Italien: Angriffe auf die Meinungs- und Pressefreiheit

    "Tele-Meloni" in Italien:Angriffe auf die Meinungs- und Pressefreiheit

    von Andreas Postel und Francesco Conte, Rom
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    Journalisten in Italien fühlen sich zunehmend eingeschüchtert von der Regierung, klagen über Einflussnahme und Einschränkung ihrer Arbeit.

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    Die Meinungs- und Pressefreiheit ist auch in Italien ein hohes Gut und war bereits in der Ära Berlusconi so bedroht, wie verteidigt. Aktuell läuten die Alarmglocken besonders laut, denn die Regierung von Giorgia Meloni setzt die Meinungs- und Pressefreiheit an drei Fronten unter Druck.

    Dreifach Druck auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Rai

    Erstens durch Veränderung der Regeln, indem Sendezeit für die Regierung ohne jegliche journalistische Einordnung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eingeführt wird.
    Zweitens, durch Einschränkung regierungskritischer Sendungen und Absetzung unliebsamer Moderatoren.
    Drittens durch juristische Verfolgung. Das Verklagen von kritischen Stimmen war in Italien lange nicht so in Mode wie derzeit.
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    Der jüngste Fall betrifft den Schriftsteller Antonio Scurati. Er sei beim öffentlich-rechtlichen Sender Rai wegen seiner antifaschistischen Äußerungen zensiert worden. Eigentlich sollte der Schriftsteller einen Monolog bei Rai3 vortragen, doch dieser wurde abgesagt, ohne den Moderator der Sendung zu informieren. Rai ist in Erklärungsnot. Generaldirektor Roberto Sergio betonte, dass er den Schriftsteller "nicht zensiert" hätte.

    Die Rai ist das Opfer eines täglichen politischen Krieges.

    Roberto Sergio, Generaldirektor Rai

    Proteste gegen einschränkendes Gesetz für Journalisten

    Überraschenderweise meldete sich Italiens Ministerpräsidentin Meloni auf Facebook zu Wort und behauptete, Scurati habe ein zu hohes Honorar verlangt und sei deshalb nicht eingeladen worden. Der Fall ist ein weiterer Mosaikstein unterschiedlicher Angriffe auf journalistische Arbeit.
    Die italienische Regierung hat traditionell einen bedeutenden Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Sender Rai, da sie die Mitglieder des Verwaltungsrats ernennen kann, der die strategischen Entscheidungen des Senders trifft. Dies hat zu Diskussionen über die Unabhängigkeit Rai geführt, insbesondere in Bezug auf politische Einmischung und Beeinflussung der Berichterstattung.

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    Gesonderte Sendezeit für die Regierung

    Auf Druck der Regierung wurde bei Rai eine hausinterne Regel geändert, wonach jeder Partei gleichviel Sendezeit eingeräumt wird. Zusätzlich sollen öffentliche Auftritte von Regierungsvertretern ohne journalistische Einordnung oder oppositionelle Stimmen übertragen werden.
    Als noch nie dagewesener Angriff auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, kritisiert die Journalistengewerkschaft der Rai das Vorgehen. Die Regierung versuche "die Rai in ihr eigenes Megaphon zu verwandeln".

    Investigativ-Journalismus wird abgesägt

    Der zweite Angriff bezieht sich auf die Abschaffung ganzer Sendungen, wie z.B. die des populären Investigativ-Journalisten Roberto Saviano. Auch der Vertrag des Talkmasters Fabio Fazio wurde nicht verlängert. Seine Sendung wurde von Regierungsseite als zu linkslastig eingestuft.
    Ein Mann mittleren Alters, gekleidet mit einem dunklen Sakko, sitzt auf einem Stuhl und stützt nachdenklich das Kinn auf eine Hand.
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    In der Rai herrsche mittlerweile ein so schlechtes Klima, dass Amadeus, der italienweit beliebte Moderator des Sanremo-Musik-Festivals, in dieser Woche seinen Rückzug angekündigt hat, nachdem er von Senatspräsident Ignazio La Russa öffentlich kritisiert wurde. "Tele Meloni" wird die Rai mittlerweile spöttisch genannt.

    Klagewelle gegen Journalisten

    Eine weitere Form der Einflussnahme und Einschüchterung ist die Klagewelle, die Meloni und Mitglieder ihrer Regierung gegen Journalisten und Intellektuelle losgetreten haben. So wurde der Investigativ-Journalist Roberto Saviano sowohl von Meloni, als auch Vizekanzler Salvini verklagt. Diese Klagen haben ein großes Gewicht, da sie von Amtsträgern und Ministern erhoben werden.
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    Auch weniger prominente Lokal-Journalisten kann es treffen. Franco Cappelletti wurde von der Regierungschefin verklagt, weil ihr sein Tweet auf der Onlineplattform X nicht passte. Das Verfahren ist eingestellt, aber es gebe ein "enormes Machtgefälle zwischen Kläger und Beklagtem", das zu einer "faktischen Einschüchterung" führe, prangert der Präsident der antifaschistischen Vereinigung ANPI an. Sein Fazit: Es herrsche in Italien ein insgesamt beunruhigendes Klima.
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