Rwanda Classified: Der lange Arm Ruandas nach Europa

    Rwanda Classified:Der lange Arm Ruandas nach Europa

    von S. Baumann, B. Obermayer, M. Retter
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    Ruanda hat einen guten Ruf - ob beim FC Bayern oder bei Jens Spahn. Doch internationale Recherchen zeigen: Das Regime in Kigali verfolgt Kritiker bis nach Europa.

    Ruandas Präsident Paul Kagame
    Ruanda gilt als Vorzeigestaat in Ostafrika: sauber, sicher, gut organisiert. Doch hinter der Fassade steht ein diktatorisches Regime, das politische Gegner gnadenlos verfolgt.28.05.2024 | 8:10 min
    Sichtlich zufrieden hält Ruandas Machthaber Paul Kagame Ende August 2023 ein mit zahlreichen Autogrammen versehenes Trikot des FC Bayern München in die Kamera. Es gibt etwas zu feiern: Ruanda wird bis 2028 einer der "Platin-Partner" des Vereins sein, wie es im Marketingdeutsch des Rekordmeisters heißt. Mit dem Schriftzug "VISIT RWANDA" auf der Bande sollen künftig Touristen aus Europa ins Land gelockt werden.
    Einer, der gerade im Land war, ist Jens Spahn, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union. Allerdings flog er nach Kigali, um sich mit Präsident Kagame über den sogenannten "Ruanda Deal" auszutauschen, den die britische Regierung vor wenigen Wochen beschlossen hat: Künftig sollen alle Geflüchteten, die irregulär nach Großbritannien eingereist sind, in das ostafrikanische Land ausgeflogen werden können. Für die konservative britische Regierung die Lösung der Migrationskrise. Jens Spahn möchte dem Beispiel folgen.
    Premierminister Rishi Sunak (l) spricht neben dem stellvertretenden Premierminister Oliver Dowden während einer Sitzung des Ausschusses für illegale Einwanderung.
    Großbritannien will Migranten, die ohne Papiere ins Land kommen künftig nach Ruanda abschieben - egal wo sie herkommen. Das Gesetz wurde letzte Nacht verabschiedet.23.04.2024 | 1:42 min

    Warum starb John Williams Ntwali?

    Ruanda ist es unter Kagame gelungen, 30 Jahre nach dem Genozid als aufstrebender Staat mit großer Zukunft wahrgenommen zu werden. Doch der Präsident machte Ruanda auch zu einem Land, in dem Widerspruch und Opposition gefährlich werden können.
    Investigativjournalist John Williams Ntwali war einer derjenigen, die es noch wagten, vor Ort Unrecht aufzudecken. Schon länger fürchtete er, selbst zur Zielscheibe zu werden. Offenbar erzählte Ntwali vor seinem Tod, dass der Geheimdienst ihn gewarnt hätte: "Wir werden dich überfahren, wenn du auf deinem Motorrad sitzt." Am 17. Januar 2023 verliert sich seine Spur. Wenig später ist er tot.
    Laut offizieller Darstellung ruandischer Behörden starb Ntwali in jener Nacht bei einem Verkehrsunfall. Doch an dieser Version gibt es Zweifel, die so stark sind, dass sich auf Initiative der gemeinnützigen Investigativredaktion "Forbidden Stories" 17 internationale Medien zusammengetan haben, um zu seinem Tod zu recherchieren. Nicht nur seine Freunde und Unterstützer halten einen gezielten Mord an Ntwali für möglich, auch Menschenrechtsorganisationen.




    Ruandas Arm reicht bis nach Deutschland

    Ntwali ist nicht der einzige, der womöglich zum Schweigen gebracht wurde - auch andere Kritiker Ruandas wurden wohl ausspioniert, inhaftiert und gar getötet. Viele Journalisten fliehen. In einem afrikanischen Land beschützt eine deutsche, vom Auswärtigen Amt finanzierte Organisation zwei von ihnen. Unabhängig davon fordert das Auswärtige Amt, Berichten über Fälle extralegaler Tötungen nachzugehen und "diese voll umfassend aufzuklären". Die ruandische Regierung ließ eine Anfrage unbeantwortet.
    Der Einflussbereich des ruandischen Regimes, so zeigen die Recherchen, reicht dabei bis nach Europa und Deutschland. Gespräche mit ruandischen Geflüchteten unterstreichen das. "Viele schweigen, weil sie Angst haben", sagt etwa Emmanuel Ndahayo. Er floh vor rund 20 Jahren, weil er politisch verfolgt wurde.
    Rwanda marks the 30th anniversary of the 1994 Genocide, in Kigali
    Ruanda hat zu Beginn einer Woche der Trauer des Völkermords vor 30 Jahren gedacht. Am 7. April 1994 begann das Massenmorden durch von der damaligen Regierung angestachelte Milizen der Hutu-Volksgruppe - mindestens 800.000 Menschen getötet.08.04.2024 | 4:35 min

