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Die Sachbuch-Bestenliste für September 2022

Von ZDF, Deutschlandfunk Kultur und DIE ZEIT

Harald Jähner, Höhenrausch. Das kurze Leben zwischen den Kriegen, Rowohlt Berlin, 560 Seiten, 28,– €
Harald Jähner, Höhenrausch. Das kurze Leben zwischen den Kriegen, Rowohlt Berlin, 560 Seiten, 28,– €
Quelle: Rowohlt

1. (-) Mit „Wolfszeit“ widmete sich Harald Jähner den bewegten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch sein neues Buch handelt von einer Zeit des Umbruchs, der Weimarer Republik. Jähner erkundet Warenhäuser und Tanzpaläste, begleitet Frauen beim Kampf um Emanzipation – und offenbart dabei die zunehmende Spaltung der Gesellschaft, die in der Katastrophe endet. Erschreckend aktuell. 93 Punkte

Omri Boehm, Radikaler Universalismus. Jenseits von Identität, Universalismus als rettende Alternative, A. d.  Englischen von M. Adrian, Propyläen, 176 Seiten, 22,– €
Omri Boehm, Radikaler Universalismus. Jenseits von Identität, Universalismus als rettende Alternative, A. d. Englischen von M. Adrian, Propyläen, 176 Seiten, 22,– €
Quelle: Propyläen

2. (-) Der Universalismus hat ein Imageproblem, für manche gilt er als kolonialistisch. Der israelische Philosoph Omri Boehm dagegen ist überzeugt: Eine gerechtere Zukunft ist nur mit universellem Denken möglich. Ein Plädoyer für eine Neuinterpretation von Immanuel Kants Philosophie, um die festgefahrenen Identitätsdebatten der Gegenwart hinter uns zu lassen. 46 Punkte

Thomas Piketty, Eine kurze Geschichte der Gleichheit, A. d. Französischen von S. Lorenzer, C.H. Beck, 264 Seiten, 25,– €
Thomas Piketty, Eine kurze Geschichte der Gleichheit, A. d. Französischen von S. Lorenzer, C.H. Beck, 264 Seiten, 25,– €
Quelle: C.H.Beck

3. (-) Pikettys Werke „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ und „Kapital und Ideologie“ waren Welterfolge, stießen internationale Debatten an. Vielen waren sie aber zu ausschweifend geschrieben. In seinem neuen Buch fasst der französische Starökonom seine wichtigsten Thesen auf 264 Seiten zusammen. Das Standardwerk für jeden, der die historischen Ursachen von Ungleichheit verstehen will. 41 Punkte

Armin Falk, Warum es so schwer ist, ein guter Mensch zu sein, Siedler, 336 Seiten, 24,– €
Armin Falk, Warum es so schwer ist, ein guter Mensch zu sein, 336 Seiten, 24,– €
Quelle: Siedler

4. (1) Niemand würde von sich behaupten, ein schlechter Mensch zu sein. Das liegt daran, dass wir uns an Gutes erinnern, Schlechtes aber verdrängen. Durch eigene Studien zeigt der Verhaltensökonom Armin Falk, warum es uns nicht gelingt, endlich auf Ökostrom umzustellen oder an Bedürftige zu spenden. Seine Forderung: Gesellschaft so zu verändern, dass schlechte Handlungen bestraft, gute belohnt werden. 34 Punkte

Michel Friedman, Fremd, Berlin Verlag, 176 Seiten, 20,– €
Michel Friedman, Fremd, Berlin Verlag, 176 Seiten, 20,– €
Quelle: Berlin Verlag

5. (-) Als Neunjähriger zieht Michel Friedman mit seinen Eltern von Frankreich nach Deutschland – jenes Land, das zwei Jahrzehnte zuvor einen Großteil seiner Familie getötet hatte. Friedman will Kind sein – und entkommt doch nicht den dunklen Schatten der Vergangenheit, dem familiären Trauma und dem Antisemitismus. Über das Heranwachsen als Jude im Land der Mörder. 30 Punkte

Sabine Adler, Die Ukraine und wir. Deutschlands Versagen und die Lehren für die Zukunft, Ch.Links Verlag, 248 Seiten, 20,– €
Sabine Adler, Die Ukraine und wir. Deutschlands Versagen und die Lehren für die Zukunft, Ch.Links Verlag, 248 Seiten, 20,– €
Quelle: Ch.Links Verlag

6. (-) Es ist das zweitgrößte Land Europas, und doch kennen wir es kaum: Die Ukraine blieb in Deutschland lange unbeachtet – trotz der Massenmorde der Nazis. Durch den russischen Überfall wird klar: Die Politik hat im Umgang mit der Ukraine versagt. Osteuropa-Expertin Sabine Adler deckt die größten politischen Versäumnisse der letzten Jahrzehnte auf – und fordert einen radikalen Kurswechsel. 29 Punkte

Robin Wall Kimmerer, Das Sammeln von Moos, Eine Geschichte von Natur und Kultur, Matthes&Seitz, 223 Seiten, 32,– €
Robin Wall Kimmerer, Das Sammeln von Moos, Eine Geschichte von Natur und Kultur, 223 Seiten, 32,– €
Quelle: Matthes&Seitz

