Faschismus in Italien: Nazi Parolen in der Fratelli d'Italia
Druck auf Fratelli d'Italia:Rassismus und Nazi-Parolen bei Meloni-Jugend
von Julian Degler und Andreas Postel, Rom
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Neue Recherchen sollen belegen, wie die Jugend der Fratelli d'Italia wirklich tickt. Der bekannte italienische Autor Roberto Saviano warnt im ZDF vor Melonis zwei Gesichtern.
Eine Investigativ-Recherche enthüllt das verborgene Gesicht des Jugendflügels der Partei von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, Fratelli d'Italia.28.06.2024 | 2:05 min
Rom am Mittwochabend. Vor dem Eingang des Kulturzentrums "MONK" im Osten der Stadt hat sich eine Schlange gebildet. Das Interesse, an dem, was gleich auf der Leinwand gezeigt, und im Netz gestreamt wird, ist immens. Vor Ort sind vor allem junge Menschen, aber auch mehrere Journalisten und Politiker wie Angelo Bonelli, Abgeordneter vom Links-Grünen Bündnis AVS.
Im Fokus steht der zweite Teil einer Undercover-Recherche von "Backstair", einem Investigativ-Team des Online-Portals "Fanpage.it". Sie trägt den Titel "Gioventù Meloniana" (Melonis Jugend). Und sie soll mit heimlichen Aufnahmen belegen, wie der Nachwuchs der Partei "Fratelli d'Italia" (FdI), die "Gioventù Nazionale" fernab der Öffentlichkeit tickt. In den vergangenen Tagen haben diese Recherchen über die Jugendorganisation der Partei mit postfaschistischen Wurzeln in Italien große Wellen geschlagen.
"Sieg Heil" und "Römischer Gruß" hinter verschlossenen Türen
Mit den Video-Recherchen wollen die Autoren die dunkle Seite des zukünftigen Parteikaders der ultrarechten Regierungspartei zeigen: Es ist zu hören und zu sehen, wie sie auf Veranstaltungen "Duce" (gemeint ist der faschistische Führer Mussolini) und "Sieg Heil" rufen und die Hand zum "Saluto Romano" heben – ein Symbol, das dem "Hitler-Gruß" gleicht.
Die Dokumentation zeigt, wie Hymnen auf den Faschismus gesungen und der Nationalsozialismus glorifiziert wird. Hinter verschlossenen Türen wird Hass gegen Schwarze und Homosexuelle geschürt. Und das ist nur ein Bruchteil der Aufnahmen, die in der investigativen Dokumentation zu sehen sind.
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Vorausgegangen waren mehrmonatige, aufwändige Recherchen: Journalisten von "Fanpage.it" gaben sich als rechte Sympathisanten aus, um sich Zugang zu Treffen der Fratelli-Jugend zu verschaffen.
Die zwei Gesichter der Giorgia Meloni
Lange hat Giorgia Meloni zu den ersten Recherchen geschwiegen. Doch der Druck auf die "Fratelli d’Italia" und Italiens Regierungschefin ist mit der jüngsten Veröffentlichung des zweiten Teils der Dokumentation gewachsen. Am Rande des Treffens der EU-Staats- und Regierungschefs kommentierte Meloni, dass es sich um "Einstellungen" handele, "die mit der Fratelli d'Italia nicht vereinbar sind".
Auf internationalem Parkett, wie zuletzt beim G7-Gipfel in Apulien, zeigt sich Giorgia Meloni pragmatisch und konstruktiv, meldet auf europäischer Bühne einen Gestaltungsanspruch an. Durch die Recherchen im Inneren ihrer Nachwuchsorganisation wird eine andere Seite ihrer Partei präsentiert. Der italienische Schriftsteller Roberto Saviano warnt im Gespräch mit dem ZDF vor dieser Doppelgesichtigkeit:
"Und zu Hause in Italien zeigt sie durchaus eine autoritäre Linie, illiberal, aber wohlgemerkt immer noch in einem demokratischen Rahmen", wie der Autor weiter erklärt.
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Antisemitismus in den Reihen der Jugendbewegung
Zu den zentralen Gesichtern des zweiten Teils der Video-Recherchen zählt Flaminia Pace, Vorsitzende der "Gioventù Nazionale", der Fratelli-Jugendorganisation, in Pinciano, einem Stadtteil im Norden Roms. Sie ist zugleich Mitglied im Nationalen Jugendrat, einem Gremium, das die italienischen Jugendlichen in den Institutionen vertritt. Die Aufnahmen dokumentieren Aussagen von Pace, in denen sie sich antisemitisch und herablassend über die jüdische Senatorin Ester Mieli, Enkelin eines Holocaust-Überlebenden, äußert.
Ignazio La Russa (FdI), der italienischen Senats-Präsident, ging am Donnerstag auf Distanz und sprach in den sozialen Medien seine "tief empfundene Solidarität" mit der Senatorin aus. Reaktionen gab es auch aus der Opposition. Auf X (ehemals Twitter) forderte der Europaabgeordnete der Partito Democratico (PD), Sandro Ruotolo, Meloni zum Handeln auf:
Druck auf Fratelli d'Italia wächst
Flaminia Pace hat erste Konsequenzen gezogen. Am Donnerstagmorgen, nach der Veröffentlichung des zweiten Teils der "Fanpage.it"-Recherche hat sie in einem Schreiben bekanntgegeben, den Nationalen Jugendrat aus "persönlichen Gründen" zu verlassen. Die Brüder Italiens stehen aufgrund der jüngsten Vorwürfe weiter unter Druck.
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