Krieg im Ostkongo: Rebellenmiliz M23 in Goma

    Konflikt im Kongo:Hunderttausende Menschen auf Flucht ohne Ziel

    von Verena Garrett
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    Der Langzeit-Konflikt zwischen der Armee der Demokratischen Republik Kongo und von Ruanda unterstützten Rebellen eskaliert dramatisch. Hunderttausende sind auf der Flucht.

    Kampf um Goma
    Nach dem Einmarsch der M23-Miliz wird in Goma im Osten der Demokratischen Republik Kongo offenbar weiter gekämpft. Im Osten des Kongo kämpfen Rebellen und Armee seit Jahren um Macht und die Kontrolle über Rohstoffvorkommen.28.01.2025 | 2:26 min
    Hinter ihr fallen Schüsse. Adèle Shimiya trägt, was noch übrig ist von ihrem Leben - einen Topf, Kleidung, mehr ist es nicht. Wie viele hier in der Provinz Nord- Kivu hatte sie ihre Heimat auf der Flucht vor den Kämpfen schon einmal verlassen, in der Nähe von Goma war sie in einem Flüchtlingslager untergekommen. Jetzt wird auch dort geschossen. Adèle hat kein Ziel.

    Wir haben von allen Seiten im Lager Bomben gehört, wir mussten weg, um dort nicht zu sterben. Wir wollten nach Goma, aber auch dort gibt es Bomben. Wir wissen nicht, wohin.

    Adèle Shimiya, Flüchtling

    Der Krieg ist in Goma angekommen. Seit Sonntag Nacht ist die Provinzhauptstadt teilweise von Rebellen eingenommen. Die Miliz mit dem Namen "Bewegung des 23. März", auf Französisch M23 abgekürzt, hat den Luftraum über Goma gesperrt, es ist von Plünderungen die Rede. Das Nachbarland Ruanda unterstützt die M23 mit Waffen und Truppen. Das hat die Chefin der Blauhelm-Mission im Kongo, Bintou Keita, bestätigt.
    Kongolesische Regierungstruppen fahren bewaffnet außerhalb von Goma in der Demokratischen Republik Kongo an UN-Fahrzeugen vorbei, während sich die M23-Rebellen, Berichten zufolge, der Stadt nähern.
    Kenia hat Frankreich und die USA um Unterstützung zur Beilegung des Konflikts im Osten der Demokratischen Republik Kongo gebeten. Beide Länder haben das zugesagt.28.01.2025 | 0:22 min

    Region von Gewalt geprägt

    Im Ostkongo kämpfen Rebellen und Armee seit Jahren um Macht und die Kontrolle über die reichen Rohstoffvorkommen, der Osten der Demokratischen Republik Kongo ist seit den 1990er-Jahren von Gewalt geprägt. Im Dezember erst waren Friedensverhandlungen zwischen Kongo und Ruanda unter Vermittlung Angolas gescheitert.
    Karte vom Kongo mit Kinshasa und Goma.
    Karte vom Kongo
    Quelle: ZDF

    Kongo und Ruanda, verfeindete Nachbarn

    Der Konflikt hat viele Ursachen, die Wurzeln gehen in die Kolonialzeit zurück: Damals teilten die belgischen Herrscher die verschiedenen Volksgruppen in der Region in Ethnien ein und hetzten sie gegeneinander auf. Die Belgier gingen schließlich, die Gewalt ist geblieben. Sie gipfelte 1994 im Genozid in Ruanda: Innerhalb von drei Monaten töteten Angehörige der Hutu-Ethnie fast eine Million Tutsi. Noch heute wirkt der Völkermord nach. Seit über dreißig Jahren ist das Kriegsgeschehen im Osten des Landes Kongo untrennbar mit dem Nachbarland Ruanda verknüpft.
    In Ruanda erinnern die Menschen an den Beginn des Völkermordes an den Tutsi vor 30 Jahren.
    In Ruanda erinnern die Menschen an den Beginn des Völkermordes an den Tutsi vor 30 Jahren. In 100 Tagen töteten von der Regierung angestachelte Hutu hunderttausende Menschen.07.04.2024 | 1:46 min
    Heute behauptet die kongolesische M23, sie müsse die Tutsi beschützen. Nach dem Genozid sind für das Massaker verantwortlichen Täter der Hutu-Ethnie in den Ostkongo geflüchtet. Sie haben die Miliz Forces démocratiques de libération du Rwanda (FDLR) gegründet, die, wie 100 andere Milizen, die Bevölkerung in der Region drangsaliert.
    Der ruandische Präsident Paul Kagame wirft der FDLR vor, sie wolle sein Tutsi-Regime stürzen. Die Republik Kongo bezichtigt Ruanda dagegen, das Nachbarland wolle sich die Bodenschätze unter den Nagel reißen.
    Ruandas Präsident Paul Kagame
    Ruanda gilt als Vorzeigestaat in Ostafrika: sauber, sicher, gut organisiert. Doch hinter der Fassade steht ein diktatorisches Regime, das politische Gegner gnadenlos verfolgt.28.05.2024 | 8:10 min

