Es war ein bewegender Moment: Nach zehn Jahren Amtszeit hat der ZDF-Fernsehrat Intendant Thomas Bellut verabschiedet. Denn Bellut nahm das letzte Mal an einer Sitzung des Fernsehrates teil. Er stand nicht mehr für eine neue Amtszeit zur Verfügung und so hatte das Gremium in seiner Sitzung am 2. Juli vergangenen Jahres den bisherigen Programmdirektor Norbert Himmler als seinen Nachfolger gewählt.
Zum Abschied dankte die Vorsitzende des Fernsehrates Marlehn Thieme dem scheidenden Intendanten. Sie hob die gute Zusammenarbeit im vergangenen Jahrzehnt hervor. „Sie haben Ihre Pläne mit großer Offenheit begründet und dem Fernsehrat die Entscheidungsfindung sehr einfach gemacht“, sagte sie an Bellut gewandt. Was die Wünsche des Fernsehrates angehe, habe dieser „geliefert“. Zum Abschied gab es für Bellut großen Applaus aus dem Gremium.
Neben der Wahl des Intendanten ist es Aufgabe des Fernsehrates acht der 12 Mitglieder des Verwaltungsrates zu bestimmen. Die Wahl verlangt das anspruchsvolle Quorum von drei Fünfteln der gesetzlichen Mitglieder, sodass die Wahlgänge nicht ohne Spannung waren.
Mitglieder für den Verwaltungsrat gewählt
Nachdem sich die Kandidaten vorgestellt hatten, wurden die acht Mitglieder erfolgreich gewählt, die der Fernsehrat ab 1. Juli in die kommende fünfjährige Amtsperiode des Verwaltungsrates entsendet. Namentlich handelt es sich dabei um Prof. Dr. Gabriele Beibst, Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Dr. Reinhard Göhner, Peter Heesen, Michael Sommer, Prof. Dr. Barbara Thomaß und Prof. Dr. Birgitta Wolff.
Die Fernsehratsvorsitzende Marlehn Thieme sagte im Anschluss an das Wahl-Prozedere, das übrigens erstmals für die breite Öffentlichkeit per Livestream übertragen wurde: „Ich freue mich, dass wir ein hoch kompetentes und vielfältiges Team gewinnen konnten, das adäquate Rahmenbedingungen für ein zukunftsfähiges ZDF schaffen wird.“
Ukraine-Appell verabschiedet
Im weiteren Sitzungsverlauf befassten sich die Mitglieder des Fernsehrates auch mit der aktuellen politischen Lage. Schließlich prägt der Ukraine-Krieg maßgeblich die momentane Arbeit vieler Journalistinnen und Journalisten beim ZDF und auch die linearen und digitalen Angebote des Senders ganz maßgeblich.
Einstimmig hat der ZDF-Fernsehrat den Bruch des Völkerrechts durch den kriegerischen Angriff Russlands auf die Ukraine verurteilt und die sofortige Einstellung der Kriegshandlungen durch Russland gefordert. Insbesondere alle Angriffe auf die wehrlose Zivilbevölkerung, die zu einer humanitären Katastrophe führen, bezeichnete das Gremium als Kriegsverbrechen.
Besorgt zeigte sich der Fernsehrat darüber hinaus über die eklatante Einschränkung der Presse- und Informationsfreiheit, wonach Russland eine freie Berichterstattung mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft. Der Fernsehrat beobachte die Arbeit des ZDF-Studios in Moskau mit hoher Aufmerksamkeit. Mit Nachdruck hat das Gremium die Regierung um Staatspräsident Putin aufgefordert, Medienfreiheit für in- und ausländische Journalist*innen unverzüglich wieder herzustellen.
Respekt äußerte die Runde gegenüber denen, die unter Gefahr für Leib und Leben in der Ukraine als heimische Medienschaffende ebenso wie als Korrespondent*innen auch des ZDF direkt aus den Kriegsgebieten weiterhin Informationen sicherstellen. Dieser Respekt umschließt ausdrücklich auch jene, die in Russland und in Belarus dennoch für freie Meinungsäußerung eintreten.
Konzepte genehmigt
Selbstverständlich ging es in der Sitzung auch um inhaltliche und fachliche Fragen. So wurden die jeweiligen Telemedienänderungskonzepte von 3sat und phoenix genehmigt – und zwar einstimmig. Eine vorherige umfangreiche Prüfung ergab, dass die Neuerungen bei den Telemedienangeboten von 3sat beziehungsweise phoenix den Voraussetzungen des Medienstaatsvertrages entsprechen und vom öffentlich-rechtlichen Auftrag umfasst sind.
