blieb aus, doch die Mehrheitsbildung werde kompliziert, so Thomas Walde in Paris. Von Erleichterung bei EU-Institutionen berichtet Isabelle Schaefers.07.07.2024 | 2:22 min
Ungewöhnlich hohes Wahl-Interesse
Das Interesse an der Wahl war gewaltig: Die Gesamtbeteiligung dürfte am Ende nach Prognosen mehrerer Institute bei rund 67,1 Prozent liegen - die höchste Zahl seit 1997.
Um 17 Uhr hatte die Beteiligung bei 59,71 Prozent gelegen, wie das Innenministerium in Paris mitteilte. 2022 lag der Wert zur gleichen Zeit bei 38,11 Prozent. Beim ersten Wahlgang vor einer Woche hatte die Beteiligung insgesamt bei 66,71 Prozent gelegen.
Der Rechtsruck blieb aus, das Linksbündnis wird nach der Parlamentswahl in Frankreich stärkste Kraft. Das Ergebnis, die Reaktionen und Hintergründe - hier im Blog zusammengefasst.