Streit um BPA und Pestizide:Weichmacher und Glyphosat: Das Gift in uns
von Andreas Stamm
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Deutschland, Europa, die Welt ringt um den richtigen Umgang mit Chemikalien. Deren Zahl in unseren Lebensmitteln und Alltagsprodukten explodiert. Wie auch die möglichen Gefahren.
Es steckt in Trinkflaschen, Lebensmittelverpackungen oder Smartphones: Der Weichmacher Bisphenol A. 25.09.2023 | 2:03 min
Chemie ist nicht alles, aber alles ist Chemie - dieser Motivationsspruch genervter Mittelstufen-Lehrer gilt mehr denn je. Laut Umweltbundesamt werden weltweit derzeit rund 350.000 Chemikalien gehandelt. Jährlich kommen Tausende dazu.
Die Kehrseite: Chemikalien kosten Leben. Ein Bericht der Internationalen Organisation für Arbeit (ILO) legt nahe, dass im Jahr eine Million Menschen vorzeitig sterben, die im Arbeitsumfeld bestimmten Chemikalien ausgesetzt seien.
Das Gift, dem niemand entkommt
Nicht nur dort lauern Gefahren. Eine kürzlich erschienene Studie der Europäischen Umweltagentur (EEA), warnt etwa vor dem Weichmacher Bisphenol A, kurz BPA. Die Substanz stecke in uns allen. Und zwar in Dosen, die gesundheitsschädlich seien, so die EEA. Knapp 3.000 Europäer*innen in elf Ländern hatten ihr Urin auf Spuren von BPA untersuchen lassen.
Je nach Land lagen zwischen 70 und 100 Prozent der Teilnehmenden über dem erlaubten Höchstwert. In Deutschland waren es rund acht von zehn Probanden. Luise Körner vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) erklärt:
"Brauchen eine gesamteuropäische Lösung"
Trotz Verbotes bei der Herstellung von Babyflaschen wird der Stoff immer noch bei Lebensmittelverpackungen, Gummistiefeln oder Smartphones eingesetzt.
Über die gesundheitlichen Folgen wird gestritten, die EEA positioniert sich klar: BPA könne schon in geringen Dosen das Nerven-, Immun- und Herz-Kreislauf-System oder die Fruchtbarkeit schädigen. Einige Länder, wie etwa Frankreich, haben deshalb BPA komplett verboten. Was aber nicht auszureichen scheint. Denn auch die getesteten Franzosen tragen fast alle zu viel BPA in sich.
Was wir bräuchten, erklärt Luise Körner vom BUND, sei eine gesamteuropäische, große Lösung. Es bedürfe einer Regulierung der gesamten Stoffgruppe der Bisphenole.
Auch diese Bisphenole können äußerst schädlich sein, erläutert Körner. Wie etwa ein BPA-Ersatzprodukt, dass mittlerweile in manchen Kassenzetteln vorkommt.
Debatte über Einsatz von Glyphosat
Mehr tun für mehr Sicherheit, so lässt sich die Forderung der EEA aus der Studie zusammenfassen. Doch wie schwer sich die EU damit tut, zeigt die Entscheidung zu einer weiteren Chemikalie, die seit Jahren durch die Diskussionen geistert: Glyphosat.
Die EU-Kommission will die Zulassung des Pflanzenschutzmittels im Oktober um weitere zehn Jahre verlängern - obwohl Glyphosat im Verdacht steht, krebserregend zu sein, eine Gefahr für die Artenvielfalt darstellen könnte und der Einsatz seit Jahren kontrovers diskutiert wird.
Konferenz ringt um globales Chemikalien-Abkommen
Und noch komplizierter wird es auf der globalen Ebene. In Bonn ringt die Weltchemikalien-Konferenz in dieser Woche, unter Vorsitz von Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne), um ein globales Chemikalien-Abkommen. "Bei der Weltchemikalienkonferenz sollen Ziele, Maßnahmen und Verantwortlichkeiten vereinbart werden, um Chemikalien und den Umgang mit ihnen weltweit sicherer zu machen", heißt es aus dem Umweltministerium in Berlin.
Was Geld kosten dürfte. Und wie das gerade in der deutschen Industrie ankommt, darauf weist ein anderer Termin hin: Am 27. September lädt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum Chemiegipfel ein. Es geht um die Lage der Chemieindustrie, die unter der Last aus hohen Energiekosten, Bürokratie und Regulierungen ächze, so deren Interessenvertreter. Die Chemiebranche Deutschland sei in Gefahr, heißt es.
Gesundheit, Umwelt und den Standort schützen - wie das alles zusammen gehen soll, bleibt die Frage. Also Chemie ist nicht alles, aber in diesen Tagen geht es um eine Menge Chemie.
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