Ungarns Regierungschef Orban:"Sicherheitsrisiko" oder nur "streitlustig"?
von Stefanie Reulmann, Berlin
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Immer wieder scheitern EU-Beschlüsse am Veto Ungarns. Forderungen, diese Abhängigkeit zu beenden, werden laut. Ungarns Botschafter fühlt sein Land missverstanden.
Ungarns Ministerpräsident Orban auf dem EU-Gipfel
Quelle: Reuters
Ungarn habe kein Problem mit Kritik, sagt der ungarische Botschafter in Deutschland, Péter Györkös, im ZDF-Interview. Im Gegenteil: "Wir sind streitlustig." Aber es müsse eine produktive Debatte geführt werden. Wer versuche, "uns in die Knie zu zwingen, der wird sicherlich scheitern", sagt er.
Der ungarische Botschafter in Deutschland, Péter Györkös, wehrt sich nach dem EU-Gipfel gegen Kritik aus Deutschland und fühlt sein Land missverstanden. Er warnt vor zu viel Druck.17.12.2023 | 0:41 min
Wie umgehen mit Viktor Orban?
Der jüngste EU-Gipfel hat gezeigt, wie schwierig sich die Beschlussfassung in der Europäischen Union gestalten kann, wenn einer wie der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban mit am Tisch sitzt. Das gilt vor allem für einstimmige Beschlüsse.
Bei diesem Gipfel wollten die 27 Mitglieder abstimmen, ob Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau aufgenommen werden sollen. 26 Staaten waren dafür, einer hat sich dagegen ausgesprochen: Ungarn. Auf Initiative von Bundeskanzler Olaf Scholz ließ sich Orban dazu bewegen, während der Abstimmung den Raum zu verlassen, um nicht mit abzustimmen. Das Ergebnis: Die EU-Staats- und Regierungschefs gaben grünes Licht für Beitrittsgespräche.
Doch nicht immer gibt es einen Trick wie diesen, oft steht Orban den anderen europäischen Staaten im Weg. Er scheint die Macht zu genießen, die er erhält, wenn Entscheidungen von seiner Stimme abhängen. Kritiker werfen ihm vor, auch Erpressung als Mittel zu verwenden.
Ungarns Botschafter weist Erpressungsvorwürfe zurück
Das weist Ungarns Botschafter Péter Györkös jedoch entschieden zurück. Im Gegenteil, Ungarn sei in den letzten Jahren "erpresst worden mit den Finanzhilfen aus Brüssel", sagt er. Er kritisiert Aussagen seitens der EU, man müsse "Ungarn finanziell aushungern" oder "die ungarische Wirtschaft ruinieren". Das sei nicht zielführend, stattdessen müsse endlich über "pragmatische Lösungen" gesprochen werden.
Vor Beginn des Gipfels wurde bekannt, dass Ungarn eingefrorene EU-Gelder, die das Land aufgrund fehlender Rechtstaatlichkeit nicht bekommen hat, nun teilweise doch erhalten soll. Wollte man Orban dadurch zum Mitmachen bewegen? In jedem Fall befindet sich Europa in einem Dilemma.
Roth: Orban ist "Sicherheitsrisiko für Europa"
Unter den Mitgliedsstaaten sind mittlerweile viele genervt von Ungarns Regierungschef. SPD-Außenexperte Michael Roth bezeichnet ihn im ZDF-Interview als "eines der größten Sicherheitsrisiken für Europa" - nach dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Die Europäische Union sowie viele Regierungschefs hätten viel zu lange "Nachsicht mit Viktor Orban geübt, der ja nicht zum allerersten Mal die Europäische Union zu erpressen versucht", sagt Roth. Er bezeichnet Orban als "Zögling von Putin" und fordert: "Das muss uns langsam zu denken geben."
Roth fordert die EU auf, "jetzt auch zu einem neuen Umgang mit diesem Ministerpräsidenten" zu finden. Ähnlich sieht man das in der Union. CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sagt, dass vom EU-Gipfel "kein Zeichen europäischer Geschlossenheit" ausgegangen sei, was dem russischen Präsidenten Putin in die Hände spiele. "In Moskau knallen die Sektkorken", sagt er im ZDF.
Kiesewetter warnt vor Abhängigkeiten
Kiesewetter fordert deshalb, die europäischen Staaten müssten sich darüber Gedanken machen, "ob dieses einstimmige Votum noch tragfähig ist", und ob man sich, wie jetzt bei Ungarn, so in die Abhängigkeit von einem einzelnen Land begeben könne.
Ganz anders die Haltung der AfD, die sich auf Seiten des ungarischen Ministerpräsidenten schlägt. Parteichef Tino Chrupalla sagt, Viktor Orban handele "im Interesse Europas" und "im Interesse der Mitgliedsstaaten". Was die Ukraine anbelange, bestehe die Gefahr, dass wir "uns immer weiter in diesen Krieg hineinmanövrieren" ließen, sagt der AfD-Chef.
Darin sieht auch Ungarns Botschafter einen zentralen Punkt, dass "die EU und die Nato eine falsche Strategie umsetzen wollen". Man habe immer nur den "sogenannten Plan A" im Blick, betont er, und fordert Debatten über einen Plan B.
Ukraine-Hilfszahlungen an Veto Ungarns gescheitert
Bei der Abstimmung über Hilfszahlungen für die Ukraine lief es dann wieder wie so häufig: Ungarn stimmte nicht zu, aber nicht, weil es Finanzhilfen grundsätzlich ablehne, so der Botschafter: "Wir sind nicht gegen die Finanzierung, wir sind dafür, nur nicht im Rahmen des gemeinsamen Haushaltes."
Doch für die Ukraine war es trotz des ungarischen Vetos ein erfolgreicher Tag. Die Mitgliedsstaaten haben klargemacht, dass sie für die Hilfszahlungen der EU in Höhe von 50 Milliarden Euro notfalls einen anderen Weg finden werden - falls Ungarn bei seinem Veto bleibt.
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