Anschläge bei Moskau: Was ist über den IS-Ableger bekannt?
Anschläge bei Moskau:ISPK: Was ist über den IS-Ableger bekannt?
von Jan Schneider
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Zu dem tödlichen Anschlag bei Moskau hat sich ein Ableger des IS bekannt. In den letzten Jahren gab es auch in Deutschland immer wieder Festnahmen im Zusammenhang mit der Gruppe.
Die Terrormiliz Islamischer Staat hat sich zu dem Anschlag auf eine Konzerthalle bei Moskau bekannt. Wer steckt hinter dieser IS-Splittergruppe und warum war Russland das Ziel?23.03.2024 | 1:47 min
Bei einem Terroranschlag bei Moskau sind am Freitagabend mindestens 137 Menschen getötet und 182 verletzt worden.
Die Angreifer schossen und warfen einen Brandsatz - die Konzerthalle Crocus City Hall stand bis Samstagmorgen in Flammen.
Ein Ableger der Terrormiliz IS - die Terrorgruppe ISPK - reklamiert die Tat für sich.
Russlands Präsident Putin deutete dennoch eine ukrainische Spur hinter dem Angriff an - ohne Beweise vorzulegen.
Elf Menschen wurden festgenommen.
Russland begeht am Sonntag einen nationalen Trauertag zu Ehren der Opfer.
Bereits wenige Stunden nach den ersten Schüssen in einer Konzerthalle bei Moskau bekannte sich ein Ableger des sogenannten Islamischen Staats (IS) zu der Terrorattacke, bei der nach aktuellen Einschätzungen mindestens 133 Menschen getötet wurden. Russland gab am Samstag bekannt, dass im Zusammenhang mit der Tat elf Personen festgenommen worden seien, darunter vier der bewaffneten Männer, die im Konzertsaal um sich geschossen hätten.
Veröffentlicht wurde das Bekennerschreiben über ein offizielles Propagandaportal des IS, die Amaq News Agency. Als verantwortlich zeigt sich der Ableger "Islamischer Staat Provinz Khorasan", abgekürzt ISPK oder ISIS-K. Terrorismusexperten wie etwa Peter R. Neumann vom Londoner King's College schätzen die Botschaft des IS als authentisch ein.
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Für Neumann ist der ISPK der aktuell der aktivste Zweig des IS. Khorasan bezeichnet eine historische Region in Zentralasien, die neben Afghanistan auch Usbekistan, Kirgisien und Tadschikistan umfasste. Aus Tadschikistan sollen mehrere der festgenommenen mutmaßlichen Terroristen stammen.
Der Anschlag in Moskau wurde mit großer Wahrscheinlichkeit vom sogenannten "Islamischen Staat" verübt, so die Einschätzung des Terrorismusexperten Peter Neumann. 23.03.2024 | 2:36 min
Der ISKP soll Zellen in Afghanistan und Pakistan unterhalten und über erhebliche Kapazitäten für Operationen im Ausland verfügen. Mehr als 1.000 Menschen sollen sich der etwa 2015 gegründeten Organisation zugehörig fühlen. Auch sollen enge Verbindungen zu Extremisten in Zentral- und Südasien und den Iran bestehen.
Die Motivation dahinter sei allerdings nicht nur die eigene Ideologie, sondern auch der Kampf um die Vorherrschaft zwischen verschiedenen dschihadistischen Gruppen. Die weltweite Aufmerksamkeit liegt aktuell eher bei Gruppen wie der Hamas, Hisbollah oder den Huthis.
Die Terrorgruppe "Islamischer Staat Provinz Khorasan" (ISPK) aus Afghanistan gilt als besonders radikal. Immer wieder droht sie mit Anschlägen auch im Westen. 27.12.2023 | 0:54 min
Warum sollte der IS einen Anschlag in Russland verüben?
Laut einer Analyse im Magazin "foreign policy" ist Russland aus mehreren Gründen ins Fadenkreuz des ISPK geraten: wegen Russlands historischer Verstrickungen in Afghanistan, dem brutalen Vorgehen gegen die mehrheitlich muslimische Bevölkerung in mehreren Tschetschenien-Kriegen und der anhaltenden Unterstützung des Kremls für den Diktator Bashar al-Assad in Syrien.
Putin hatte mit der russischen Intervention in den syrischen Bürgerkrieg 2015 dessen Lauf zu Ungunsten des IS verändert. ISPK sei seit zwei Jahren auf Russland fixiert und kritisiere in seiner Propaganda häufig Putin, erklärt der Terrorismusexperte Colin P. Clarke in dem Text. In seinen Propaganda-Erklärungen betonte der ISPK immer wieder die enge Beziehung Russlands zum Taliban-Regime und rief zu Angriffen gegen beide auf.