Die Konzepte hatte der scheidende Intendant Thomas Bellut vorgelegt und diese sehen wesentliche Änderungen in den Bereichen eigenständiger audiovisuelle Inhalte (Online-Only), Verweildauer/Archivkonzept sowie der Verbreitung der Inhalte über Drittplattformen vor. Die vom Fernsehrat beauftragten Marktgutachten, die eingegangenen Stellungnahmen Dritter, die Beschlussempfehlungen der Gremien-Vorsitzendenkonferenz der ARD (GVK) sowie die Diskussionen in den Ausschüssen und im Plenum des Fernsehrates sind in die Entscheidung eingeflossen.
Die Fernsehratsvorsitzende Marlehn Thieme betonte, „dass die geplanten Änderungen als wesentlich für den Erhalt der Zukunftsfähigkeit der Telemedienangebote von 3sat und phoenix anzusehen sind."
phoenix weiter als Auftrag
Im Rahmen der Diskussion zur aktuellen medienpolitischen Situation bekannte sich der Fernsehrat ausdrücklich zu phoenix. Gerda Hasselfeldt, Vorsitzende des Programmausschusses Partnerprogramme, betonte: „Wir haben uns im Ausschuss eindeutig dafür ausgesprochen, dass wir am bisherigen Auftrag von phoenix - als Dokumentations- und Ereignis-Kanal weiterhin aktiv zu sein – festhalten wollen.“ Gegenteilige Äußerungen aus der ARD-Spitze habe der Ausschuss mit Unverständnis zu Kenntnis genommen.
Prof. Dr. Hans-Günther Henneke bezeichnete es als ein Stück aus dem Tollhaus, das Telemedienänderungskonzept für phoenix voranzutreiben, zugleich jedoch das lineare Programm zu beschränken und zur Disposition zu stellen. Er appellierte an die Länder einzuschreiten und stellte fest: „phoenix ist öffentlich-rechtlicher Auftrag pur.“ Nathanael Liminski kritisierte die Art und Weise, wie der Vorschlag in einem Interview und „unabgesprochen“ von der ARD-Seite kommuniziert worden war. Das sende ein falsches Signal von Uneinigkeit ausgerechnet bei einem erfolgreichen gemeinsamen Projekt an die Öffentlichkeit. Auch weitere Fernsehräte stellten sich in Wortbeiträgen deutlich hinter phoenix.
Bei der inhaltlichen Bewertung der ZDF-Programme nahm der „Programmschwerpunkt „80 Jahre Wannseekonferenz“ und das damit verbundene Gedenken an den Holocaust einen angemessenen Raum ein. Der neue Intendant Norbert Himmler, der für den Schwerpunkt noch als Programmdirektor verantwortlich zeichnete, nannte die Wannseekonferenz ein Schlüsselereignis in der Geschichte des Holocausts. Die zentrale Frage sei gewesen, was man zeigen könne – und wie.
Im Ergebnis sei ein bedrückendes Kammerspiel produziert worden, das von einem umfassenden Programmangebot im TV sowie der Mediathek ergänzt wurde.
Dr. Hans Langendörfer sprach dem ZDF im Namen des Programmausschusses Programmdirektion seine Anerkennung aus, dieses anspruchsvolle Wagnis eingegangen zu sein. Beeindruckt habe den Ausschuss die reiche Fülle an Begleitprogrammen und -material. Eine große Aufgabe sei insofern sehr gut erfüllt worden. Dr. Franz Josef Jung betonte im Namen des Ausschusses für Strategie und Koordinierung, wie wichtig es sei, Antisemitismus entschieden entgegenzutreten. Weitere Fernsehräte schlossen sich der Würdigung an, Dr. Hans-Ulrich Anke hob dabei hervor, dass viele Begleitmaterialen unter freier Lizenz etwa an Schulen nutzbar seien.
Außerdem befasste sich der Fernsehrat unter anderem mit dem „Diskussionsentwurf der Länder zu Auftrag und Strukturoptimierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ und der entsprechenden Stellungnahme des ZDF, mit Personalisierung und Empfehlungssystemen bei den digitalen Angeboten des ZDF sowie mit dem Sachstand und der Entwicklung von ZDFinfo und 3sat. Auch wurden sieben Programmbeschwerden beraten, von denen sechs als unbegründet zurückgewiesen und eine wegen Abhilfe durch den Intendanten als erledigt erklärt wurde.