Ruanda wählt: Warum Diktator Kagame so beliebt ist

    Vor Präsidentschaftswahl:Warum Ruanda seinen Diktator Kagame liebt

    Es ist der Autor Alexander Glodzinski im Porträt zu sehen
    von Alexander Glodzinski
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    Vor der Wahl in Ruanda zweifelt niemand an der Wiederwahl des langjährigen Präsidenten Paul Kagame - nicht nur, weil er beliebt ist. Das Land: zwischen Fortschritt und Diktatur.

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    In der europäischen Politik gilt Ruanda als sicheres Abschiebeland. Doch unter der 30-Jährigen Präsidentschaft von Paul Kagame nimmt das Land zunehmend diktatorische Züge an. 12.07.2024 | 8:14 min
    Ruandas Entwicklung gilt vielen als Erfolgsgeschichte. Drei Jahrzehnte nach dem Völkermord ist Ruanda eines der modernsten Länder Afrikas. Aber das Märchen vom Aufstieg einer traumatisierten Gesellschaft zum Stabilitätsanker in Ostafrika kostet einen hohen Preis. Dieser ist untrennbar verbunden mit dem Präsidenten, der wohl auch nach der Wahl am 15. Juli im Amt bleiben wird.

    Paul Kagame: Heldenimage nach Genozid in Ruanda

    Wenn Ruandas Staatschef Paul Kagame im Wahlkampf das Podium betritt, jubeln seine Anhänger. Kagame hat sogar einen eigenen Song, es gibt aufblasbare Maskottchen, überall wehen die rot-weiß-blauen Fahnen seiner Regierungspartei, der Ruandischen Patriotischen Front (RPF).
    Für seine Leute ist Kagame ein Held, der Ruanda vor dem Grauen des Genozids gerettet hat und dem Land Hoffnung schenkt. Interviews gibt er nur selten. Dafür weiß seine Regierungssprecherin, wie sie das Image ihres Präsidenten prägt.

    Er ist ein Held. Was er für dieses Land getan hat und die Erfolge seiner Regierung stehen für sich.

    Yolanda Makolo, Regierungssprecherin Ruandas

    Ruandas Präsident Paul Kagame
    Ruanda gilt als Vorzeigestaat in Ostafrika: sauber, sicher, gut organisiert. Doch hinter der Fassade steht ein diktatorisches Regime, das politische Gegner gnadenlos verfolgt.28.05.2024 | 8:10 min

    Meinungsfreiheit in Ruanda deutlich eingeschränkt

    Wer andere Meinungen vertritt, lebt gefährlich in Ruanda. Dissidenten werden im In- und Ausland verfolgt. Mehr als ein Dutzend Oppositionelle sitzen laut Human Rights Watch in Ruandas Gefängnissen. Victoire Ingabire etwa hat selbst zu spüren bekommen, was es heißt, Kagame zu kritisieren.

    Manche landen im Gefängnis, andere verschwinden oder werden ermordet.

    Victoire Ingabire, Oppositionelle

    Sie hatte andere Vorstellungen, wie das Land den Völkermord aufarbeiten sollte, wurde dafür als Verschwörerin verurteilt und musste ins Gefängnis. Kagames Regime hat sie als Landesverräterin abgestempelt.

    Wahl in Ruanda: Wiederwahl Kagames erwartet

    Zwei Gegenkandidaten hat Paul Kagame bei der bevorstehenden Wahl. Keiner davon hat Aussichten auf einen Sieg. Seit seiner Wahl zum Präsidenten 2000 wurde Kagame jedes Mal mit mehr als 90 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt. Er verspricht Sicherheit, Wohlstand und Überleben. Das war nicht immer selbstverständlich.