Nach dem Terroranschlag könnte Russland noch aggressiver gegen die Ukraine vorgehen, warnt Sicherheitsexperte Nico Lange.23.03.2024 | 2:41 min
Gab es im Vorfeld des Anschlags Warnungen?
Russland ist nach Angaben aus Geheimdienstkreisen vorab von den USA vor einem möglicherweise bevorstehenden Anschlag der Terrororganisation Islamischer Staat gewarnt worden. US-Geheimdienste hätten in den vergangenen Wochen herausgefunden, dass die IS-Zelle in Afghanistan einen Anschlag in Moskau plane, sagte ein ranghoher US-Geheimdienstvertreter der Nachrichtenagentur AP. Über vertrauliche Kanäle habe man diese Informationen kürzlich an Russland weitergegeben.
Am 7. März hatten die Botschaften der USA und Großbritannien in Moskau auch eine Warnung veröffentlicht, dass "Extremisten unmittelbar Pläne haben, große Versammlungen in Moskau ins Visier zu nehmen, darunter auch Konzerte". US-Bürger sollten große Veranstaltungen in den nächsten 48 Stunden meiden, hieß es in der Warnung weiter.
Russlands Präsident Putin deutete eine Verwicklung der Ukraine in den Anschlag in Moskau an, obwohl der IS sich zur Tat bekannt hat. Welche Konsequenzen befürchten die Ukrainer?23.03.2024 | 1:19 min
Putin bezeichnete die Warnungen über die Möglichkeit terroristischer Anschläge in der Russischen Föderation als reine Erpressung. "Das alles gleicht einer regelrechten Erpressung und der Absicht, unsere Gesellschaft einzuschüchtern und zu destabilisieren", sagte Putin Anfang der Woche.
Der Austausch von Warnungen vor möglichen Terroranschlägen ist keine Seltenheit. Russland hatte die USA beispielsweise bereits Anfang 2011 vor der möglichen Radikalisierung des späteren Bombenlegers beim Boston-Marathon gewarnt. Ähnlich wie Putin jetzt, hatten die USA die Warnung damals nicht ernst genommen.
Was ist über andere Anschläge des ISPK bekannt?
Seit 2020 unternimmt der ISPK immer wieder Versuche, komplexe Terroranschläge in Europa zu verüben. Im Sommer 2020 wurde in Deutschland eine mit dem ISPK verbundene Terrorzelle verhaftet, die unter anderem zwei Stützpunkte der US-Luftwaffe in Deutschland ausgespäht haben soll.
Im Sommer 2023 wurden weitere mit dem ISKP verbundene Zellen in Deutschland und den Niederlanden verhaftet. Bei den Festgenommenen handelt es sich um jeweils einen turkmenischen und kirgisischen sowie um fünf tadschikische Staatsangehörige. Sie seien kurz nach Beginn des Krieges in der Ukraine von dort nach Deutschland eingereist.
Ende Dezember hatte ZDFheute live sich mit der Gefahr durch ISPK-Terroristen beschäftigt. Die ganze Sendung sehen Sie hier:
Anschlagswarnungen in europäischen Städten häufen sich. Die Verdächtigen sollen zu einem Ableger des Islamischen Staates gehören. 27.12.2023 | 27:40 min
Im Dezember 2023 verhafteten deutsche und österreichische Behörden Mitglieder des ISKP, die während der Weihnachtsfeiertage Angriffe in Europa geplant haben sollen - darunter zum Beispiel ein Sprengstoffanschlag auf den Weihnachtsmarkt am Wiener Stephansplatz.
Und diesen Dienstag wurden in Gera in Thüringen zwei afghanische ISKP-Mitglieder verhaftet, die Berichten zufolge Anschläge in Schweden geplant hatten.
Welche Gefahr geht vom IS und seinen Ablegern aus?
Einer Analyse des Counter Extremism Project Deutschland (CEP) zufolge scheint es, dass der IS und sein Ableger ISPK zur "klassischen Terrormethode zurückkehren, die Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre durch Al-Kaida berüchtigt wurde".
Die Terroristen zielten wieder darauf ab, spektakuläre, komplexere Terroranschläge zu verüben als die, die von Einzeltätern verübt werden, so das CEP. Der Anschlag am Freitagabend in Moskau sei ein Beispiel für diese Methodik.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte, die Gefahr durch islamistischen Terrorismus bleibe akut. "Vom ISPK geht derzeit auch in Deutschland die größte islamistische Bedrohung aus."