Erste Hochrechnungen in Frankreich: Linksbündnis vorn

    Hochrechnungen in Frankreich:Linksbündnis vorn, Le Pen auf Platz drei

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    Frankreich hat gewählt: Das links-grüne Bündnis NFP liegt nach ersten Hochrechnungen vorn. Marine Le Pens extreme Rechte erreicht voraussichtlich Platz drei.

    French people react after the second round of the legislative elections results in Paris, France, 07 July 2024.
    Phoenix vor Ort: Frankreich hat gewählt - hier die Sendung live.29.06.2024
    Nach dem Rechtsruck in der ersten Wahlrunde zeichnet sich bei den Wahlen in Frankreich eine Überraschung ab: Nach ersten Hochrechnungen liegt das links-grüne Bündnis NFP vorn. Das Parteibündnis von Präsident Emmanuel Macron kommt demnach auf Platz zwei. Marine Le Pens extreme Rechte erreicht wohl Platz drei.
    Sitzverteilung in Frankreich
    ZDFheute Infografik
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    "Wenn diese erste Zahlen stimmen und das Linksbündnis wirklich vorne liegt, wäre das eine Sensation", sagt ZDF-Korrespondent Thomas Walde in Paris. Das hieße, so Walde weiter, dass "die Taktik von Staatspräsident Emmanuel Macron und den Linken aufgegangen ist, sich abzusprechen".
    Die politischen Gegner hätten sich vereint, um das Rassemblement National (RN) zu verhindern. Man könne jetzt schon sagen, meint Thomas Walde weiter, "RN-Chef Jordan Bardella wird nicht Premier werden". Wer diesen Posten erhalten wird, sei unklar, "denn im Lager Macron und bei den Linken gebe es jede Menge Unterschiede". Da sei man nicht gewohnt, zusammenzuarbeiten.
    French people react after the second round of the legislative elections results in Paris, France, 07 July 2024.
    Die überraschende erste Prognose zur Parlamentswahl in Frankreich ordnet ZDF-Korrespondent Thomas Walde in Paris ein.07.07.2024 | 2:50 min

    Zweckbündnis gegen rechten Durchmarsch

    Ein Zweckbündnis des Mitte-Lagers von Macron und der linken Kräfte hatte nach der ersten Wahlrunde einen Durchmarsch der Rechten verhindern wollen. Mehr als 200 Bewerber hatten deshalb ihre Kandidatur vor der zweiten Runde zurückgezogen, um damit die Siegchancen besser platzierter Gegner des RN in den Wahlkreisen zu erhöhen.
    Präsident Macron hatte nach dem Sieg von Le Pens Rassemblement National bei der Europawahl Anfang Juni die Nationalversammlung aufgelöst und eine Neuwahl angekündigt. Die Nationalversammlung ist eine von zwei französischen Parlamentskammern. Sie ist an der Gesetzgebung beteiligt und kann per Misstrauensvotum die Regierung stürzen.
    07.07.2024, Frankreich, Mont-Dore: Ein Wähler wirft seinen Stimmzettel während der zweiten Runde der französischen Parlamentswahlen im französischen Pazifik-Territorium Neukaledonien, in eine Wahlurne in einer Turnhalle, die als Wahllokal dient.
    Die Wahlbeteiligung bei der Stichwahl für das französische Parlament erreicht ein Rekord-Niveau. Es steht viel auf dem Spiel, denn die erste Runde gewannen die Rechtsnationalen.07.07.2024 | 1:42 min

    Minderheitsregierung oder sogar Große Koalition?

    Wie es nun weitergeht, ist vorerst unklar. Mit dem Ergebnis ergeben sich verschiedene Zukunftsszenarien. Die Linken könnten versuchen, von den Mitte-Kräften Unterstützung zu bekommen - entweder als eine Minderheitsregierung mit Duldung oder in einer Art Großen Koalition. Angesichts der gegensätzlichen politischen Ausrichtungen ist allerdings nicht abzusehen, ob dies gelingen könnte.
    Auch hatte etwa Premier Gabriel Attal eine Regierungszusammenarbeit mit der Linkspartei La France Insoumise explizit ausgeschlossen. Unklar ist, ob Staatschef Emmanuel Macron in einem solchen Szenario politisch gezwungen wäre, einen Premier aus den Reihen der Linken zu ernennen. Die Nationalversammlung kann die Regierung stürzen.

    Muss Präsident Macron Macht abgeben?

    Bei einem Premier aus dem linken Lager müsste Präsident Macron Macht teilen. Der Premier würde wichtiger. Was dies für Deutschland und Europa hieße, ist unklar. Das Linksbündnis vertritt bei vielen großen politischen Themen sehr unterschiedliche Positionen.
    Klar scheint aber, dass Macron selbst in einer Koalition mit den Linken nicht ungehindert seinen Kurs fortfahren könnte, sondern gezwungen wäre, etliche Kompromisse einzugehen.
    Jordan Bardella (r) und Marine Le Pen
    Er wird wohl nicht Präsident werden: RN-Parteichef Jordan Bardella (r) und Marine Le Pen.
    Quelle: Reuters

    Ohne Mehrheit droht Stillstand

    Sollte keines der Lager eine Regierungsmehrheit finden, könnte die aktuelle Regierung als Übergangsregierung im Amt bleiben oder eine Expertenregierung eingesetzt werden. Frankreich droht in einem solchen Szenario politischer Stillstand. Eine erneute Auflösung des Parlaments durch Macron und Neuwahlen sind erst im Juli 2025 wieder möglich.
    Auch die Politik der Europäischen Union wäre betroffen: "In Brüssel war heute Abend doch zumindest ein deutliches Aufatmen zu erahnen", sagt ZDF-Korrespondentin Isabelle Schäfers in Brüssel. Die Sorge sei "riesig gewesen, was eine durch das Rassemblement National geführte Regierung hier alles hätte blockieren können - weitere Ukraine-Hilfe, eine gemeinsame Migrations-Politik, den EU-Haushalt".

    Bei Frankreich als großer EU-Gründungsnation und bisher pro-europäischem Motor hätte das auch eine dramatische Signalwirkung gehabt.

    Isabelle Schäfers, ZDF-Korrespondentin Brüssel

    Aber: Man wisse "hier natürlich, dass Emmanuel Macron auch so ein geschwächter Präsident ist", berichtet Schäfers. Die EU habe es ab jetzt mit einem französischen Präsidenten zu tun, der" innenpolitisch gelähmt ist und der vermutlich keine großen europäischen Initiativen mehr ergreifen kann".

    Ungewöhnlich hohes Wahlinteresse

    Das Interesse an der Wahl war gewaltig: Die Gesamtbeteiligung dürfte am Ende nach Prognosen mehrerer Institute bei rund 67, 1 Prozent liegen - die höchste Zahl seit 1997. Um 17 Uhr hatte die Beteiligung bei 59,71 Prozent gelegen, wie das Innenministerium in Paris mitteilte. 2022 lag der Wert zur gleichen Zeit bei 38,11 Prozent. Beim ersten Wahlgang vor einer Woche hatte die Beteiligung insgesamt bei 66,71 Prozent gelegen.

    Parlamentswahl in Frankreich
    :RN-Chef Bardella sieht "Bündnis der Schande"

    Nach dem voraussichtlichen Abrutschen seiner Partei hat RN-Chef Jordan Bardella ein "Bündnis der Schande" angeprangert. Aktuelles im Liveblog.
    Jordan Bardella
    Liveblog
    Quelle: dpa, AFP, AP, Reuters, ZDF

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