Melonis Albanien-Modell: Flüchtlinge aus Italien abschieben

    Italiens Albanien-Modell:Meloni gegen die italienische Justiz

    von A. Postel und R. Heimann, Rom
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    Giorgia Meloni will Migranten in Asylzentren in Albanien unterbringen. Als ein Gericht sie zurückpfeift, attackiert sie die Justiz. Von welchem Politiker sie das gelernt hat.

    italienische Küstenwache in Albanien / dpa
    Die italienische Küstenwache hat Migranten aus Albanien zurück nach Italien geholt. Ein italienisches Gericht entschied, dass die Überführung nach Albanien unrechtmäßig war. 19.10.2024 | 0:26 min
    Die italienischen Asylzentren in Albanien hätten Giorgia Melonis großer Wurf werden sollen. Der Plan sah vor, dass Italien männliche, nicht schutzbedürftige Asylsuchende aus sicheren Herkunftsstaaten in Albanien unterbringt und den Asylprozess dort außerhalb der EU abwickelt.
    Migranten, die wenig Aussichten auf ein Bleiberecht in Italien haben, sollten von Albanien direkt zurück in ihre Heimat geschickt werden. Für Meloni ein geeignetes Mittel, um die irreguläre Migration zu erschweren.

    Die Asylzentren in Albanien stehen leer

    Am 15. Oktober schickte Italien die ersten 16 Migranten in die beiden Asylzentren, die darauf ausgerichtet sind, über 900 Asylsuchende aufnehmen zu können. Dann aber urteilte ein römisches Gericht: Die Unterbringung in Albanien verstoße teilweise gegen geltendes EU-Recht.
    Wohncontainer
    Italien plant, illegale Migranten in Abschiebezentren in Albanien zu bringen, statt aufs eigene Festland. Dort sollen die Asylanträge geprüft werden.11.10.2024 | 2:10 min
    Denn 12 der Asylsuchenden sind Bürger aus Ägypten und Bangladesch und diese beiden Länder sind nach Auffassung der Richter keine sicheren Herkunftsländer. Konsequenz: Die Asylsuchenden mussten nach Italien gebracht werden. Die albanischen Asylzentren stehen wieder leer.

    Meloni wittert Komplott

    Ministerpräsidentin Giorgia Meloni schäumt. "Es ist schwierig, zu versuchen, dieses Land zu regieren, wenn Teile der Institutionen, die bei der Bewältigung der Probleme helfen sollten, gegen dich arbeiten", greift sie die Justiz an.
    Auch ihr Vize Matteo Salvini, Verkehrsminister und Lega-Chef, attackiert die römischen Richter: "Wenn jemand ein Gericht für seinen politischen Rachefeldzug missbraucht, hat er den falschen Beruf gewählt."
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    Heute debattiert das EU-Parlament über die Ergebnisse des EU-Gipfels der vergangenen Woche, u.a. über Rückführungszentren und die Auslagerung von Asylverfahren. 23.10.2024 | 2:11 min

    Rechte Regierung im Clinch mit der Justiz

    Matteo Salvini steht aktuell selbst vor Gericht. Er verweigerte 2019, damals noch als Innenminister, einem Seenotrettungsboot mit 147 Geflüchteten an Bord mehr als zwei Wochen das Anlaufen eines italienischen Hafens.
    Salvini habe gegen internationales Recht verstoßen und die Migranten ihrer Freiheit beraubt, argumentiert die Staatsanwaltschaft und fordert sechs Jahre Haft. Auch hier unterstellen sowohl Meloni als auch Salvini der Justiz politische Motive.

    Von Berlusconi gelernt

    Schon Silvio Berlusconi, der sich während seiner vier Amtszeiten diversen Strafuntersuchungen stellen musste, witterte dahinter stets ein politisches Komplott. Egal, ob gegen ihn wegen mutmaßlicher Bestechung, Steuerbetrug oder Sexpartys mit Minderjährigen ermittelt wurde, immer waren es in seinen Augen "linke Richter und Beamte", die ihn zu Fall bringen wollten - die "roten Roben", wie er sie bevorzugt nannte.
    Meloni scheint von Berlusconi gelernt zu haben: Er war es, der sie 2008 im Alter von nur 31 Jahren zur Sport- und Jugendministerin ernannte und ihr zum politischen Durchbruch verhalf.
    Der ehemalige italienische Ministerpräsident, Silvio Berlusconi
    Der italienische Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi ist im Alter von 86 Jahren gestorben. Der Politiker, Unternehmer und Fußball-Boss war an Leukämie erkrankt.12.06.2023 | 2:01 min

    Eilig verabschiedeter Erlass soll Melonis Plan retten

    Am Montag hat der von Meloni eiligst einberufene Ministerrat, also die Regierung, ein Dekret verabschiedet, das 19 Staaten als sichere Herkunftsländer neu definiert - darunter auch Ägypten und Bangladesch. Mit dem Dekret soll sichergestellt werden, dass sich bis auf Weiteres kein Gericht dagegenstellen kann.
    Die Opposition sieht in all dem einen Angriff auf die Justiz. "Die Regierung will die Gewaltenteilung aus der Verfassung kippen", sagt Elly Schlein, Vorsitzende des sozialdemokratischen Partito Democratico. Sie spielt damit auf die Justizreform an, die Giorgia Meloni vorantreibt. Meloni selbst sagt, sie wolle die träge italienische Justiz auf Effizienz trimmen. Kritiker wie Elly Schlein befürchten, Melonis rechte Regierung wolle die Macht der Justiz verringern - und die eigene so ausbauen.
    Auf dem Bild ist ein Boot mit geflüchteten Personen auf dem Mittelmeer zu sehen.
    Kaum ein Thema spaltet Europa so sehr wie die Migration. 2015 herrschte Willkommenskultur, seitdem schwenkt die EU zu einem härteren Umgang mit Geflüchteten.16.05.2024 | 45:19 min
    Zu den Asylzentren hat Schlein eine klare Haltung: "Erzählen Sie uns nicht, dass kein Geld für die öffentliche Gesundheit vorhanden ist, denn Sie haben gerade 800 Millionen Euro für diese Zentren in Albanien aus dem Fenster geworfen!" so die Oppositionsführerin an die Adresse Melonis.
    Mit dem am Montag verabschiedeten Dekret soll nun die Zukunft der albanischen Asylzentren bis auf Weiteres gesichert sein. Allerdings: Zwölf der 19 Staaten, die Italiens rechtspopulistische Regierung nun als sichere Herkunftsländer bezeichnet, werden von der EU teilweise als unsicher eingestuft. Ein weiterer Konflikt mit europäischem Recht scheint bereits programmiert. Die Sache mit den albanischen Asylzentren hat sich Giorgia Meloni sicherlich einfacher vorgestellt.

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    Quelle: ZDF

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