Ärzteschaft: Verlieren zunehmend den Glauben an Politik
Forderung nach Gesetz:Ärzte: Verlieren zunehmend Glauben an Politik
von Kristina Hofmann
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Die Ärzteschaft macht Druck: Sie will endlich das Gesetz, das die Ampelkoalition versprochen hat. Minister Lauterbach sagt: Es kommt. Die Kassen warnen: Dann wird's für alle teuer.
Die Honorar-Obergrenze belastet Hausärzte. Die Wartezeiten sind lang, die Versorgung ist gefährdet. Das neue Hausarztgesetz soll Abhilfe schaffen, doch die Umsetzung dauert.19.09.2024 | 1:43 min
Noch gut ein Jahr hat die Ampel-Regierung Zeit, Gesetze und Reformen auf den Weg zu bringen. Und genau das macht der Ärzteschaft Sorgen. Nur noch ein Jahr. Die seit langem von Minister Karl Lauterbach (SPD) versprochene Reform mit dem sperrigen Namen Gesundheitsversorgungstärkungsgesetz ist immer noch nicht verabschiedet. Das Kabinett hat es zwar beschlossen, die Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages für nächste Woche wurde aber wieder verschoben.
Dabei erhoffen sich die Hausärzte viel davon: Die seit 30 Jahren geltenden Budgets, die Obergrenze für Behandlungen, sollen fallen und in Jahrespauschalen umgewandelt werden. Und könnten die hausärztliche Versorgung auf dem Land verbessern. Denn nach Ansicht des Verbandes für Hausärztinnen und Hausärzte ist die Lage dramatisch.
Um die Arbeitsbedingungen in Hausarztpraxen zu verbessern, hat Gesundheitsminister Lauterbach im Mai im Kabinett einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgestellt. Er soll vor allem für eine bessere Vergütung von Hausärzten sorgen.22.05.2024 | 1:50 min
Sorge: Noch weniger Praxen, noch schlechtere Versorgung
Derzeit fehlen bundesweit, so Verbands-Bundesvorsitzende Nicola Bühlinger-Göpfarth, 5.000 Hausärzte. Täglich würden weitere Praxen ohne Nachfolge schließen. "Und die, die für die anderen die Arbeit mitmachen, bekommen ihre Arbeit nicht bezahlt. Das können Sie niemanden mehr erklären", sagt sie. Denn wenn ein Budget überzogen wird, werden weitere Behandlungen von den Krankenkassen nicht mehr komplett erstattet.
Deswegen würde ihnen die Aufhebung der Budgetgrenzen helfen, sagt Bühlinger-Göpfarth:
Nicht nur auf dem Land, sondern auch in Berlin oder Hamburg würden ohne Änderung "Praxen in die Knie gehen". Und Bühlinger-Göpfarth warnt: Patientinnen und Patienten "sind auch Wählerinnen und Wähler".
Die Ärzteschaft habe zwar die Zusage aus der Politik, dass die gesundheitliche Versorgung verbessert werden soll. Das aber schon seit Jahren. "Wir verlieren aber zunehmend den Glauben an die Politik", so Bühlinger-Göpfarth. Seit Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) sei nichts mehr passiert, der aus dem Jahr 2013 stammende Masterplan 2020 bis heute nicht umgesetzt.
Statt dessen bekämen sie immer neue Aufgaben aufgebrummt, wie etwa durch die geplante Verbesserung des Notfalldienstes. Ihr Vorwurf: Minister Lauterbach kümmert sich eher um die Notfallversorgung und die Krankenhausreform als um die medizinische Versorgung auf dem Land.
Bei dem Treffen der Deutschen Krankenhausgesellschaft gibt es Kritik an Lauterbachs Krankenhausreform. In NRW wird das zentrale Element, die Spezialisierung, schon angewendet.09.09.2024 | 1:39 min
Lauterbach: Gesetz kommt "in den nächsten Wochen"
Der SPD-Politiker versteht die Kritik der Ärzteschaft nicht. Lauterbach ist sich sicher: "Die Entbudgetierung der Hausärzte kommt."
Das Gesetz sei vom Kabinett verabschiedet und jetzt im parlamentarischen Verfahren. Er sei sich sicher, dass man "in den nächsten Wochen zu einer guten Lösung" kommen werde. Die Reform des Notdienstes und die Krankenhausreform liefen "parallel", derzeit seien immerhin acht Gesetze im parlamentarischen Verfahren. "Wir machen das gleichzeitig", so Lauterbach im ZDF.
Um kurzfristige medizinische Versorgungslücken zu überbrücken, sind in Rheinland-Pfalz zwei mobile Hausarztpraxen unterwegs. So auch in Herdorf, wo Patienten zeitweise auf einem der Wägen behandelt werden.31.07.2024 | 1:50 min
Krankenkassen: Haben kein Verständnis
Stellt sich die Frage nach dem Geld. Und der Höhe. Nach Berechnungen des Hausärzteverbandes kostet die Aufhebung der Verdienstobergrenzen die gesetzlichen Krankenkassen 434 Millionen Euro im Jahr. Verkraftbar, wie sie finden. Das sieht Florian Lanz vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen völlig anders. Kein Budget bedeute steigende Versicherungsbeiträge:
Das gedeckelte Budget schütze die Versicherten vor steigenden Beiträgen, so Lanz. Nur so würden ärztliche Leistungen nicht ziellos verschrieben - zu Lasten der Kassen. "Das Budget hat sich in der Vergangenheit bewährt", so Lanz. Und: Das Problem des Ärztemangels würde durch die Aufhebung des Budgets nicht behoben. Sondern nur vom Land auf die Stadt verlagert.
Lanz sagt dem ZDF: "Dass Verbände etwas fordern, mit dem sie mehr Geld verdienen, dann ist das grundsätzlich nachvollziehbar." Ärzte verdienten aber im Schnitt 220.000 Euro brutto im Jahr, also fünf mal mehr als der Durchschnitt. Und jetzt die Deckelung aufheben? "Für diese Forderung haben wir kein Verständnis."
In Berlin läuft aktuell der Schwinning-Gipfel. Im Fokus ist die bevorstehende Klinikreform, die Krankenhäuser finanziell entlasten und für einheitliche Qualitätsregeln sorgen soll.09.09.2024 | 1:28 min
Gesundheitsbündnis fordert grundsätzliche Reform
Der Protest der Hausärztinnen und Hausärzte steht allerdings nicht allein. Ein breites Bündnis aus Bundesärztekammer, Verband der Physiotherapeuten, medizinische Fachberufe, der Vereinigung der Apothekerverbände, Marburger Bund, Logopäden und weitere Verbände haben sich zusammengeschlossen. In einem Thesenpapier fordern sie, dass das "Thema Gesundheit eine neue, den Herausforderungen angemessene Bedeutung eingeräumt werden". Andernfalls könnte es in den nächsten drei bis fünf Jahren "zu tiefen Einschnitten des Leistungsniveaus führen".
Das Bündnis ist sich aber auch sicher: Mehr Geld allein werde das Problem aber nicht lösen. Es gehe auch um strukturelle und personelle Reformen. Allerdings müsse sich die Politik fragen lassen, "ob sie mit ihrer aktuellen Agenda noch dem Bedarf der Bürgerinnen und Bürger an gesundheitlicher Versorgung gerecht werden kann."