    Drohanrufe, schikanöse Behandlung durch Botschaft

    Mehrere Exil-Ruander erzählen ZDF frontal von Repressionen, auch in Deutschland. Dazu gehörten anonyme Drohanrufe, schikanöse Behandlung durch die Botschaft in Berlin und Einschüchterungsversuche nach Treffen mit oppositionellen Exil-Ruandern. Die ruandische Botschaft war auf ZDF-frontal-Anfrage nicht zu erreichen. Viele fürchten sich offenbar vor Konsequenzen für ihre Familie und Freunde in Ruanda.
    Ein Fall aus dem Jahr 2016 zeigt, wie das Regime aus Kigali agiert. Damals wurde am Frankfurter Flughafen ein Exil-Ruander festgenommen, dem die ruandische Regierung die Beteiligung am Völkermord vorwarf. Interpol hatte die entsprechende Fahndungsnotiz zwar bereits 2015 zurückgezogen. Es hatte sich herausgestellt, dass der Mann zum angeblichen Tatzeitpunkt schon längst das Land verlassen hatte. Deutschland entschied sich trotzdem, die Meldung aufrechtzuerhalten.
    Für den Exil-Ruander hatte das dramatische Konsequenzen: Er verbrachte acht Monate in Haft, bis das Auswärtige Amt sich durchrang, die Auslieferung nach Ruanda abzulehnen. Erst daraufhin hob ein Gericht den Haftbefehl auf. Als Interpol im November 2015 - kein halbes Jahr nach der ursprünglichen Löschung jener substanzlosen Fahndungsnotiz - seine Generalversammlung in Ruandas Hauptstadt Kigali ausrichtete, bedankte sich Kagame für die "verlässliche Zusammenarbeit".

    Ruanda-Marketing mit EU-Millionen unterstützt

    All das passt nicht zum Bild eines Musterstaats, das Ruanda gern von sich zeichnet. Zu verdanken ist das einer Image-Maschinerie, die nicht nur von Helfern der ruandischen Diaspora angetrieben wird, sondern auch von westlichen Unternehmen, Institutionen und Politikern. Selbst die Europäische Union trägt ihren Teil dazu bei.
    Das belegen zwei Ausschreibungen, die unter anderem das Marketing von Ruanda unterstützen - mit mehr als einer Million Euro aus EU-Geldern. Aus dem zuständigen Büro heißt es auf Nachfrage, die Ausschreibungen unterstützten den Tourismus, wodurch Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen gefördert würden.

    Spahns Reise nach Ruanda

    Und Ruandas glitzerndes Image verfängt - bei Unternehmen, in der Politik oder im Fußball. Der FC Bayern teilte auf Anfrage jedenfalls mit, der Verein wolle "Chancen und Perspektiven in Ruanda" schaffen und habe dabei unter anderem auf Einschätzungen von EU, Bundesministerien und der Botschaft in Kigali vertraut.
    Ruandas Präsident Paul Kagame
    Ruandas Präsident Paul Kagame war im April zu Besuch bei Bayern Münchens Champions-League-Spiel bei Arsenal London.
    Quelle: AFP

    Zudem lasse der Verein seine Partner in Ruanda nicht im Unklaren "über unsere Werte und Grundhaltung". Zuvor hatte FCB-Vorstandschef Jan-Christian Dreesen öffentlich versichert, man habe sich vor Abschluss des Werbevertrags "sehr intensiv mit Ruanda beschäftigt".
    Und der Ruanda-Reisende Jens Spahn? Für den Politiker der CDU scheint die dunkle Seite des aufstrebenden afrikanischen Staats zweitrangig. Abkommen mit Drittstaaten wie Ruanda seien die "einzige humanitäre Lösung", um "das Sterben im Mittelmeer und das Recht des Stärkeren zu beenden." Dass Migranten in einem Drittstaat sicher sind, sei im Zuge der Verhandlungen von Abkommen sicherzustellen.
    Auf dem Bild ist ein Boot mit geflüchteten Personen auf dem Mittelmeer zu sehen.
    Kaum ein Thema spaltet Europa so sehr wie die Migration. 2015 herrschte Willkommenskultur, seitdem schwenkt die EU zu einem härteren Umgang mit Geflüchteten.16.05.2024 | 45:19 min

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