„Auch wenn das lineare Fernsehen in der Summe momentan weiterhin die Nase vorn hat, so wissen wir doch heute schon, dass das in Zukunft nicht so bleiben wird“, betont ZDF-Fernsehrätin Beate Bäumer. Die Juristin, Journalistin und Vertreterin der Katholischen Kirche in Deutschland äußert sich über die Weiterentwicklung der Online-Angebote des ZDF.
#Fernsehrat: Mit seinen Streaming-Angeboten auf eigenen Plattformen erreicht die ZDF-Familie 9,2 Millionen Erwachsene ab 14 Jahren. Wie wichtig ist die Online-Verbreitung der Inhalte - auch im Vergleich zu den linearen TV-Sendern des ZDF?
Beate Bäumer: Sie gewinnt zunehmend an Bedeutung, und das in einem rasanten Tempo. Die Relevanz der Online-Angebote wächst im Grunde genauso wie seine Nutzerinnen und Nutzer. Meiner Meinung nach ist es daher nur eine Frage der Zeit, wann sich der Trend umkehrt. Wir können das schon jetzt sehr gut ablesen, wenn wir die Gruppe der „ab 14-Jährigen“ unterteilen. Dann wird sichtbar, dass Online-Angebote allgemein bei den 14- bis 29-Jährigen eine deutlich größere Rolle spielen als in der sehr breit gefassten Gruppe der ab 14-Jährigen.
#Fernsehrat: Mit der Möglichkeit von „Personalisierung" und „Empfehlungen" wendet das ZDF Algorithmen-basierte Prozesse an und will zugleich seiner öffentlich-rechtlichen Verpflichtung, der Gesellschaft Orientierung, Vielfalt, Vertrauen und Transparenz zu bieten, gerecht werden. Wie kann das aus Ihrer Sicht gelingen?
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Bäumer: Indem man zunächst einmal keinen Widerspruch konstruiert zwischen einem Empfehlungssystem und dem öffentlich-rechtlichen Auftrag. Die Personalisierung muss auf jeden Fall einen Mehrwert für den Zuschauer bringen – im Idealfall vielleicht so etwas wie eine mediale Horizonterweiterung. Dafür eignet sich einfach die Anwendung von Algorithmen. Schließlich ist doch die Herausforderung, das vorhandene, vielfältige und qualitativ hochwertige Programm hier optimal zu nutzen und einzusetzen. Wer in die Mediathek schaut, wird von selbst immer nur einen sehr kleinen Ausschnitt der Programmvielfalt finden. Ein Empfehlungssystem eröffnet da ganz neue Einblicke. Für den formalen Rahmen sind mit Blick auf die Zukunft vor allem zwei Dinge wichtig: Eine gewisse Unabhängigkeit in puncto Vernetzung und Austausch, und daneben Transparenz, wenn es um den Datenschutz geht. Eine Herausforderung bei Datenerhebung und Datenschutz ist sicherlich, einerseits präzise und umfassend zu informieren und es andererseits so zu formulieren, dass auch Menschen ohne Fachkenntnis die Dinge verstehen.
#Fernsehrat: Das ZDF will im Rahmen des Projekts „Mediathek 2025" das Angebot zu einer Streaming-Plattform weiterentwickeln und damit deutlich jüngere Zielgruppen ansprechen. Wie bewerten Sie das?
Bäumer: Das ist genau richtig. Auch wenn das lineare Fernsehen in der Summe momentan weiterhin die Nase vorn hat, so wissen wir doch heute schon, dass das in Zukunft nicht so bleiben wird. Jugendliche und junge Erwachsene sind mit Streamingdiensten groß geworden und nicht mit einer Fernsehzeitschrift und festen Uhrzeiten. Eine gut funktionierende Streaming-Plattform führt im Idealfall auch dazu, dass die Nutzerinnen und Nutzer dort die Inhalte abrufen und nicht über Eck faktisch YouTube noch größer gemacht wird, weil der jungen Zielgruppe die Inhalte von den Sendern dorthin serviert werden. Perspektivisch sollte das ZDF zudem gerade in puncto Streaming-Plattform über eine große öffentlich-rechtliche Kooperation nachdenken.
#Fernsehrat: Inzwischen sind die personalisierten Angebote "Mein ZDF" und "Mein Programm" nach einer Anmeldung abrufbar. Wie finden Sie diese Angebote?
Bäumer: Ich find´s interessant. Ehrlich gesagt bin ich manchmal schon überrascht, was mir so empfohlen wird. Glücklicherweise sehe ich aber die Weiterentwicklung des Systems, denn am Anfang hatte ich schon den Eindruck, dass das Empfehlungssystem mich für eine besonders langweilige Nutzerin hält.
Zur Person: Beate Bäumer (geboren 1972) ist Juristin und Journalistin. Als Leiterin der Katholischen Büros in Schleswig-Holstein und Hamburg vertritt sie den Erzbischof von Hamburg gegenüber den Landesregierungen und Parlamenten als seine Ständige Beauftragte.
Sie ist seit 2012 Mitglied des ZDF-Fernsehrates als Vertreterin der Katholischen Kirche in Deutschland. Sie ist Mitglied des Programmausschusses Programmdirektion und Vorsitzende des Ausschusses Telemedien.