Es war eine lebhafte Sitzung am vergangenen Freitagmorgen. Ein erster Schwerpunkt der Sitzung des ZDF- Fernsehrats ergab sich aus der aktuellen Debatte um Compliance bei der ARD und damit beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Intendant Norbert Himmler verwies in diesem Zusammenhang gleich bei seinem Tätigkeitsbericht auf den modernen ZDF-Staatsvertrag, der auch in Bezug auf Compliance-Regeln umfassende Vorgaben mache. Dennoch gelte es, sich in Fragen der Compliance und Governance ständig weiterzuentwickeln. Himmler kündigte daher an, im Zuge der aktuellen Debatte das Regelwerk erneut zu überprüfen und, wo nötig, zu verfeinern.
Olaf Joachim, Vorsitzender des Ausschusses für Finanzen, Investitionen und Technik, berichtete, dass sich sein Ausschuss intensiv mit dem Thema befasst hat; zuletzt im Zusammenhang mit dem neu eingerichteten Compliance-Board des ZDF. Verschiedene Neuregelungen wurden in den Verwaltungsanordnungen niedergelegt. Die systematischen Fragen seien daher beim ZDF auf dem neuesten Stand. Dennoch müsse man sich stets mit Strukturen und mit der Umsetzung auseinandersetzen. Dazu habe es auch mit den Mitgliedern des Verwaltungsrates Verwaltungsratsmitgliedern konstruktive Diskussionen gegeben. In den Gremien nehme jeder an seine Stelle seine Verantwortung wahr. Der Erste Stellvertretende Vorsitzende des Verwaltungsrates Peter Heesen ergänzt, Compliance sei ein ständiges Thema, weil sein Gremium dafür stehe, die Einhaltung sämtlicher Regeln im ZDF zu sichern. Aus Verantwortung vor dem Beitragszahler gelte es nicht nur, die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten, sondern auch für Transparenz zu sorgen. Er sorge sich, dass das ZDF trotz der Arbeit des Verwaltungsrates in der öffentlichen Diskussion immer als Teil des Systems „mitverhaftet“ werde. Dafür gebe es keinen Grund. Auch er verweist in diesem Zusammenhang auf den neuen Staatsvertrag, der eben jene Transparenz in den Mittelpunkt stelle. „Es ist uns durch den Staatsvertrag eine Art Regulierungsvorsprung entstanden, und diesen haben wir im Verwaltungsrat voll umgesetzt.“
Marlehn Thieme betonte schließlich die Selbstvergewisserung der Aufsichtsorgane in ihren jeweiligen Zuständigkeiten und kündigte eine Selbstevaluation des Fernsehrates an, um Bedarfe von Mitgliedern zu ermitteln. Beim Gremienbüro gibt es bereits eine klare Trennung zwischen disziplinarischer Führung durch das Haus und Fachaufsicht durch die jeweiligen Vorsitzenden. Die Möglichkeit, externe Gutachter zu beschäftigen, ist gegeben und wird bereits genutzt. Seit Inkrafttreten des neuen ZDF-Staatsvertrages herrsche eine Kultur der Transparenz und Kooperation. Nach den Worten Thiemes findet eine Verständigung des Fernsehrates mit der Geschäftsleitung über Zielstellungen für die kommenden zwei Jahre mit einer klaren Analyse auf Abweichungen statt. Verbesserungsmöglichkeiten sehe sie bei der Transparenz unter den Mitgliedern, die sie durch Fragebögen zu Selbstevaluierung und Abfrage von Unvereinbarkeiten angehen wolle. Insgesamt sei die Aufsicht gut aufgestellt und nehme ihre Verantwortung für das ZDF und die Mitarbeitenden wirksam wahr.
ZDF KOMPASS als wichtiges Instrument
In der Folge stellte Intendant Norbert Himmler eine neue ganzheitliche Steuerungssystematik für das Management und die Aufsichtsgremien vor: den ZDF KOMPASS. „Mit diesem Instrument können quantitative und qualitative Unternehmensziele besser überprüft und gesteuert werden“, erklärt er. Die Systematik verknüpft erstmals alle relevanten Messgrößen auf den Ebenen Nutzung, Qualität, Wirkung und Akzeptanz miteinander. Dabei ist die Qualitätsmessung ein zentrales Element.
