Ruanda-Modell: Geflüchtete in Großbritannien unerwünscht
Flüchtlingsdeal mit London:"Ruanda ist bereit" für die Unerwünschten
von Susann von Lojewski
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Wer in Großbritannien ohne gültige Papiere einreist, soll nach Ruanda geflogen werden. Dafür soll das Land zum sicheren Drittstaat erklärt werden - ein lukratives Geschäft.
Nach Rishi Sunaks Asylgesetz sollen Flüchtlinge nach Ruanda ausgeflogen werden. Das Land soll dafür nach internationalem Recht als sicherer Drittstaat gelten.
Quelle: dpa
Schon in wenigen Wochen erwarten sie im "Hope Hostel" am Stadtrand von Ruandas Hauptstadt Kigali die ersten Flüchtlinge aus Großbritannien. Auf der Insel wollen sie sie nicht haben, ihre Asylverfahren sollen bald in dem kleinen ostafrikanischen Land abgeschlossen werden.
Nach zahlreichen Protesten und auch Gerichtsurteilen hat die konservative Regierung von Rishi Sunak das Gesetz noch einmal geändert: Ruanda würde jetzt "nach internationalem Recht" verfahren. Nun könnte das britische Unterhaus die Pläne mit seiner Regierungsmehrheit durchbringen. Die Debatte ist in vollem Gange - eine Entscheidung wird in den kommenden Tagen erwartet. Schon jetzt tun britische Regierung und ihre Partner in Ruanda alles, um die Situation vor Ort im schönsten Licht scheinen zu lassen.
In Großbritannien hat das Unterhaus das umstrittene neue Asylgesetz gebilligt. Es sieht vor, dass illegal Eingereiste, egal welcher Herkunft, nach Ruanda abgeschoben werden können.18.01.2024 | 0:24 min
Ruanda will Geflüchtete gastfreundlich aufnehmen
Das viergeschossige "Hope Hostel", gelegen auf einem parkähnlichen Gelände, hat sich herausgeputzt: Ein kleines Gärtnerteam stutzt noch mal die Hecken, der Rasen leuchtet grün im Sonnenschein, gepflegte Fußball- und Basketballplätze stehen bereit. 50 Zimmer für 100 Personen, auf den Nachttischen liegen kleine Pflegeprodukte, im Schrank steht ein Bügelbrett, moderne Computer mit kostenlosem WLAN ermöglichen den Geflüchteten den Kontakt in die Heimat.
"Ruanda ist ein gastfreundliches Land", strahlt Ismael Bakina, der Direktor des "Hope Hostel".
Hunderte Millionen Euro von London für Ruanda
Bakina und sein Team sind stolz auf das, was sie geleistet haben. "Ruanda is ready" - Ruanda ist bereit - sagt er, und wirkt sehr entschieden. Die meisten Menschen hier haben selbst eine Flüchtlingsgeschichte hinter sich, die sie auch 30 Jahre nach dem Genozid nicht vergessen haben. Dass die Regierung nun durch den Deal mit Großbritannien ordentlich Geld in die Kassen gespült bekommt, macht es leichter. 220 Millionen Pfund, knapp 234 Millionen Euro, hat die Regierung Sunak bereits nach Ostafrika überwiesen.
Weitere 175 Millionen Euro sollen in den nächsten drei Jahren folgen. Hinzu kommen 140 Millionen Euro, sobald die ersten 300 Flüchtlinge in Ruanda angekommen sind. Zahlen des "Independent international watchdog for government", einer Art Bundesrechnungshof, der auch gleich durchgerechnet hat, dass Ruanda für jeden Flüchtling 175.000 Euro bekommt.
Zwei-Klassen-Unterbringung von Geflüchteten
"Beide Länder können doch davon profitieren", sagt Ismael Bakana, der großen Wert darauf legt zu betonen, dass er kein Politiker, sondern Hospitality-Manager sei, streng übersetzt "Gastfreundschafts-Manager".
135.000 Geflüchtete - vor allem aus den Nachbarländern Kongo und Burundi - hat Ruanda bereits aufgenommen. Die meisten flohen über direkte Grenzen und leben in den armseligen Aufnahmelagern der Vereinten Nationen. Dass es nun eine Art "Zwei-Klassen-Unterbringung" von Geflüchteten gibt - die einen von der UN bezahlt, die anderen für viel Geld von einem westlichen Staat -, ärgert das Weltflüchtlings-Hilfswerk UNHCR. Laut sagen aber will es das nicht - zu viel Angst, auch vor der ruandischen Regierung.
Tatsächlich hatten viele Menschenrechtsorganisationen das Vorhaben kritisiert. Und auch britische Gerichte bezeichneten Ruanda, in dem immer mal wieder Regierungskritiker unter ominösen Bedingungen ums Leben kommen oder verschwinden, als nicht sicheren Herkunftsstaat. Diese Bedenken will die britische Regierung unter Premier Rishi Sunak nun aber durch eine Gesetzesänderung ausgeräumt haben.
Die Botschaft: "Ruanda ist ready"
Der ruandische Oppositionspolitiker Frank Habineza lehnt das Abkommen weiter rundweg ab.
Viel bringen werden solche Einwände am Ende wohl nicht. Einzelne Abzuschiebende könnten noch klagen und damit die Flüge London-Kigali verzögern, doch dass in den nächsten Wochen Geflüchtete nach Ostafrika kommen werden, daran gibt es wenig Zweifel.
Ginge es nach dem Team um Ismael Bakana vom "Hope Hostel", dann könnte es schon morgen losgehen. Im Restaurant summt leise die Kaffeemaschine, Cappuccino und Espresso stehen zur Auswahl, dazu Gebäck. In jedem Zimmer haben sie neue Gebetsteppiche und Koranbücher ausgelegt. Was denn sei, wenn die Gäste Christen seien? Bakana ist kurz irritiert, dann schmunzelt er. "Dann können wir das ganz schnell gegen die Bibel austauschen, wie gesagt: Ruanda ist ready."
Susann von Lojewski ist Leiterin des ZDF-Studios Nairobi.
Bund und Länder suchen eine Lösung für die hohe Zahl Geflüchteter in Deutschland. Der Lösungsvorschlag von Christian Dürr (FDP) und Hendrik Wüst (CDU): das "Ruanda-Modell".