EU-Gipfel zu Ukraine-Hilfe:Wie die EU Ungarns Blockade kontern will
von Isabelle Schaefers, Brüssel
Die EU will auf ihrem kommenden Sondergipfel Finanzhilfen für die Ukraine freigeben. Doch bisher blockierte Ungarns Premierminister Orban.
In Brüssel hat der EU-Außenbeauftragte Borrell ein Scheitern bei Munitionslieferungen an die Ukraine eingeräumt. Die EU-Verteidigungsminister beraten über weitere Ukraine-Hilfen.31.01.2024 | 1:44 min
Dass die 27 Staats- und Regierungschefs der
EU nun wieder zu einem Sondergipfel nach Brüssel kommen müssen, das liegt alleine an ihm: Viktor Orban, dem ungarischen Ministerpräsidenten. Eigentlich sollten die geplanten 50 Milliarden Euro für die Ukraine längst freigegeben sein - als Finanzhilfe für die kommenden vier Jahre.
Doch Orban blockierte. Bis jetzt? Es steht viel auf dem Spiel - für die EU, für Ungarn und die Ukraine.
Schon der EU-Gipfel im Dezember sollte ein starkes Signal an die Ukraine senden: Beitrittsverhandlungen sollten auf den Weg gebracht und die 50 Milliarden Finanzhilfen freigegeben werden für das Land, was sich auch nach zwei Jahren weiter gegen den russischen Angriff verteidigen muss. Beides geht in der EU nur einstimmig. Und so hatte Orban den Gipfel fest in seiner Hand. Denn bereits im Vorfeld macht er klar, dass er nicht zustimmen wolle.
Orbans Erpressungsstrategie
Öffentlich argumentierte Orban meist an der Sache orientiert. Anstatt mehr Geld zu schicken und damit den
Ukraine-Krieg noch weiter zu finanzieren, solle die EU sich lieber dafür engagieren, den Krieg zu beenden, so sein Argument gegen die Finanzhilfe. Und für Beitrittsverhandlungen erfülle die Ukraine ihm zufolge schlicht nicht alle Voraussetzungen.
Doch in Brüssel sind sich die meisten sicher: Orban gehe es nicht um die Sache. Er nutze die Ukraine-Frage vielmehr, um Geld für sein Land freizupressen. Der ungarische Ministerpräsident selbst ließ diese Strategie teilweise durchblicken. Und sie schien auch aufzugehen, als die EU-Kommission nur einen Tag vor dem letzten Gipfel zehn Milliarden Euro für Ungarn freigab. Gelder, die wegen Rechtsstaatsmängeln eigentlich eingefroren waren.
Diplomatische Manöver reichen nicht mehr
Aber Orban reichte das nicht. Beim
Gipfel im Dezember hielt er seine Blockade für die Finanzhilfe aufrecht. Um die Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine trotzdem auf den Weg zu bringen, ließ er sich zumindest auf einen für alle gesichtswahrenden diplomatischen Kunstgriff ein: er verließ während der Abstimmung den Raum. Das sei aber nur eine Maßnahme für besondere Momente, kein neues Standard-Prozedere, betonte der deutsche Bundeskanzler im Anschluss.
Um die 50 Milliarden auf den Weg zu bringen, reicht ein solches Manöver also nicht. Hier braucht es alle 27 Mitgliedstaaten im Boot. Doch beim anstehenden Gipfel wartet auf Orban keine erneute Freigabe von eingefrorenen Geldern. Stattdessen warten auf ihn 26 entschlossene Staats- und Regierungschefs, die betonen, sich nicht (mehr) erpressen lassen zu wollen.
Druck auf Ungarn wird erhöht
Sollte Orban dennoch hart bleiben, gibt es zwei Lösungen: Die 26 könnten das Geld ohne Orban freigeben - dann allerdings in einem aufwändigen Verfahren außerhalb des EU-Budgets. Das würde dauern. Oder: Die 26 lassen sich auf die neue Bedingung von Orban ein, die Auszahlung jedes Jahr neu einstimmig zu billigen. Das würde ihm allerdings immer wieder ein Veto ermöglichen. Deshalb wird weiter auf ein Einlenken Ungarns gesetzt.
Um klarzumachen, dass Orban nicht am längeren Hebel sitzt, hat das EU-Ratssekretariat Anfang der Woche ein Papier lanciert: laut einem EU-Beamten diene es lediglich dazu, den aktuellen Zustand der ungarischen Wirtschaft zu betrachten. Laut "Financial Times", die Einsicht nehmen konnte, geht es vielmehr um ein Drohszenario, wie die ungarische Wirtschaft leiden könnte, wenn Orban die EU weiter blockiert. Auf
X (ehemals Twitter) bezeichnete Orban das als Erpressung - er wolle weiter die Interessen seines Landes vertreten.
Der ungarische Botschafter in Deutschland, Péter Györkös, wehrt sich nach dem EU-Gipfel gegen Kritik aus Deutschland und fühlt sein Land missverstanden. Er warnt vor zu viel Druck.17.12.2023 | 0:41 min
Es geht um mehr als um die Ukraine
Sollte der Druck also nicht ausreichen, könnten die 26 anderen Staaten Ungarn in der letzten Konsequenz das Stimmrecht entziehen. Das wäre wie eine Entmachtung auf EU-Ebene, und es wäre das erste Mal in der Geschichte. Viele sehen das skeptisch. Noch. Denn gleichzeitig steigt der Druck, die versprochenen Milliarden an die Ukraine endlich freizugeben - und wieder handlungsfähig zu werden. Dass einer alle anderen über Monate blockieren kann, das schadet der ganzen EU.
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban soll sich auf dem EU-Gipfel nächste Woche gegen Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine aussprechen. Das fordert seine Fidesz-Partei.