Fernsehrat Rainer Robra sieht das ZDF mit seinen digitalen Angeboten auf dem richtigen Weg, „sich zukunftsfähig aufzustellen.“ Der Ausbau von „online first“- Inhalten ist aus Sicht des Chefs der Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt wichtig.
#Fernsehrat: Rund 3,3 Millionen (Vorjahr: 2,1 Millionen) Personen haben sich bei der ZDFmediathek registriert, rund 800.000 (Vorjahr: 130.000) melden sich pro Monat mindestens einmal an und nutzen Inhalte. Wie bewerten Sie die Entwicklung der digitalen ZDF-Angebote?
Rainer Robra: Den steigenden Zuspruch für die digitalen Angebote werte ich als sicheres Zeichen dafür, dass das ZDF mit dem Ausbau und der Weiterentwicklung der digitalen Angebote auf dem richtigen Weg ist, sich zukunftsfähig aufzustellen. Mit Blick auf die sich ändernden Nutzungsgewohnheiten gewinnen digitale Angebote immer mehr an Bedeutung, um ein breites Publikum mit diversen Interessen individuell anzusprechen. Betonen möchte ich aber auch, dass die Angebote der ZDFmediathek auch nicht registrierten Nutzerinnen und Nutzern in vollem Umfang zur Verfügung stehen und diese rege davon Gebrauch machen.
#Fernsehrat: In den digitalen Angeboten des ZDF sollen Inhalte künftig häufiger "online first" produziert und publiziert werden. Wie finden Sie das?
Robra: Der Ausbau von „online first“-Inhalten ist im Hinblick auf die zunehmende Nutzung von non-linearen Angeboten wichtig. Er ermöglicht, gezielter auf unterschiedliche Nutzungsinteressen einzugehen und so insbesondere jüngere Zielgruppen besser als bisher zu erreichen. Das Gesamtangebot wird dadurch erweitert und die programmliche Vielfalt erhöht. Insgesamt kann so die Attraktivität der digitalen Angebote des ZDF gesteigert und zur Herausbildung eines starken Markenkerns beigetragen werden. Die KEF hat in ihrem jüngsten Bericht ebenfalls angemahnt, dass mit der zunehmenden Produktion für die Mediatheken und Plattformen eine stärkere strategische Steuerung erforderlich ist. Als Fernsehrat sollten wir daher im Rahmen unserer Aufgaben und Möglichkeiten noch genauer hinsehen.
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#Fernsehrat: Personalisierung und Empfehlungssysteme mit Hilfe von Algorithmen sollen verstärkt zum Einsatz kommen und immer wieder weiterentwickelt werden. Im Fernsehrat wurde bereits ausführlich darüber diskutiert, dass der Einsatz von Algorithmen zum Entstehen von Filterblasen führen kann, Algorithmen aber auch gerade gegen diese Filterblasenentwicklung eingesetzt werden könnten. Wie schätzen Sie diese Diskussion ein und wie sollte das ZDF Ihrer Ansicht nach dahingehend mit seinen digitalen Angeboten umgehen?
Robra: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist dem Erhalt von Pluralität und Vielfalt im Programm verpflichtet. Der Einsatz von Empfehlungssystemen und Personalisierung im Online-Angebot des ZDF darf also nicht dazu führen, dass ein offener Meinungsbildungsprozess und breiter inhaltlicher Diskurs durch das Entstehen von Filterblasen eingeschränkt werden. Angesichts des Krieges in der Ukraine und der staatlichen Steuerung russischer Medien wird die Bedeutung dessen für unser demokratisches Wertesystem mehr als deutlich.
Die Auswirkungen von Personalisierung und Algorithmus-gesteuerten Empfehlungssystemen müssen deshalb immer wieder auf den Prüfstand gestellt und wenn nötig angepasst werden, um möglichen Verzerrungen vorzubeugen. Der stetige Austausch zwischen den Redaktionen, Expertinnen und Experten sowie Nutzerinnen und Nutzern in den weiteren Entwicklungsprozessen ist dabei ebenso wichtig wie die begleitende Erörterung im Fernsehrat.
#Fernsehrat: Mit der ARD wurde ein Einstieg in das gemeinsame Streaming-Netzwerk besprochen. Wie sehen Sie dieses Vorhaben, und wie beurteilen Sie das Voranschreiten der Häuser?
Robra: Die Menschen erwarten, dass öffentlich-rechtliche Inhalte einfach und mit wenigen Schritten auffindbar sind. Die Länder haben deshalb bereits früh die Vernetzung der Inhalte der ARD-Anstalten, des ZDF und des Deutschlandradios formuliert. Bei allem Verständnis für die Wichtigkeit von Marken bin ich froh, dass eine weitere Vernetzung stattfindet und kontinuierlich weiterentwickelt wird. Auf diese Weise wird der journalistische Wettbewerb aus meiner Sicht gestärkt und die Angebotsvielfalt sichtbar. Mit Blick auf qualitätsvolle Inhalte und den transparenten und verantwortungsvollen Umgang mit Daten kann eine gemeinsame öffentlich-rechtliche Streaming-Plattform durchaus Vorbildcharakter entfalten und eine attraktive Alternative zu privaten Anbietern werden. Ein erster Schritt ist getan, weitere sollten zeitnah folgen.
Zur Person: Rainer Robra wurde 1951 in Nienhof/Celle geboren. Seit 2002 ist Robra Staatsminister und Chef der Staatskanzlei sowie Europaminister, seit 2016 zudem Kulturminister des Landes Sachsen-Anhalt. Ebenfalls seit 2002 ist der 70-jährige Jurist Mitglied im ZDF-Fernsehrat. In der aktuellen Amtsperiode ist er im Programmausschuss Programmdirektion vertreten. Neben einer Reihe von Mitgliedschaften in Aufsichtsräten und Kontrollgremien insbesondere im Bereich Kunst, Kultur und Medien ist er als Geschäftsführer und Vorsitzender der „Stiftung Rechtsstaat Sachsen-Anhalt e.V.“ tätig.