    Internationale Sorge

    Bei der Offensive der M23-Miliz wurden mehrere UN-Blauhelmsoldaten getötet, die Eskalation löst international Besorgnis aus. Der UN-Sicherheitsrat traf sich heute erneut zu einer vorgezogenen Dringlichkeitssitzung.

    Der Generalsekretär appelliert, die Souveränität der Demokratischen Republik Kongo zu respektieren und jede Form der Unterstützung bewaffneter Gruppen, ob kongolesisch oder ausländisch, einzustellen.

    Farhan Haq, Sprecher des UN-Generalsekretärs António Guterres

    Menschen, die durch die Kämpfe mit M23-Rebellen vertrieben wurden, machen sich auf den Weg ins Zentrum von Goma, Demokratische Republik Kongo
    Im Osten der Demokratischen Republik Kongo sind die vom Nachbarland Ruanda unterstützten Rebellengruppen auf die Millionenstadt Goma vorgerückt. Hunderttausende sind auf der Flucht.27.01.2025 | 0:19 min
    Auch die Europäische Union verlangte von der M23, ihren Vormarsch zu stoppen. "Ruanda muss seine Unterstützung für die M23 stoppen und sich zurückziehen", erklärte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas. Die EU verurteile Ruandas Militärpräsenz in der Demokratischen Republik Kongo "scharf als klare Verletzung des Völkerrechts, der UN-Charta und der territorialen Integrität" des Landes, betonte Kallas.
    Die kongolesische Außenministerin Thérèse Kayikwamba Wagner hatte das Eindringen ruandischer Soldaten in den Ostkongo eine "Kriegserklärung" genannt und Sanktionen gegen Ruanda gefordert, darunter ein Embargo auf Mineralienexporte aus dem Land.
    Flüchtlinge tragen ihre Habseligkeiten, nachdem sie die Grenze von Goma in der Demokratischen Republik Kongo nach Gisenyi, Ruanda, überquert haben, 27. Januar 2025.
    Tausende Menschen fliehen aus Goma im Ostkongo nach Ruanda.
    Quelle: epa

    Flüchtlingsorganisationen warnen

    Die Situation löste eine Massenflucht der Zivilbevölkerung aus: Laut den Vereinten Nationen wurden seit Januar 400 000 Menschen aus ihren Dörfern vertrieben. Flüchtlingsorganisationen warnen vor katastrophalen Zuständen.
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    In der europäischen Politik gilt Ruanda als sicheres Abschiebeland. Doch unter der 30-Jährigen Präsidentschaft von Paul Kagame nimmt das Land zunehmend diktatorische Züge an. 12.07.2024 | 8:14 min

    Sollte die Instabilität andauern, könnte der Konflikt auf die gesamte Region übergreifen. Das hieße, dass 6,7 Millionen Binnenflüchtlinge, die die Demokratischen Republik Kongo schon hat, in ein Nachbarland fliehen müssten, das jetzt schon stark auf humanitäre Hilfe angewiesen ist. Das wäre ein Katastrophe.

    Eujin Buyn, Sprecherin Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR

    Das Auswärtige Amt rief angesichts der eskalierenden Kämpfe alle deutschen Staatsangehörigen in Nord-Kivu zur Ausreise auf.
    Verena Garrett ist Korrespondentin im südlichen Afrika und Studioleiterin im ZDF-Studio Johannesburg.



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    Quelle: dpa

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