    Großbritannien
    :Starmer stoppt Pläne für Ruanda-Abschiebungen

    Einen Tag nach seiner Amtsübernahme hat der britische Premier Keir Starmer das umstrittene Ruanda-Projekt gestoppt. Asylbewerber sollten in das afrikanische Land geschickt werden.
    Der britische Premierminister Keir Starmer hält im Anschluss an seine erste Kabinettssitzung als Premierminister in London eine Rede
    mit Video

    Wende nach dem Völkermord in Ruanda

    Chantale Uwanyirigira lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern südlich der Hauptstadt Kigali. Wenn sie von den Schrecken des Genozids spricht, wirkt es wie ein Wunder, was Ruanda in nur 30 Jahren vollbracht hat. "Ich dachte solche Dinge wären unmöglich", erzählt sie uns. "Aber sie sind geschehen."
    Am Brustkorb zeigt sie uns eine dunkle Narbe. Sie stammt von einem Speer, mit dem sie ein Nachbar töten wollte. Von ihrem Mund bis zum Ohr verläuft eine weitere Narbe. Die Hiebe mit der Machete hat sie schwer verletzt überlebt. Panisch ist sie damals mit ihren neugeborenen Zwillingen vor den Hutu-Milizen geflohen, hat sich in einer Kirche versteckt. Aber die Täter haben sie erwischt und eines ihrer Kinder vor ihren Augen brutal ermordet.

    Wir haben die Vergangenheit hinter uns gelassen, weil wir als Ruander beschlossen haben zu vergeben und zu vergessen.

    Chantale Uwanyirigira, Überlebende

    Rwanda marks the 30th anniversary of the 1994 Genocide, in Kigali
    Am 7. April 1994 begann in Ruanda das Massenmorden durch von der damaligen Regierung angestachelte Milizen der Hutu-Volksgruppe - mindestens 800.000 Menschen wurden getötet.08.04.2024 | 4:35 min
    In nur 100 Tagen wurden 800.000 Menschen ermordet - viele weitere gejagt, vergewaltigt, traumatisiert. Es war Paul Kagame, damals General, der mit seiner Rebellenmiliz in Kigali einmarschierte und den Terror beendete. Er wird Verteidigungsminister und Vize-Präsident, sechs Jahre später zum Staatschef gewählt. Dass Opfer und Täter heute gelernt haben, miteinander umzugehen, rechnet Chantale Kagame hoch an.

    Einheit als Drohung und Versprechen

    Wer über Themen berichtet, die dem Bild des Präsidenten widersprechen, muss mit Konsequenzen rechnen. Es ist nicht gut bestellt um die Pressefreiheit in Ruanda. Journalisten, die über Korruption und Menschenrechte schreiben, werden bedroht, verfolgt, oder sterben mit ungeklärter Todesursache.
    Kagames Regierung duldet keine offene Kritik. Der Präsident erinnert immer wieder daran, dass Sicherheit und Stabilität an erster Stelle stehen. Und gleichzeitig fordert er, sein politisches Erbe zu würdigen.

    Erinnert euch an eure Pflicht, das, was wir geschafft haben, aufrechtzuerhalten.

    Paul Kagame, Präsident Ruandas

    Premierminister Rishi Sunak (l) spricht neben dem stellvertretenden Premierminister Oliver Dowden während einer Sitzung des Ausschusses für illegale Einwanderung.
    Im April hatte der ehemalige Premierminister Großbritanniens Rishi Sunak ein Gesetz verabschiedet, dass eine Abschiebung von Migranten, die ohne Papiere ins Land kommen, nach Ruanda möglich macht. Das Abkommen ist nun gestoppt.23.04.2024 | 1:42 min

    Der Preis des Fortschritts ist die Freiheit

    In Ruandas Hauptstadt Kigali glitzern moderne Bürotürme, der Verkehr fließt auf gut gepflegten Straßen. Kein Plastikmüll, stattdessen Elektroautos. Kagame verkauft Ruanda vor allem als sicheren Ort - für Investoren und Geschäftsleute, für Flüchtlinge aus Europa, für alle, die seiner Politik folgen. Ruanda hat früh auf neue Technologien gesetzt.
    Der Fortschritt ist eine Verheißung in Ruanda, aber er ist nicht umsonst. Ruandas Präsident Paul Kagame weiß, dass er einer noch immer tief traumatisierten Gesellschaft ein Ziel geben muss. Eine Idee von Ruanda, an der sich möglichst viele Menschen im Land beteiligen wollen. Der Preis für Ruandas Fortschritt scheint eine Diktatur, in der politische Freiheiten dem Wohl des Landes untergeordnet werden.
    Alexander Glodzinski berichtet für das ZDF-Studio in Nairobi über Ost-, Zentral- und Westafrika.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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