Frankfurter Buchmesse: Ein Bücherfest mit Schattenseiten

    75. Frankfurter Buchmesse:Ein Bücherfest mit Schattenseiten

    von Daniel Fiedler
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    Diese Woche ist es wieder so weit: die weltweit größte Bücherschau öffnet ihre Tore auf dem Frankfurter Messegelände. Doch es herrscht nicht eitel Sonnenschein in der Branche.

    Erster Tag Frankfurter Buchmesse
    Eröffnung der Frankfurter Buchmesse: Auch hier ist die Nahost-Krise ein wichtiges Thema.18.10.2023 | 4:04 min
    Für die einen ist es ein rauschendes Lesefest, die anderen wittern das große Geschäft. Für Literaturbegeisterte und Verlage läuft die wichtigste Woche des Jahres. An ihrem Beginn stand die Verleihung des Deutschen Buchpreises an den Österreicher Tonio Schachinger, den mit seinem Gymnasiasten-Roman niemand so richtig auf dem Zettel hatte. Er soll jetzt der darbenden Buchbranche zu dem dringend benötigten Auflagenschub verhelfen.
    Am Ende der Woche steht die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, der Oscar unter den Literaturpreisen. 2023 geht er an Salman Rushdie, der vor einem Jahr knapp einen Mordanschlag überlebte.

    Unsicherheit in der Literaturbranche - sinkende Umsätze

    Trotz aller Auszeichnungen: In der Literaturszene herrscht tiefe Unsicherheit. Der Strukturwandel in der Branche ist voll im Gange. Anders als in der Film- und der Musikindustrie sinken die Umsätze im Buchmarkt. Und die Anzahl der Buchkäufer geht zurück - von 29,9 Millionen im Jahr 2018 auf zuletzt 25,8 Millionen.
    Frankfurter Buchmesse: Zweiter Tag
    ZDF-Reporter Peter Twiehaus ist erneut auf der Frankfurter Buchmesse unterwegs. Neben dem Krieg in Israel ist der Umgang mit Künstlicher Intelligenz ein Thema.19.10.2023 | 4:05 min
    Der Wandel trifft auch die Buchmesse selbst: Die fetten Jahre sind wohl vorbei. Zählte man 2019 über 300.000 Besucher und fast 6.900 Aussteller, so waren es 2022 noch 180.000 Besucher und 4.000 Aussteller. Der digitale Umbruch, beschleunigt durch die Pandemie, macht die physische Präsenz auf einer Messe immer weniger notwendig.

    Post der Frankfurter Buchmesse bei X (früher Twitter)

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    BookToker für junge Leser Impulsgeber

    Auch die Literaturvermittlung verändert sich: Die klassische Literaturkritik verliert an Bedeutung, BookToker und ihre Empfehlungen auf Social-Media-Plattformen werden zu wesentlichen Kaufimpulsen für eine jüngere Leserschaft.
    Was Auswirkungen auf die Programme der Verlage hat, für die New Adult Literatur - also coming of Age Romane mit eigener Optik und Machart für eine junge weibliche Zielgruppe - immer wichtiger wird.

    Für Roman "Echtzeitalter"
    :Deutscher Buchpreis geht an Tonio Schachinger

    Der Deutsche Buchpreis 2023 geht an den Schriftsteller Tonio Schachinger für seinen Roman "Echtzeitalter". Das Buch sei viel mehr als ein Schulroman, so die Begründung der Jury.
    Der österreichische Autor Tonio Schachinger nimmt vor der Verleihung des Deutschen Buchpreises 2023 in Frankfurt am Main. (16.10.2023)

    Frankfurter Buchmesse will mehr sein als nur Messe

    Die Frankfurter Buchmesse weiß um diese Trends und tut ihr Möglichstes, um mehr zu sein als nur eine Messe. Über die Gastland-Auftritte - in diesem Jahr Slowenien - wird jedes Jahr ein Land mit seiner Literatur, aber auch mit seinen gesellschaftlichen Diskussionen in den Fokus des Messediskurses gerückt.
    Nun ist Slowenien zwar ein Land mit überdurchschnittlich vielen Autoren und Autorinnen, aber ob sich der Überraschungserfolg des Gastlandes Georgien aus dem Jahr 2018 wiederholt, ist nicht sicher. Das Thema, um das sich jede Messe dreht, lässt sich ohnehin nicht vorab festlegen. In den vergangenen Jahren war oft im Gespräch, was niemand auf dem Schirm hatte. So gab es Diskussionen um die Präsenz von rechten Verlagen auf der Messe und die Sicherheit von diversen Autor:innen - hier ganz bewusst gegendert.
    Slowenien auf der Frankfurter Buchmesse
    Slowenien ist das Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse. Junge Autoren schreiben in ihren Büchern in einer Sprache, die nur zwei Millionen Menschen sprechen.17.10.2023 | 2:07 min

    Nahost-Konflikt überschattet auch Buchmesse

    Mit den grauenhaften Terrorangriffen der Hamas und der militärischen Reaktion Israels steht plötzlich Antisemitismus auf der Tagesordnung. Mit welcher Direktheit der deutsche Kulturbetrieb seine Solidarität mit Israel erklärt - oder eben nicht erklärt -, wird auch in den Messehallen abzulesen sein. Kurzfristig wurden Panels zu Israel und Palästina ins Programm genommen.
    Die geplante Verleihung des LIBeraturpreises 2023 an die palästinensische Autorin Adania Shibli für ihren Roman "Eine Nebensache" wurde dagegen verschoben. Damit ist die Buchmesse gerade noch um einen handfesten Skandal herumgekommen. Die Frage stellte sich zurecht, ob man in diesen Tagen einen Roman auszeichnen kann, der von einem - historisch belegten - Verbrechen von israelischen Soldaten handelt, die 1949 ein palästinensisches Bauernmädchen vergewaltigt und ermordet haben. Einerseits. Andererseits ist vielleicht auch eine Chance vertan worden, mit den friedliebenden Stimmen im israelisch-palästinensischen Konflikt in den dringend notwendigen Austausch zu kommen.

    Literaturbühne live

    Wie schwierig der Dialog ist, zeigte der Eröffnungstag der Buchmesse: Zahlreiche Aussteller aus muslimischen Ländern reisten gar nicht erst an. Und die abendliche Eröffnungsfeier der Buchmesse endete gar in Tumulten, weil der slowenische Gastredner Slavoj Žižek neben den Solidaritätsadressen für Israel auch Verständnis für palästinensische Gewalt einforderte. Es war ein Abend, der weh tat.
    Viel Diskussionsstoff also in den kommenden Tagen, der einen Besuch auf der Frankfurter Buchmesse lohnt. Ein ausgezeichneter Ort dafür: die gemeinsame Literaturbühne von ARD, ZDF und 3sat im Forum der Buchmesse, wo den ganzen Tag über Autorinnen und Autoren im Gespräch zu erleben sein werden.
    Daniel Fiedler ist Leiter der ZDF-Redaktion Kultur.

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