Italien: Angriffe auf die Meinungs- und Pressefreiheit
"Tele-Meloni" in Italien:Angriffe auf die Meinungs- und Pressefreiheit
von Andreas Postel und Francesco Conte, Rom
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Journalisten in Italien fühlen sich zunehmend eingeschüchtert von der Regierung, klagen über Einflussnahme und Einschränkung ihrer Arbeit.
Ein regierungskritischer Autor darf im italienischen TV nicht über den Postfaschismus sprechen. Immer wieder nimmt Regierungschefin Meloni Einfluss auf Kultur und Medien.25.04.2024 | 2:48 min
Die Meinungs- und Pressefreiheit ist auch in Italien ein hohes Gut und war bereits in der Ära Berlusconi so bedroht, wie verteidigt. Aktuell läuten die Alarmglocken besonders laut, denn die Regierung von Giorgia Meloni setzt die Meinungs- und Pressefreiheit an drei Fronten unter Druck.
Dreifach Druck auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Rai
Erstens durch Veränderung der Regeln, indem Sendezeit für die Regierung ohne jegliche journalistische Einordnung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eingeführt wird.
Zweitens, durch Einschränkung regierungskritischer Sendungen und Absetzung unliebsamer Moderatoren.
Drittens durch juristische Verfolgung. Das Verklagen von kritischen Stimmen war in Italien lange nicht so in Mode wie derzeit.
Vor einem Jahr holte das rechte Parteienbündnis um Georgia Meloni insgesamt 44 Prozent der Stimmen25.09.2023 | 3:44 min
Der jüngste Fall betrifft den Schriftsteller Antonio Scurati. Er sei beim öffentlich-rechtlichen Sender Rai wegen seiner antifaschistischen Äußerungen zensiert worden. Eigentlich sollte der Schriftsteller einen Monolog bei Rai3 vortragen, doch dieser wurde abgesagt, ohne den Moderator der Sendung zu informieren. Rai ist in Erklärungsnot. Generaldirektor Roberto Sergio betonte, dass er den Schriftsteller "nicht zensiert" hätte.
Proteste gegen einschränkendes Gesetz für Journalisten
Überraschenderweise meldete sich Italiens Ministerpräsidentin Meloni auf Facebook zu Wort und behauptete, Scurati habe ein zu hohes Honorar verlangt und sei deshalb nicht eingeladen worden. Der Fall ist ein weiterer Mosaikstein unterschiedlicher Angriffe auf journalistische Arbeit.
Die italienische Regierung hat traditionell einen bedeutenden Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Sender Rai, da sie die Mitglieder des Verwaltungsrats ernennen kann, der die strategischen Entscheidungen des Senders trifft. Dies hat zu Diskussionen über die Unabhängigkeit Rai geführt, insbesondere in Bezug auf politische Einmischung und Beeinflussung der Berichterstattung.
Nach außen gibt sie sich pragmatisch, im Inneren baut sie das Land um: Wie Italien sich unter der rechten Ministerpräsidentin Giorgia Meloni entwickelt.
Andreas Postel, Rom
Gesonderte Sendezeit für die Regierung
Auf Druck der Regierung wurde bei Rai eine hausinterne Regel geändert, wonach jeder Partei gleichviel Sendezeit eingeräumt wird. Zusätzlich sollen öffentliche Auftritte von Regierungsvertretern ohne journalistische Einordnung oder oppositionelle Stimmen übertragen werden.
Als noch nie dagewesener Angriff auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, kritisiert die Journalistengewerkschaft der Rai das Vorgehen. Die Regierung versuche "die Rai in ihr eigenes Megaphon zu verwandeln".
Investigativ-Journalismus wird abgesägt
Der zweite Angriff bezieht sich auf die Abschaffung ganzer Sendungen, wie z.B. die des populären Investigativ-Journalisten Roberto Saviano. Auch der Vertrag des Talkmasters Fabio Fazio wurde nicht verlängert. Seine Sendung wurde von Regierungsseite als zu linkslastig eingestuft.
Der italienische Schriftsteller und Faschismus-Experte Antonio Scurati beobachtet in Italien eine Wende zur rechten Regierung mit illiberalen Tendenzen.06.05.2024 | 9:14 min
In der Rai herrsche mittlerweile ein so schlechtes Klima, dass Amadeus, der italienweit beliebte Moderator des Sanremo-Musik-Festivals, in dieser Woche seinen Rückzug angekündigt hat, nachdem er von Senatspräsident Ignazio La Russa öffentlich kritisiert wurde. "Tele Meloni" wird die Rai mittlerweile spöttisch genannt.
Klagewelle gegen Journalisten
Eine weitere Form der Einflussnahme und Einschüchterung ist die Klagewelle, die Meloni und Mitglieder ihrer Regierung gegen Journalisten und Intellektuelle losgetreten haben. So wurde der Investigativ-Journalist Roberto Saviano sowohl von Meloni, als auch Vizekanzler Salvini verklagt. Diese Klagen haben ein großes Gewicht, da sie von Amtsträgern und Ministern erhoben werden.
Weltweit ist Europa die sicherste Region für Journalistinnen und Journalisten. Doch Deutschland liegt hier nicht mehr in der Spitzengruppe.03.05.2023 | 1:19 min
Auch weniger prominente Lokal-Journalisten kann es treffen. Franco Cappelletti wurde von der Regierungschefin verklagt, weil ihr sein Tweet auf der Onlineplattform X nicht passte. Das Verfahren ist eingestellt, aber es gebe ein "enormes Machtgefälle zwischen Kläger und Beklagtem", das zu einer "faktischen Einschüchterung" führe, prangert der Präsident der antifaschistischen Vereinigung ANPI an. Sein Fazit: Es herrsche in Italien ein insgesamt beunruhigendes Klima.
Hitler-Flugblätter im jüdischen Viertel und "römischer Gruß" in Rom: Italiens extreme Rechte sorgt in letzter Zeit verstärkt für Schlagzeilen. Ermutigt die Regierung sie?