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Wissenschaft noch breiter in der Gesellschaft verankern

Fernsehrat Prof. Dr. Andreas Breiter über die Wissenschaftsformate im ZDF

„“Wissenschaft“ hat als Teilsystem eine herausragende Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung“, sagt Fernsehrat Prof. Dr. Andreas Breiter. Das ZDF sei durch die starke Wissenschaftsredaktion sehr gut aufgestellt. Er sieht aber an bestimmten Stellen auch noch Potenziale.

#Fernsehrat: Mit seinen Wissenschaftsangeboten will das ZDF Fakten nachvollziehbar vermitteln und damit Desinformationen entgegenwirken - wie gut gelingt das aus Ihrer Sicht?

Prof. Dr. Andreas Breiter: Es steht außer Zweifel, dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk hierbei eine zentrale Rolle zukommt. Wissenschaft hat als Teilsystem eine herausragende Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung. Sie liefert Hypothesen und Erklärungen nicht nur für die aktuellen globalen Themenfelder, sondern sie bildet die Grundlage für soziale und technologische Innovationen. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft stützen sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse, und es ist die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, in allen Formaten Desinformationen entgegenzuwirken. Dazu gehört auch, Wissenschaft noch breiter in der Gesellschaft zu verankern, um Falschdarstellungen und Mythen über Wissenschaft zu entlarven. Das ZDF ist hier durch die starke und weiter zu stärkende Wissenschaftsredaktion sehr gut aufgestellt – grundsätzlich ist es aber eine Aufgabe für alle Redaktionen. Wie gut das dem ZDF gelingt, ist pauschal schwer zu beantworten, dafür braucht es entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen.

Porträt Fernsehratsmitglied Andreas Breiter
Fernsehratsmitglied Prof. Dr. Andreas Breiter
Quelle: GfG/Universität Bremen

Bei den Wissenschaftsformaten geht es aber um mehr als die originären Wissenschaftssendungen. Es geht a) um die Erzeugung von Neugier für wissenschaftliche Fragen auch in fiktionalen Formaten (Bildungsauftrag); b) um die kritische Reflexion wissenschaftlicher Arbeit (wie funktioniert Wissenschaft als Betrieb und wo sind die Grenzen des Wissens) und c) um die Methodenvielfalt in den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen. Das ist eine große Herausforderung für Medienproduktion. Zudem umfasst die Wissenschaft nicht nur Forschung, sondern auch die Ausbildung von 3 Mio. Studierenden und die wissenschaftliche Weiterqualifizierung und eigenständige Forschung von ca. 200.000 Doktorand:innen und ca. 50.000 Postdoktorand:innen. Diese Gruppen wurden bislang zu wenig thematisiert und adressiert.

#Fernsehrat: Ein neues Strukturmodell regelt im ZDF die enge Vernetzung zwischen den verschiedenen Wissenschafts-Redaktionen und dem Ausspielen auf Kanälen und Plattformen. Wie gut funktioniert das Ihrer Meinung nach?

Breiter: Die Entscheidung vor einigen Jahren, eine Plattform-Strategie zu entwickeln und konsequent umzusetzen, halte ich gerade für das Themenfeld Wissenschaft für zwingend erforderlich. Diese Entwicklung ist außerordentlich positiv zu bewerten und die Variabilität bei den Plattformen spricht für die strategische Ausrichtung der Redaktion, um vielfältige Zielgruppen zu erreichen. Wie gut das intern funktioniert, vermag ich nicht zu beurteilen, aber es gibt keinen anderen Weg als den der Kooperation. Die Konkurrenz auf den kommerziellen Plattformen ist bereits heute sehr groß, wenn beispielsweise die unzähligen „Erklärvideos“ betrachtet werden. Das ZDF muss aber für den höchsten Qualitätsanspruch stehen und dabei trotzdem verständlich bleiben. Zu überlegen bleibt daher, ob nicht gemeinsam mit den Wissenschaftsorganisationen eine eigene Wissenschaftsplattform aufgebaut werden könnte. Diese könnte dann auch Bildungseinrichtungen gezielt zur Verfügung gestellt und mit den Bildungsmedienservern der Länder verbunden werden.

#Fernsehrat: Köpfe wie Dr. Mai Thi Nguyen-Kim und Prof. Harald Lesch prägen das Bild der Wissenschafts-Berichterstattung. Wie wichtig sind prominente Protagonisten für die Wissenschaftsvermittlung

Breiter: Wissenschaftskommunikation funktioniert sehr gut über Vorbilder. Beide Personen sind herausragende Beispiele für gelungene Wissenschaftskommunikation. Aber darüber hinaus gibt es ja weitere exzellente Wissenschaftler:innen aus der Forschung, die eine prominente Rolle im ZDF spielen. Es geht ja auch darum, klarzumachen, wie Wissenschaft funktioniert, und warum das auch ein attraktiver Beruf sein kann. Das ZDF kann dies gerne auf weitere Schultern ausweiten und dabei insbesondere die Geistes- und Sozialwissenschaften zu Wort kommen lassen, die bislang eher unterrepräsentiert sind. Gleiches gilt für Disziplinen wie die Informatik, die in Zukunft immer bedeutsamer werden und für die es entsprechende Fachwissenschaftler:innen in der Redaktion braucht.

#Fernsehrat: „Wunderwelt Chemie“ und andere Dokureihen von "Terra X" erreichen gute Sehbeteiligungen, Online-Inhalte der Hauptredaktion Geschichte und Wissenschaft viele Sichtungen. Wie bewerten Sie die Akzeptanz der Wissenschafts-Formate beim ZDF?

Breiter: Die linearen Formate werden noch eine Zeit lang bedeutsam sein. Aber die Entwicklung muss entschlossen in die Stärkung diverser Ausstrahlungswege gehen. Dazu müssen Formate angepasst werden und zugleich die Qualität erhalten bleiben. Die Akzeptanz im Sinne von Reichweite ist wichtig, aber bei Wissenschaft nur ein Aspekt. Wissenschaftsbasierte Meinungsbildung findet vor allem außerhalb der originären Wissenschaftssendungen statt. Ziel muss es sein, das ZDF als Marke für qualitativ hochwertige Wissenschaftsformate weiter zu stärken und auszubauen.

Zur Person: Prof. Dr. Andreas Breiter ist seit 2008 Professor für Angewandte Informatik mit dem Schwerpunkt Informationsmanagement und Bildungstechnologien an der Universität Bremen. Zugleich leitet er das gemeinnützige Institut für Informationsmanagement Bremen und ist derzeit Chief Digital Officer der Universität Bremen, nachdem er zuvor 5 Jahre als Konrektor für Forschung, wissenschaftlichen Nachwuchs und Transfer gewirkt hat. In seiner Forschung befasst er sich mit der digitalen Transformation von Bildung und Verwaltung, mit speziellem Blick auf Medienkompetenz, Datafizierung und Künstliche Intelligenz.

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