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Der Auftrag gilt für alle

Benjamin Grimm über die Entwicklung der Digitalangebote des ZDF

Fernsehrat Dr. Benjamin Grimm freut sich über die steigenden Nutzungszahlen bei den ZDF-Online-Angeboten, denn diese sind für ihn „auch Ausdruck der Qualität“. Das gemeinsame Streaming-Netzwerk mit der ARD sieht er positiv, gleichzeitig bedürfe es aber auch weiterer Anstrengungen, um mehr Gewicht zu erlangen.

Porträt Fernsehratsmitglied Dr. Benjamin Grimm
Fernsehratsmitglied Dr. Benjamin Grimm
Quelle: ZDF/Jana Kay

#Fernsehrat: Rund 3,3 Mio. (Vorjahr: 2,1 Mio.) Personen haben sich bei der ZDFmediathek registriert, rund 800.000 (Vorjahr: 130.000) melden sich pro Monat mindestens einmal an und nutzen Inhalte. Wie bewerten Sie die Entwicklung der digitalen ZDF-Angebote?

Benjamin Grimm: Diese Steigerungszahlen sind hervorragend. Der Zuwachs bei den ZDF-Online-Angeboten freut mich und ist auch Ausdruck der Qualität. Und damit kommt das ZDF auch seinem Auftrag nach, als Medium und Faktor der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. So steht es im Medienstaatsvertrag. Dieser Auftrag gilt gegenüber allen Teilen der Bevölkerung, auch gegenüber jenen, die sich (fast) nur noch im Internet bewegen. Daher muss das ZDF auch in einer digitalen Welt mit ihren eigenen Kommunikationsmechanismen akzeptiert und relevant sein, um dort seinen Auftrag umsetzen zu können.

#Fernsehrat: In den digitalen Angeboten des ZDF sollen Inhalte künftig häufiger „online first“ produziert und publiziert werden. Wie finden Sie das?

Grimm: Noch ist es so, dass lineare und non-lineare Angebote gemeinsam gedacht und (fort-)entwickelt werden. Das hängt damit zusammen, dass sich der Online-Bereich maßgeblich aus dem Linearen ableitet. Mit der Flexibilisierung des Auftrages werden die Länder dieses Prinzip ein Stück weit aufgeben. Für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eröffnet sich dann zum Beispiel die Möglichkeit, lineare Programme aufzugeben und diese in Online-Formate zu überführen. Damit wird dem Online-Bereich eine ganz eigenständige Bedeutung zukommen. „Online first“ wird dann weniger eine Rolle spielen als die Frage nach dem „online only“. Im Übrigen glaube ich nicht, dass „online first“ die linearen Angebote schwächt – falls die Frage hierauf anspielt. Vielmehr gehe ich davon aus, dass sich das Publikum des klassischen Fernsehens einerseits und die Nutzerinnen und Nutzer der Mediatheken teilweise überschneiden und sich andererseits bereits heute schon zu eigenständigen Zielgruppen entwickelt haben.

#Fernsehrat: Personalisierung und Empfehlungssysteme mit Hilfe von Algorithmen sollen verstärkt zum Einsatz kommen und immer wieder weiterentwickelt werden. Im Fernsehrat wurde bereits ausführlich darüber diskutiert, dass der Einsatz von Algorithmen zum Entstehen von Filterblasen führen kann, Algorithmen aber auch gerade gegen diese Filterblasenentwicklung eingesetzt werden könnten. Wie schätzen Sie diese Diskussion ein und wie sollte das ZDF Ihrer Ansicht nach dahingehend mit seinen digitalen Angeboten umgehen?

Grimm: Mit Hilfe von Algorithmen können Inhalte gezielt auf Interessen und Neigungen der Nutzerinnen und Nutzer zugeschnitten werden. Aber es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen den beiden Anbietergruppen: Während die Personalisierungs- und Empfehlungssysteme der kommerziellen Anbieter eher durch wirtschaftliche Interessen geprägt sind, nämlich die Maximierung der Verweildauer zur Erhöhung des Werbewertes, sollten die öffentlich-rechtlichen Anbieter ihre Empfehlungssysteme nutzen, um einen offenen Meinungsbildungsprozess und breiten inhaltlichen Diskurs zu ermöglichen. Sie sollten den Nutzerinnen und Nutzern – als Basis eines demokratischen Gemeinwesens – unterschiedliche Inhalte, Genres und Meinungen nahebringen. Oder wie das ZDF es ausdrückt: Der öffentlich-rechtliche Auftrag muss in Algorithmen übersetzt werden.

#Fernsehrat: Mit der ARD wurde ein Einstieg in das gemeinsame Streaming-Netzwerk besprochen. Wie sehen Sie dieses Vorhaben, und wie beurteilen Sie das Voranschreiten der Häuser?

Grimm: Das gemeinsame Streaming-Netzwerk wird den Blick für das Gesamtangebot der ARD und des ZDF weiten. Das ist eine sehr positive Entwicklung. Dennoch glaube ich, dass es weitere Anstrengungen braucht, um sich in einer zunehmend konzentrierten Medienlandschaft mehr Gewicht zu verschaffen. Laut ARD/ZDF-Onlinestudie 2021 greifen 21 % der Menschen ab 14 Jahren mindestens einmal wöchentlich auf die frei zugänglichen Mediatheken von ARD und ZDF zurück. Damit liegen die öffentlich-rechtlichen Mediatheken zwar vor dem kostenpflichtigen Anbieter Amazon Prime Video (18 %), aber hinter dem ebenfalls kostenpflichtigen Anbieter Netflix (32 %), der seinen Abstand im Übrigen weiter ausbaut. Ich habe daher durchaus Sympathien für die Forderungen einzelner Länder nach einer gemeinsamen öffentlich-rechtlichen Mediathek.

Zur Person: Dr. Benjamin Grimm, geboren 1984 in Jerusalem, hat Rechtswissenschaften an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) sowie der Humboldt-Universität zu Berlin studiert und verfügt über einen Master in Laws des Trinity Colleges Dublin. Er arbeitete als Rechtsanwalt und ist seit 2019 Staatssekretär in der Staatskanzlei des Landes Brandenburg und Beauftragter für Medien und Digitalisierung.

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