7. (3) Moose bleiben unserer Wahrnehmung oft verborgen, dabei sind sie faszinierende Pflanzen: Sie besitzen weder Blüten, Früchte noch Samen – und doch gibt es rund 22.000 Arten. Die amerikanische Pflanzenökologin Robin Wall Kimmerer verflechtet wissenschaftliche Evidenz mit dem Wissen indigener Völker – und zeigt: kaum ein Organismus steht so sehr für die Verbundenheit mit der Umwelt wie das Moos. 28 Punkte

Elinor Cleghorn, Die kranke Frau. Wie Sexismus, Mythen und Fehldiagnosen die Medizin bis heute beeinflussen, A. d. Englischen von A. Emmert & J. Elze, Kiwi, 496 Seiten, 25,– €
Elinor Cleghorn, Die kranke Frau. Wie Sexismus, Mythen und Fehldiagnosen die Medizin bis heute beeinflussen, A. d. Englischen von A. Emmert & J. Elze, Kiwi, 496 Seiten, 25,– €
Quelle: Kiwi

8. (-) Eine Diagnose-Odyssee musste Elinor Cleghorn über sich ergehen lassen, bis sie herausfand: Sie leidet an Lupus, einer Krankheit, die vor allem Frauen betrifft. Daraufhin machte sich die die englische Feministin auf die Suche nach den patriarchalen Wurzeln der Medizin. Denn ob „wandelnde Gebärmutter“ oder „Hysterie“ – unsere Vorstellung von Gesundheit ist seit jeher vom Sexismus geprägt. 25 Punkte

Jens Balzer, Ethik der Appropriation, Matthes&Seitz Berlin, 100 Seiten, 10,– €
Jens Balzer, Ethik der Appropriation, Matthes&Seitz Berlin, 100 Seiten, 10,– €
Quelle: Matthes&Seitz

9. (-) Über kulturelle Aneignung wird gerade viel diskutiert. Handelt es sich um Diebstahl an marginalisierten Gruppen, wenn Weiße Dreadlocks tragen? Anhand historischer Beispiele zeigt der Musikjournalist Jens Balzer: In Wirklichkeit beruht jede Kultur auf Aneignung. Es komme nicht darauf an, ob Appropriation betrieben wird – sondern, ob diese berechtigt ist. 23 Punkte

Pierre Charbonnier, Überfluss und Freiheit. Eine ökologische Geschichte der politischen Ideen, S. Fischer, 512 Seiten, 36,– €
Pierre Charbonnier, Überfluss und Freiheit. Eine ökologische Geschichte der politischen Ideen, 512 Seiten, 36,– €
Quelle: S. Fischer

10. (6) Von John Locke bis Karl Marx gehe die politische Ideengeschichte von einer falschen Annahme aus, schreibt der französische Philosoph Pierre Charbonnier: die Erde als unerschöpfliche Quelle von Reichtum. Unsere Konzepte von Freiheit, Gleichheit und Autonomie beruhten auf diesem Denkfehler. Er fordert: eine konsequente Abkehr vom eigentumsgestützten „Produktionismus“, der die Moderne prägt. 21 Punkte

Jedes Jury-Mitglied der Sachbuch-Bestenliste vergibt monatlich an vier Sachbücher je einmal 15, 10, 6 und 3 Punkte.

Die Jury der Sachbuch-Bestenliste: René Aguigah (Deutschlandfunk Kultur), Peter Arens (ZDF), Susanne Billig (Deutschlandfunk Kultur), Ralph Bollmann (F.A.S.), Stefan Brauburger (ZDF), Alexander Cammann (DIE ZEIT), Gregor Dotzauer (Der Tagesspiegel), Heike Faller (DIE ZEIT), Marlen Hobrack (DIE ZEIT), Daniel Fiedler (ZDF), Jenny Friedrich-Freksa (Kulturaustausch), Manuel J. Hartung (ZEIT-Stiftung), Thorsten Jantschek (Deutschlandfunk Kultur), Kim Kindermann (Deutschlandfunk Kultur), Inge Kutter (DIE ZEIT), Hannah Lühmann (DIE WELT), Tania Martini (taz), Susanne Mayer (DIE ZEIT), Peter Neumann (DIE ZEIT), Catherine Newmark (Deutschlandfund Kultur), Jutta Person (freie Literaturkritikerin), Bettina von Pfeil (ZDF), Jens-Christian Rabe (Süddeutsche Zeitung), Christian Rabhansl (Deutschlandfunk Kultur), Anne Reidt (ZDF), Anna Riek (ZDF), Stephan Schlak (Zeitschrift für Ideengeschichte), Hilal Sezgin (freie Autorin), Catrin Stövesand (Deutschlandfunk), Elisabeth von Thadden (DIE ZEIT)

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Frau vor Ausstellungswand mit Schrift "Ich blute, also bin ich"

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  • Untertitel

Warum müssen Frauen erst zu Expertinnen ihrer eigenen Gesundheit werden, um Gehör zu finden?

22.11.2024
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