Der Kampf gegen die mächtigen Kokainkartelle hat Ecuador fest im Griff. Auf dem Festland tobt ein blutiger Krieg, auf hoher See jagt die Marine die Schmuggler. Das ZDF war dabei.01.03.2024 | 2:51 min
Ecuador ist eines der kleinsten Länder Lateinamerikas, gelegen an der Ostküste des Kontinents. Touristen schätzten das Land bisher für seine Sicherheit und seine natürliche Vielfalt. Doch der Staat durchlebt gegenwärtig eine schwere politische Krise und eine Zunahme der organisierten Kriminalität.
Die Ausbreitung von Drogenbanden und
politische Morde haben zu Instabilität und ständiger Angst in der Bevölkerung geführt. Wie geriet Ecuador in die Fänge des weltweiten Drogenhandels und was sind die Folgen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was macht Ecuador für Drogenkartelle so attraktiv?
Zum einen spielt die geografische Lage den Drogenkartellen in die Karten. Als Nachbar des Kokaproduzenten Kolumbien und Peru ist Ecuador ein idealer Standort für den Transport von Kokain. Die Seehäfen des Landes werden genutzt, um die Drogen zu exportieren, häufig versteckt zwischen Bananen.
Zum anderen erleichtert die Landeswährung kriminellen Banden ihr Treiben. 2020 hat Ecuador als Folge der damaligen Hyperinflation den US-Dollar als offizielle Währung eingeführt. Die Herkunft von Geld ist seitdem schwerer festzustellen, Geldwäsche wird erleichtert.
Wann hat sich die Kriminalität im Land ausgebreitet?
Seit 2016 ist das Andenland zum Schauplatz des Drogenhandels geworden. Zwei Schlüsselmomente haben die Geschichte des Staates verändert. So veränderte der Friedensvertrag, den die kolumbianische Regierung 2016 mit der paramilitärischen Gruppe FARC unterzeichnete, die Landschaft des Drogenhandels. Bis dahin kontrollierte die FARC den Kokainhandel.
In Ecuador sind mehr als 300 mutmaßliche Mitglieder krimineller Banden festgenommen worden. Fünf seien getötet worden, zahlreiche Waffen sichergestellt und Geiseln befreit worden.11.01.2024 | 0:20 min
Durch das Abkommen wurde die Gruppe aufgelöst und der Handel dezentralisiert. Die Folge war eine Ausweitung auf die Nachbarländer.
Das mexikanische Sinaloa-Kartell, das den Drogenhandel auch außerhalb Mexikos, etwa in Kolumbien und Ecuador, dominierte, verlor im selben Jahr einen Teil seiner Macht. Dadurch entstand ein Vakuum, das andere kriminelle Gruppen aus Ecuador und die albanische Mafia anzog.
Drogenkartelle: Wer sind die Hauptakteure?
Mit der Dezentralisierung des Drogenhandels begannen zwei Hauptgruppen im Land zu operieren: Los Choneros, eine lokale Bande, die mit dem mexikanischen Sinaloa-Kartell zusammenarbeitet, und die ecuadorianischen Los Lobos, die mit der mexikanischen Gruppe Jalisco Nueva Generación verbunden sind.
Die Zersplitterung der Kriminalität führte zunächst zu internen Konflikten zwischen den Banden und zur Bildung kleinerer Gruppen. Inzwischen haben die jedoch einen gemeinsamen Feind: den ecuadorianischen Staat. Da kriminelle Gruppen ein Interesse daran haben, ihren Einflussbereich auszuweiten, wird jede staatliche Institution, die sich der Kooptation widersetzt, zum Angriffsziel.
In Ecuador eskaliert die Gewalt rivalisierender Banden weiter. Montag hatte die Regierung den Ausnahmezustand verhängt, nachdem ein Drogenboss aus dem Gefängnis ausgebrochen war.10.01.2024 | 1:18 min
Drogenhandel: Warum boomt das Geschäft mit den Drogen aus Ecuador?
Laut dem UN-Büro für Drogen UNODC ist die weltweite Nachfrage nach Kokain in den letzten Jahren gestiegen, insbesondere in
Europa und den
USA. Das führt zu einem Anstieg der Produktion in lateinamerikanischen Ländern.
In der ecuadorianischen Gesellschaft geht die kommerzielle Expansion mit einer schwachen polizeilichen Kontrolle der Drogenhändlergruppen und dem Verlust der Aufsicht über das Gefängnissystem einher, was zu einer Stärkung der
organisierten Kriminalität führt. Das stärkt den internationalen Drogenhandel.
Wie reagiert der Staat auf die Drogenkriminalität?
Anfang Januar hat Präsident Daniel Noboa einen "Kriegszustand gegen die organisierte Kriminalität" in Ecuador ausgerufen und strenge Maßnahmen zur Bekämpfung der Drogenhandelsgruppen ergriffen. Seit der Deklaration wurden mehr als 9.000 Personen verhaftet.
Die Gewalt in Ecuador hat in den vergangenen Jahren dramatisch zugenommen. Nach Ausschreitungen in mehreren Haftanstalten gilt in dem Land nun der Ausnahmezustand.09.01.2024 | 0:19 min
Außerdem geht der Staat verstärkt gegen die Unterwanderung der Behörden durch Drogenkartelle vor. So wurde im vergangenen Jahr der ehemaligen Leiter der Drogenbekämpfung, General Pablo Ramírez, verhaftet.
Juliana Borges Catarino berichtet für das ZDF-Südamerika-Studio in Rio de Janeiro.