Es herrscht Kontinuität und Entwicklung beim ZDF-Fernsehrat. Zur Hälfte der XVI. Amtsperiode hat das Gremium Marlehn Thieme als Vorsitzende bestätigt. Von 45 abgegebenen Stimmen erhielt sie 37 Ja-Stimmen und sechs Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen. Neue Erste Stellvertretende Vorsitzende ist Katrin Kroemer. Zu den weiteren Stellvertretern bestimmte der Fernsehrat Gerda Hasselfeldt sowie Christoph Becker.
Unter Leitung der neuen und alten Vorsitzenden wurde die Berichterstattung zum Krieg in der Ukraine ein wichtiges Thema der jüngsten Sitzung. Frank Werneke, Vorsitzender des Programmausschusses Chefredaktion, bezeichnete es als eine Ehre, dass Reporterin Katrin Eigendorf zum Gespräch mit dem Ausschuss kam. Der Ausschuss habe den Teams in der Ukraine und Russland Dank und Respekt für ihre Arbeit ausgesprochen. „Wir haben unterstrichen, dass die Berichterstattung von einer hohen journalistischen Qualität und Sorgfalt geprägt ist, aber eben auch von Empathie, was angesichts der Kriegsverbrechen auch angemessen ist.“ In einem Krieg würden stets alle Parteien versuchen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Dem ZDF komme daher als wichtiges meinungsbildendes Medium in Deutschland eine besondere Aufgabe und Verantwortung zu.
Mehrheit im Programmausschuss würdigt Ukraine-Berichterstattung
Die Diskussion im Ausschuss habe mit großer Mehrheit ergeben, dass das ZDF diese Aufgabe mit großer Sorgfalt und mit großem Engagement erfüllt. Aus dem Kriegsgeschehen ergeben sich aus Sicht des Ausschusses viele weitere wichtige Themen, wie die Hungerkatastrophe in der Welt, die innenpolitische Debatte um die Bundeswehr oder die Debatte um die Energieversorgung. „Die gesamte Breite des ZDF-Programms ist von diesen Aspekten geprägt“, betonte Werneke. Die Vorlage sei aufgrund des fortlaufenden Kriegsgeschehens leider nur ein Zwischenbericht. Franz Josef Jung schloss sich als Vorsitzender des Ausschusses für Strategie und Koordinierung Wernekes Ausführungen an.
Fernsehrat Reinhard Klimmt bezeichnete es als Grundlinie der öffentlichen Debatte, dass die Ukraine den Krieg nicht verlieren und Putin denselben nicht gewinnen dürfe. Allerdings gebe es innerhalb dieser Zielsetzung zwei Linien – die eine fordere mehr Waffen und mehr Sanktionen, um Putin in die Knie zu zwingen; die andere wolle die Ukraine auch unterstützen, aber das beiderseitige Töten solle schnellstmöglich durch Verhandlungen beendet werden. Die erste Position vertrete häufig auch das ZDF und umschreibe das mit dem Begriff der Empathie. „Wenn ich die Berichterstattung über die Ukraine etwas nüchterner haben will, schaue ich mir den ORF an“, sagte Klimmt. In Österreich würden die Dinge etwas anders dargestellt und objektiver. Klimmt kritisierte eine Unausgewogenheit in einigen öffentlich-rechtlichen Talk-Formaten in Deutschland.
Empathie wird gekennzeichnet
Die Fernsehratsvorsitzende Marlehn Thieme betonte, dass auch solche Einlassungen selbstverständlich in die Arbeit der Journalisten einfließen und die Berichterstattung zur Ukraine das Gremium weiter beschäftigen werde. Die Beschlussvorlage wurde einstimmig angenommen. Später ergriff Intendant Dr. Norbert Himmler das Wort. Er berichtete über eine sehr selbstkritische interne Reflexion zur Ukraine-Berichterstattung. Man diskutiere jeden Tag aufs Neue, wie ausgewogen berichtet werden könne.
