Von HIV und Leukämie geheilt: Der Düsseldorfer Patient
Von HIV und Leukämie geheilt:"Wie ein Sechser im Lotto"
von Thomas Bleich
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Marc Franke ist einer von weltweit nur fünf Menschen, die als geheilt von HIV gelten. Der "Düsseldorfer Patient" erzählt seine Geschichte und wie es zu dem Behandlungserfolg kam.
Der "Düsseldorfer Patient" Marc Franke berichtet von seiner HIV-Heilung. Seine Ärzte und der HIV-Experte Norbert Brockmeyer ordnen den Behandlungserfolg ein.28.04.2023 | 10:25 min
Das Thema HIV begegnet Marc Franke schon früh in seiner Jugend und hat seine persönliche Entwicklung stark geprägt. Der 54-Jährige erinnert sich noch genau:
"Damals war es die Schwulenseuche"
"Das war schon früh, in den Achtzigern. Da ist das ja damals durch die Medien gegangen. Die haben davon ja die schlimmsten Szenarien gemacht. Und im Prinzip hatte man das Gefühl: Oh, die fallen alle um wie die Fliegen."
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Diagnose HIV-positiv kommt 2008
Als Marc Franke 2008 erfährt, dass er HIV-positiv ist, ist er 39 Jahre alt. HIV ist da schon länger im öffentlichen Bewusstsein. Die Diagnose stellt damals sein Leben auf den Kopf: "Das hat erst einmal alles umgekrempelt, weil da hatte ich mich vorher so noch nicht mit beschäftigt", erzählt er.
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HIV-Infektion lange verschwiegen
Die Zeit nach der HIV-Diagnose bedeutet für Franke ein Auf und Ab. "Ich habe mit niemandem darüber geredet. Nur ganz, ganz enge Freunde haben das erfahren."
Im Nachhinein sei es wohl ein Freund gewesen. Zu dem hatte er aber schon damals keinen Kontakt mehr.
Zu HIV kommt die Diagnose Leukämie
Weihnachten 2010 kommt Franke mit einer Lungenentzündung ins Krankenhaus. Nach den ersten Blutuntersuchungen steht fest: Irgendetwas stimmt nicht. Wenig später bekommt er die Diagnose Blutkrebs - Akute Myeloische Leukämie:
"Der leitende Arzt der Station hat zu dem Zeitpunkt gesagt: 'Das ist zwar eine schwere Form der Leukämie, aber wenn die früh erkannt ist und behandelt wird, dann kann man sie sehr gut mit Chemo bekämpfen.'" Entsprechend hat er 2011 die Chemos über sich ergehen lassen.
Die akute myeloische Leukämie (AML) ist eine bösartige Krebserkrankung des blutbildenden Systems im Knochenmark. Sie ist die häufigste und eine sehr aggressive Form von Blutkrebs bei Erwachsenen.
"Eine akute Leukämie ist immer eine ernste Erkrankung", erklärt Guido Kobbe, Leiter der allogenen Stammzelltransplantation an der Klinik für Hämatologie Onkologie und Immunologie am Universitätsklinikum Düsseldorf. "Meistens sind die Blutwerte schlecht, es gibt Symptome, meistens einer Blutarmut. Das heißt: Eine Treppe rauf wie üblich, da hat man nicht mehr genug Luft, muss schnaufen und bekommt Herzklopfen."
Wenn man die Leukämie nicht in den Griff bekomme, "ist sie dafür verantwortlich, dass die komplette Blutbildung nicht mehr funktioniert. Und dann treten vor allem Infektionen und Blutungen auf. Das heißt, das ist schon eine sehr ernste Diagnose."
Rückschläge in der Leukämie-Behandlung
Die Behandlung der Leukämie ist bei Marc Franke von zahlreichen Rückschlägen und einem ständigen "Auf und Ab" gekennzeichnet: "Blöd ist an der Krankheit ist, dass man überhaupt nichts planen kann. Theoretisch ist es so, dass man immer so zwischen zwei Chemos für sieben bis zehn Tage nach Hause darf, um auch mal seine gewohnte Umgebung zu haben."
Marc Franke hatte HIV und Leukämie - und gilt heute als geheilt von beiden Erkrankungen. Bekannt wurde er als der "Düsseldorfer Patient".
Quelle: Werner Bachor
Offene Gespräche über Leukämie-Diagnose
Inzwischen sieht Franke auch die positiven Seiten der Blutkrebs-Diagnose:
Als es den Ärzten nicht gelingt, die Leukämie in den Griff zu bekommen, soll er eine Stammzellentransplantation bekommen. Ähnlich wie Timothy Ray Brown, der gerade als "Berliner Patient" bekannt geworden war. Nach der Transplantation von Stammzellen mit einer genetischen Besonderheit gilt er als erster Mensch der Welt, der von HIV geheilt wurde.
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Heilung von HIV und Leukämie durch Stammzelltransplantation
"Als ich 2012 auf die Stammzelltransplantation gewartet habe, habe ich eine TV-Doku über Timothy Ray Brown, den 'Berliner Patienten', gesehen. Und da war mir klar: Falls die Ärzte jemanden finden, der auch diese genetische Eigenschaft hat, wenn es einmal funktioniert hat, warum soll es nicht ein zweites Mal funktionieren? Und dann habe ich Glück gehabt. Es war für mich wie ein Sechser im Lotto, dass es gelungen war einen Stammzellenspender zu finden, der passt."
Das HI-Virus (HIV) befällt spezielle Blutzellen, die T-Helfer-Zellen des Immunsystems. Dabei nutzt es ein Schlupfloch in der Zellmembran, den so genannten CCR5-Rezeptor, um einzudringen und sich zu vermehren. Ungefähr ein Prozent aller Europäer besitzen jedoch eine doppelte Mutation des CCR5-Gens, die dazu führt, dass dieses Einfallstor für HIV geschlossen ist. Sie sind immun, da HIV nicht genügend Zellen infizieren kann.
"Das war damals schon ein großer Glücksfall, fünf Spender zu finden, die grundsätzlich passen", erklärt Björn-Erik Ole Jensen, Bereichsleiter Spezielle Infektiologie an der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie am Universitätsklinikum Düsseldorf. "Und eine Spenderin davon hatte eben zusätzlich diese Besonderheit, die eben nur bei etwa jedem Hundertsten in Nord und Mitteleuropa vorkommt. Das ist eine genetische Besonderheit, die wir im Wesentlichen in europäisch-stämmiger Bevölkerung finden."
HIV-Experte lobt Akribie der Ärzte des "Düsseldorfer Patienten"
"Dieser 'Düsseldorfer Patient' ist unglaublich engmaschig, und auch das Immunsystem, sehr detailliert untersucht worden", berichtet Norbert H. Brockmeyer, Präsident der Deutschen STI-Gesellschaft (DSTIG) und Expert Consultant für HIV und AIDS der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
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