Alkoholsucht: Wo die Deutschen am meisten trinken

    Alkoholsucht vor allem im Norden:Wo die Deutschen am meisten trinken

    von Tobias Bluhm und Sarah Touihrat
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    Etwa 1,5 Millionen Menschen sind in Deutschland von Alkoholsucht betroffen - Tendenz steigend. Insbesondere im Norden wird zu viel getrunken, wie neue Daten zeigen.

    Bierkrüge werden von einem Angestellten in einem Festzelt getragen
    Gilt vielerorts in Deutschland als Kulturgut: der Genuss von Alkohol.
    Quelle: Armin Weigel/dpa

    Die Zahl der Menschen, die ambulant oder stationär wegen einer Alkoholsucht behandelt werden mussten, ist gestiegen. Das geht aus einer Auswertung des Barmer-Instituts für Gesundheitssystemforschung (bifg) hervor. 2022 waren demnach 1.058.000 Männer und 467.000 Frauen aufgrund einer Alkoholabhängigkeit in Behandlung - ein Zuwachs von 3,5 Prozent im Vergleich zu 2017.
    Insbesondere im Norden Deutschlands ist der Missbrauch von Alkohol weit verbreitet. 2022 waren in Mecklenburg-Vorpommern 2,35 Prozent der Bevölkerung wegen einer Alkoholabhängigkeit in Behandlung. In Bremen waren es 2,28 Prozent. Der Bundesschnitt lag bei 1,71 Prozent.
    Anteil der Bevölkerung mit diagnostizierter Alkoholabhängigkeit

    ZDFheute Infografik

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    Krankenkassen-Chef vermutet große Dunkelziffer

    Den geringsten Alkoholiker-Anteil stellte Institut in seiner Auswertung in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg fest. Die regionalen Unterschiede seien rein medizinisch nicht erklärbar, so die Krankenkasse. Hier dürften auch soziodemografische Faktoren eine Rolle spielen.
    Henning Kutzbach, Barmer-Geschäftsführer in Mecklenburg-Vorpommern, warnt zudem:

    Diese Zahlen sind nur die Spitze des Eisbergs. Nur zehn bis 15 Prozent der Betroffenen nehmen ärztliche Hilfe in Anspruch: Da will man sich gar nicht ausmalen, wie hoch die Dunkelziffer sein muss.

    Henning Kutzbach, Barmer

    Vielzahl von Faktoren beeinflussen Alkoholismus

    Die Gründe für eine Alkoholabhängigkeit seien vielfältig, erklärt Kutzbach. Ein Faktor in Mecklenburg-Vorpommern sei beispielsweise das vergleichsweise niedrige Einkommen: "Bei Menschen, die ein Familieneinkommen von unter 15.000 Euro im Jahr haben, ist die Auffälligkeitsquote achtmal höher als bei denen, die mehr als 50.000 Euro jährlich zur Verfügung haben."

    Vier Phasen der Abhängigkeit
    :Wann der Alkohol zur Sucht geworden ist

    In Deutschland sind schätzungsweise 1,6 Millionen Menschen an Alkoholsucht erkrankt. Viele Betroffene merken das erst, wenn es schon zu spät ist. Was dann zu tun ist.
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     Ein Weinglas wird gefüllt bei der gemeinsamen Jungweinprobe der Weinanbaugebiete Sachsen und Saale-Unstrut.
    mit Video
    Daraus zu schließen, dass Menschen allein aufgrund eines niedrigen Einkommens zu Alkoholikern werden, sei allerdings falsch.
    Vielmehr sei es ein Zusammenspiel mit weiteren Faktoren wie niedriger Bildung, schlechten Zukunftsaussichten oder Lebensumständen wie dem Alter, betont Kutzbach. Zumal bei Wohlhabenderen die Hemmschwelle, sich einen krankhaften Alkoholkonsum einzugestehen, ohnehin höher liege.

    Bei den 60- bis 90-jährigen Männern ist die Alkoholiker-Quote in Mecklenburg-Vorpommern dreimal so hoch wie bei Frauen im selben Alter.

    Henning Kutzbach, Geschäftsführer Barmer Mecklenburg-Vorpommern

    Warum ist die Quote im Norden so hoch?

    Und auch kulturelle Faktoren spielen eine Rolle. "Wenn hier im Norden jemand keinen Alkohol trinken möchte, wird das oft sehr wenig toleriert", kritisieren Beatrix Meier und Eileen Strupat von der bremischen Landesstelle für Suchtfragen.
    Auch würden im Vergleich zum Süden Deutschlands im Norden auch höherprozentige Getränke bevorzugt. Statt Bier und Wein stünden also etwa Korn, Gin und Schnaps höher im Kurs.

    Prävention soll Trendwende herbeiführen

    "Die Angebote der Prävention und der Suchtkrankenhilfe werden den Bedarfen und Problemlagen offensichtlich nicht gerecht", so Meier und Strupat. Besonders das Versorgungssystem sehen sie kritisch: Die Flächenländer im Norden seien schwer erreichbar für Beratung und Prävention. Auch das Geld fehle an vielen Stellen.Und auch in der Partyszene bräuchte es Angebote, die gezielt junge Menschen erreichen, um vor den Folgen von Alkoholmissbrauch zu warnen.
    Das sieht auch Barmer-Chef Kutzbach so: "Die Prävention sollte stärker in den Fokus gestellt werden."

    Und was aus politischer Sicht ebenfalls wichtig ist: Alkoholmissbrauch hat nichts mit Willensschwäche zu tun. Man sollte deutlich machen, dass es eine Krankheit ist

    Henning Kutzbach, Barmer

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