Insbesondere in der Frage der Empathie stellte er sich ausdrücklich vor die ZDF-Journalisten. Am Beispiel von Katrin Eigendorf betonte er: „Sie hat von ihren eigenen Erfahrungen mit den Menschen vor Ort berichtet. Sie hat das Wort Empathie erwähnt und zugleich deutlich gemacht, dass dieses in ihrer Berichterstattung kenntlich gemacht wird.“ Gerade sie berichte auch objektiv über die Zustände, daher werde das den journalistischen Ansprüchen des ZDF gerecht. Statt einer allgemeinen Selbstverteidigung, die schnell zum Eigenlob werden könne, zitierte er aktuelle Daten (A.d.R.: siehe ARD/ZDF-Programmanalyse, MediaPerspektiven 5/22), nach denen ARD und ZDF den mit Abstand höchsten Anteil an Politik-Berichterstattung im Vergleich der Medien haben und auch die Objektivierungskriterien sprächen für die öffentlich-rechtlichen Anstalten. Er sei im Übrigen mit Reinhard Klimmt einig, dass die breite demokratische Diskussion im ZDF geführt werden müsse. Das Gremium dankte Himmler mit Applaus für die Ausführungen.
Nachhaltigkeit als Pflicht
Ebenfalls bewegt hat den Fernsehrat das Thema Nachhaltigkeit. Debattiert wurde über die Entsprechenserklärung zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex 2022. Intendant Dr. Norbert Himmler bezeichnete Nachhaltigkeit als Pflicht des ZDF gegenüber der Gesellschaft. Dies solle künftig auch im Medienstaatsvertrag verankert werden. Außerdem sei Nachhaltigkeit wichtig für das ZDF als attraktiven Arbeitgeber. Dabei sei der Dreiklang aus Ökonomie, Ökologie und Sozialem ganzheitlich zu betrachten.
Dr. Olaf Joachim ergänzte als Vorsitzender des Ausschusses für Finanzen, Investitionen und Technik, dass Nachhaltigkeit beim ZDF schon seit geraumer Zeit ein wichtiges Thema sei. Er verwies darauf, dass entsprechende Berichte im Zwei-Jahres-Takt vorlegt werden – jeweils mit Zielen für die nächsten beiden Jahre. Als Vorsitzender des Ausschusses für Strategie und Koordinierung empfahl Dr. Franz Josef Jung die Annahme der Entsprechenserklärung und forderte, dass wesentliche Inhalte in der nächsten Selbstverpflichtungserklärung des ZDF berücksichtigt werden.
Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil
Fernsehrat Klaus Brunsmeier lobte die Vorlage und die Erfolge, die das ZDF in Sachen Nachhaltigkeit bereits erreicht hat. Er fragte allerdings mit Blick auf das 1,5-Grad-Ziel bei der Klima-Erwärmung: „Reichen die Anstrengungen des ZDF aus?“ Ein klimaneutrales ZDF bringe gerade bei jungen Leuten auch einen Wettbewerbsvorteil. Fernsehrätin Cornelia Tausch fragte, inwieweit das Thema Nachhaltigkeit bei der Beitragsfestsetzung durch die KEF berücksichtigt werde. Verwaltungsdirektorin Karin Brieden betonte, dass die Aufnahme der Nachhaltigkeit in die Präambel des Medienstaatsvertrages diese Aspekte bei der Beitragsbemessung künftig erleichtern werden, auch wenn es die Hauptaufgabe der KEF sei, auf die Wirtschaftlichkeit der Anstalten zu achten.
Fernsehrat Prof. Dr. Andreas Breiter bat darum, die Fragen der Digitalisierung und den Betrieb von Rechenzentren in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen. Produktionsdirektor Dr. Michael Rombach berichtete von Bemühungen zur Optimierung von Rechenleistungen beim ZDF. Die Entsprechenserklärung wurde einstimmig bestätigt.
In weiteren Tagesordnungs-Punkten ging es etwa um Regulierungsfragen auf EU-Ebene, Stand und Entwicklung der Telemedienangebote des ZDF und um den des KiKA. Zudem wurden mehrere Programmbeschwerden abgewiesen. In der nächsten Sitzung geht es unter anderem um die Instrumente zur Qualitätsmessung der ZDF-Programme. Dafür hat sich der Ausschuss für Strategie und Koordinierung bereits mit Experten von Rundfunkanstalten wie der NPO aus den Niederlanden und der britischen BBC ausgetauscht.