1. (-) Mit „Wolfszeit“ widmete sich Harald Jähner den bewegten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch sein neues Buch handelt von einer Zeit des Umbruchs, der Weimarer Republik. Jähner erkundet Warenhäuser und Tanzpaläste, begleitet Frauen beim Kampf um Emanzipation – und offenbart dabei die zunehmende Spaltung der Gesellschaft, die in der Katastrophe endet. Erschreckend aktuell. 93 Punkte
2. (-) Der Universalismus hat ein Imageproblem, für manche gilt er als kolonialistisch. Der israelische Philosoph Omri Boehm dagegen ist überzeugt: Eine gerechtere Zukunft ist nur mit universellem Denken möglich. Ein Plädoyer für eine Neuinterpretation von Immanuel Kants Philosophie, um die festgefahrenen Identitätsdebatten der Gegenwart hinter uns zu lassen. 46 Punkte
3. (-) Pikettys Werke „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ und „Kapital und Ideologie“ waren Welterfolge, stießen internationale Debatten an. Vielen waren sie aber zu ausschweifend geschrieben. In seinem neuen Buch fasst der französische Starökonom seine wichtigsten Thesen auf 264 Seiten zusammen. Das Standardwerk für jeden, der die historischen Ursachen von Ungleichheit verstehen will. 41 Punkte
4. (1) Niemand würde von sich behaupten, ein schlechter Mensch zu sein. Das liegt daran, dass wir uns an Gutes erinnern, Schlechtes aber verdrängen. Durch eigene Studien zeigt der Verhaltensökonom Armin Falk, warum es uns nicht gelingt, endlich auf Ökostrom umzustellen oder an Bedürftige zu spenden. Seine Forderung: Gesellschaft so zu verändern, dass schlechte Handlungen bestraft, gute belohnt werden. 34 Punkte
5. (-) Als Neunjähriger zieht Michel Friedman mit seinen Eltern von Frankreich nach Deutschland – jenes Land, das zwei Jahrzehnte zuvor einen Großteil seiner Familie getötet hatte. Friedman will Kind sein – und entkommt doch nicht den dunklen Schatten der Vergangenheit, dem familiären Trauma und dem Antisemitismus. Über das Heranwachsen als Jude im Land der Mörder. 30 Punkte
6. (-) Es ist das zweitgrößte Land Europas, und doch kennen wir es kaum: Die Ukraine blieb in Deutschland lange unbeachtet – trotz der Massenmorde der Nazis. Durch den russischen Überfall wird klar: Die Politik hat im Umgang mit der Ukraine versagt. Osteuropa-Expertin Sabine Adler deckt die größten politischen Versäumnisse der letzten Jahrzehnte auf – und fordert einen radikalen Kurswechsel. 29 Punkte
7. (3) Moose bleiben unserer Wahrnehmung oft verborgen, dabei sind sie faszinierende Pflanzen: Sie besitzen weder Blüten, Früchte noch Samen – und doch gibt es rund 22.000 Arten. Die amerikanische Pflanzenökologin Robin Wall Kimmerer verflechtet wissenschaftliche Evidenz mit dem Wissen indigener Völker – und zeigt: kaum ein Organismus steht so sehr für die Verbundenheit mit der Umwelt wie das Moos. 28 Punkte
8. (-) Eine Diagnose-Odyssee musste Elinor Cleghorn über sich ergehen lassen, bis sie herausfand: Sie leidet an Lupus, einer Krankheit, die vor allem Frauen betrifft. Daraufhin machte sich die die englische Feministin auf die Suche nach den patriarchalen Wurzeln der Medizin. Denn ob „wandelnde Gebärmutter“ oder „Hysterie“ – unsere Vorstellung von Gesundheit ist seit jeher vom Sexismus geprägt. 25 Punkte
9. (-) Über kulturelle Aneignung wird gerade viel diskutiert. Handelt es sich um Diebstahl an marginalisierten Gruppen, wenn Weiße Dreadlocks tragen? Anhand historischer Beispiele zeigt der Musikjournalist Jens Balzer: In Wirklichkeit beruht jede Kultur auf Aneignung. Es komme nicht darauf an, ob Appropriation betrieben wird – sondern, ob diese berechtigt ist. 23 Punkte
10. (6) Von John Locke bis Karl Marx gehe die politische Ideengeschichte von einer falschen Annahme aus, schreibt der französische Philosoph Pierre Charbonnier: die Erde als unerschöpfliche Quelle von Reichtum. Unsere Konzepte von Freiheit, Gleichheit und Autonomie beruhten auf diesem Denkfehler. Er fordert: eine konsequente Abkehr vom eigentumsgestützten „Produktionismus“, der die Moderne prägt. 21 Punkte
Jedes Jury-Mitglied der Sachbuch-Bestenliste vergibt monatlich an vier Sachbücher je einmal 15, 10, 6 und 3 Punkte.
Die Jury der Sachbuch-Bestenliste: René Aguigah (Deutschlandfunk Kultur), Peter Arens (ZDF), Susanne Billig (Deutschlandfunk Kultur), Ralph Bollmann (F.A.S.), Stefan Brauburger (ZDF), Alexander Cammann (DIE ZEIT), Gregor Dotzauer (Der Tagesspiegel), Heike Faller (DIE ZEIT), Marlen Hobrack (DIE ZEIT), Daniel Fiedler (ZDF), Jenny Friedrich-Freksa (Kulturaustausch), Manuel J. Hartung (ZEIT-Stiftung), Thorsten Jantschek (Deutschlandfunk Kultur), Kim Kindermann (Deutschlandfunk Kultur), Inge Kutter (DIE ZEIT), Hannah Lühmann (DIE WELT), Tania Martini (taz), Susanne Mayer (DIE ZEIT), Peter Neumann (DIE ZEIT), Catherine Newmark (Deutschlandfund Kultur), Jutta Person (freie Literaturkritikerin), Bettina von Pfeil (ZDF), Jens-Christian Rabe (Süddeutsche Zeitung), Christian Rabhansl (Deutschlandfunk Kultur), Anne Reidt (ZDF), Anna Riek (ZDF), Stephan Schlak (Zeitschrift für Ideengeschichte), Hilal Sezgin (freie Autorin), Catrin Stövesand (Deutschlandfunk), Elisabeth von Thadden (DIE ZEIT)