Der Fernsehrat kann künftig überprüfen, ob das ZDF die inhaltlichen und formalen Qualitätsstandards erfüllt – und zwar in einem siebenstufigen Prüfverfahren mit den Dimensionen Gesellschaftsrelevanz, Vielfaltsdarstellung, Branchenwirkung, Zugänglichkeit, Glaubwürdigkeit, Kompetenzzuschreibung und Programmbewertungen. Zudem plant das ZDF zur Qualitätsmessung das erste bundesweite öffentlich-rechtliche Publikums-Panel. In einer breiten und umfassenden Diskussion begrüßten verschiedene Fernsehräte das Vorhaben und gaben zum Ausdruck, dass damit ein spannender Prozess zur Qualitäts- und Nutzungsforschung angestoßen wird, der auch die zukünftigen Diskussionen im Fernsehrat auf eine qualitativ noch höhere Ebene stellen wird. Steffen Kampeter bekräftigt die Bewertung der Vorsitzenden des Fernsehrates, wonach der ZDF KOMPASS ein beeindruckendes Instrumentarium darstellt. Gleichzeitig warf er die Frage auf, wie sich in Zukunft das Verhältnis von Kontrolle und Kritik des Fernsehrates und dem ZDF KOMPASS entwickeln wird. „Die Frage ist doch, ob wir zukünftig als Fernsehrat den KOMPASS als Informationsinstrument für unsere Arbeit nutzen wollen oder das ZDF zukünftig geneigt ist, unsere Kritik mit Verweis auf den KOMPASS zurückzuweisen?“ Hans Ulrich Anke hält die von Steffen Kampeter aufgeworfene Frage für hochspannend und wichtig. Er sieht den KOMPASS aber gerade auch als Chance, dass man aus „manchen Zufälligkeiten von Qualitätsdebatten“, die oft sehr subjektiv geführt werden zukünftig herauskommt. Der KOMPASS fordert „auch uns heraus, unsere subjektiven Einschätzungen messbarer zu machen“, so Anke.
Erfolgreiche Wissenschaftsformate
Auch zu den Wissenschaftsangeboten des ZDF entstand eine rege Debatte. In der entsprechenden Vorlage heißt es: Die Vermittlung von Wissen und von Wissenschaft ist klarer Programmauftrag des ZDF. Gerade in Zeiten von Pandemie, Klimawandel und Krieg in Europa muss Wissenschaft dazu dienen, „Fake News“ Fakten entgegenzustellen, Hintergründe aktueller Konflikte zu erklären und konkrete Antworten zu finden.“ Ein neues Strukturmodell regelt im ZDF die enge Vernetzung zwischen den verschiedenen Wissenschafts-Redaktionen und dem Ausspielen auf Kanälen und Plattformen. Mit Erfolg: „Wunderwelt Chemie“ und andere Dokureihen von "Terra X" erreichen gute Sehbeteiligungen, Online-Inhalte der Hauptredaktion Geschichte und Wissenschaft viele Sichtungen.
Die befassten Ausschüsse und weitere Fernsehrats-Mitglieder lobten die Arbeit der einschlägigen Redaktionen und den Erfolg der Formate für die jeweiligen Zielgruppen. Andreas Breiter empfahl als Mitglied im Fernsehrat aus dem Bereich "Wissenschaft und Forschung" dringend eine Kooperation mit Wissenschafts-Organisationen. Er betonte, dass Wissenschaft mehr als Forschung ist. Die Lehre und die Studierenden sieht er im Programm unterrepräsentiert. Auch Sozial- und Geisteswissenschaften sollten stärker in den Blickpunkt gerückt werden. Es gehe darum, Neugier für wissenschaftliche Fragen zu erzeugen. Außerdem gehe es auch um die kritische Reflexion wissenschaftlicher Arbeit und die Methodenvielfalt. Und: „Ich wünsche mir, dass sich Wissenschaft als fantastischer Beruf auch in fiktiven Formaten wiederspiegelt.“ Gabriele Köster betonte die Bedeutung der Kombination von Geschichtsdokumentation und fiktionaler Sendung für das Publikum, die das ZDF schon des Häufigeren praktiziert hat. Als aktuelles Beispiel führte sie die „Wannsee-Konferenz“ mit deren begleitenden Geschichtsdokumentation auf, die etwa als fiktionale Sendung gerade einen Fernsehpreis bekommen hatte.
Zum Abschluss der Diskussion fügte Intendant Himmler hinzu, man sei derzeit im Aufbau von Kooperationen mit Wissenschafts-Institutionen und habe beispielsweise mit der Leopoldina erste Gespräche geführt. An solchen Kooperationen arbeite man intensiv.
Fernsehrat verabschiedet Chefredakteur Frey
Außerdem befasste sich der Fernsehrat neben den erwähnten Themen auch mit dem Drei-Stufen-Test zu den wesentlichen Änderungen der Telemedienangebote von KiKA.
Zum Abschluss der Sitzung verabschiedet der Fernsehrat Peter Frey als Chefredakteur. Er war zwölf Jahre Chefredakteur und geht nun in den Ruhestand. Die Vorsitzende Marlehn Thieme dankte ihm für die Arbeit. Der Fernsehrat habe diese immer gern begleitet. „Wir haben vor allem die vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit sehr geschätzt.“ Der Fernsehrat spendete dem scheidenden Chefredakteur einen herzlichen Applaus.