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Der Anreiz zur Neugier

Fernsehrätin Dr. Gabriele Köster über die Wissenschaftsangebote des ZDF

Fernsehrätin und Kunsthistorikerin Dr. Gabriele Köster sieht die Weichen bei den Wissenschaftsangeboten des ZDF zukunftsorientiert gestellt, erwartet aber auch einen langfristigen Prozess.

#Fernsehrat: Mit seinen Wissenschaftsangeboten will das ZDF Fakten nachvollziehbar vermitteln und damit Desinformationen entgegenwirken – wie gut gelingt das aus Ihrer Sicht?

Gabriele Köster: Gerade die Reihe Terra X hat sich als Wissenssendung über die letzten Jahrzehnte eine große Glaubwürdigkeit erarbeitet: immer am Puls der Zeit und in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen der unterschiedlichsten Fachgebiete in Deutschland und in aller Welt. Wir haben es soeben erlebt: Globale Ereignisse wie die Pandemie und der Klimawandel oder der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine wecken in uns das Bedürfnis, neben der aktuellen Berichterstattung auch Grundlagen und Orientierungswissen nicht nur aus dem Gebiet der Medizin und Klimawissenschaften, sondern auch der Psychologie, der Soziologie oder den Geschichtswissenschaften so aufbereitet zu erhalten, dass wir es ohne großes Vorwissen verstehen und gleichzeitig darauf vertrauen können, dass es dem aktuellen Forschungsstand entspricht. Die ZDF-Familie hat zielgruppenorientiert und auf unterschiedlichen Kanälen und digitalen Plattformen geliefert und tut dies auch unabhängig von Anlässen auf allen Gebieten der Allgemeinbildung.

Porträt Fernsehratsmitglied Dr. Gabriel Köster
Fernsehratsmitglied Dr. Gabriele Köster
Quelle: Charlen Christoph, Kulturhistorisches Museum

Trotzdem ist die Frage schwer zu beantworten, inwieweit es gelungen ist, Desinformation entgegenzuwirken. Fake News und Verschwörungstheorien sind nach wie vor eine aktuelle und relevante gesellschaftliche Gefahr. Hoffnungsfroh stimmt aber, das mit der neuen Strategie des ZDF, in der verschiedene Redaktionen zusammenwirken, auch junge Zuschauer*innen und Nutzer*innengruppen erreicht werden, die sich nicht mehr auf das analoge Fernsehen einlassen. Besonders gut gefällt mir, dass seit einiger Zeit für Wissenschaftssendungen entstandenes Creative Commons-Material bestimmt wird, das der Gesellschaft – die ja nun mal das Programm finanziert – zur freien Weiternutzung zu Verfügung gestellt wird.

#Fernsehrat: Ein neues Strukturmodell regelt im ZDF die enge Vernetzung zwischen den verschiedenen Wissenschafts-Redaktionen und dem Ausspielen auf Kanälen und Plattformen. Wie gut funktioniert das Ihrer Meinung nach?

Köster: Die Zeiten, in denen sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk darauf verlassen konnte, sein Publikum zu finden, sind lange vorbei. Gerade bei jüngeren Menschen muss das ZDF dahin gehen, wo diese zu finden sind. Das heißt, die Nutzung aller eigenen Distributionswege sowie von Drittplattformen ebenso wie der Dialog mit den Nutzer*innen sind das A und O des Erfolgs. Einige Formate wie die YouTube-Kanäle und Podcasts von Terra X sind sehr erfolgreich und haben auch in diesem Jahr wieder eine steigende Tendenz in den Zugriffen. Doch dieses Crossover der Medien und Redaktionen sowie der Publikumsdialog sind ohne Frage sehr personalintensiv. Die Weichen sind zukunftsorientiert gestellt, aber es handelt sich um einen langfristigen Prozess.

#Fernsehrat: Köpfe wie Dr. Mai Thi Nguyen-Kim und Prof. Harald Lesch prägen das Bild der Wissenschaftsberichterstattung. Wie wichtig sind prominente Protagonisten für die Wissenschaftsvermittlung?

Köster: Hinter neuen Entdeckungen und Erkenntnissen stehen heute gerade in den Naturwissenschaften in der Regel große Teams. Insofern könnte man fragen, wieso wird mir diese Vielfalt von immer denselben Köpfen präsentiert. Aber es geht ja um etwas anderes. Es ist eine unschätzbare Fähigkeit und hohe Kunst, komplexe Forschungen zur Astrophysik oder Chemie allgemeinverständlich und auch noch unterhaltsam darzubieten. Professor Lesch und Dr. Mai Thi Nguyen-Kim können das. Ebenso zu nennen wären Professor Christopher Clark oder Mirko Drotschmann für historische Themen. Wir schätzen ja gerade die Eigenarten und die besondere Diktion, die sich nur erschließt, wenn solche Welterklärer langfristig aufgebaut werden und wir zu Fans werden können.

Ich finde es gut, dass neben Professor Lesch, der ja in hohem Maße dem gesellschaftlich verankerten Typus des europäischen Gelehrten entspricht, nun eine junge Frau mit asiatischen Wurzeln zum Gesicht der Wissenschaftsredaktion des ZDF geworden ist. Wissenssendungen sollen ja immer auch Anreiz geben, selbst neugierig zu sein und, wenn es sich um jüngere Zuschauer*innen handelt, möglicherweise sogar selbst einmal Forscher*in zu werden.

#Fernsehrat: „Wunderwelt Chemie“ und andere Dokureihen von "Terra X" erreichen gute Sehbeteiligungen und Marktanteile, Online-Inhalte der Hauptredaktion Geschichte und Wissenschaft viele Sichtungen. Wie bewerten Sie die Akzeptanz der Wissenschaftsformate beim ZDF?

Köster: Der Bedarf, sich zu verschiedenen Fachgebieten schnell und unterhaltsam zu informieren, ist offenbar sehr groß. Der Bericht des Intendanten zu Wissenschaft in den ZDF-Programmen, der dem Fernsehrat vorgelegt wurde, beginnt mit dem Zitat des antiken griechischen Philosophen Aristoteles „Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen“. Und das ist offenbar auch zweieinhalbtausend Jahre später noch der Fall. Es wird uns heute über die Mediatheken und das Netz so unfassbar leicht gemacht, mit wenigen Klicks Zugang zu gut recherchierten Wissenssendungen zu finden und dann zu wählen, ob wir ein YouTube-Video von 4 Minuten oder eine Dokumentation von 30-45 Minuten zu dem Thema sehen, oder lieber einen Podcast hören wollen. Und das ist doch fast ausschließlich ein Alleinstellungsmerkmal der Öffentlich-Rechtlichen. Wir sollten das zu schätzen wissen.

Zur Person: Dr. Gabriele Köster, Direktorin der Magdeburger Museen. Die Kunsthistorikerin ist seit 2017 Mitglied des ZDF-Fernsehrats. Sie wurde vom Museumsverband Sachsen-Anhalt aus dem Bereich „Heimat und Brauchtum“ entsendet und wirkt in den Ausschüssen Programmdirektion und Partnerprogramme mit. Außerdem wurde sie vom ZDF-Fernsehrat in den Programmbeirat der ARTE Deutschland TV GmbH entsendet.

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