Bei den Sitzungen des ZDF-Fernsehrats kehrt ein wenig Normalität zurück. Zum zweiten Mal seit Beginn der Pandemie konnte das Gremium am Freitag (18.09.) in Mainz in persönlicher Anwesenheit tagen. An die Abstandsregeln haben sich die Fernsehräte inzwischen gewöhnt, einige Tagesordnungspunkte waren für die Anwesenden indes alles andere als alltäglich - etwa die immer häufigeren Angriffe auf Mitarbeiter*innen des ZDF, zum Beispiel bei der Berichterstattung über Demonstrationen.
ZDF-Sicherheitsmanager Frank Heider fasste die Aktivitäten des Senders in einer Präsentation zusammen und betonte: „Das ZDF hat sich für Sicherheitsfragen mit anderen Rundfunkanstalten und Sicherheitsbehörden vernetzt.“ Zu dem Thema gab es im Gremium hohen Diskussionsbedarf. Katrin Kroemer (Deutscher Journalisten-Verband) legte Wert auf das Schutzbedürfnis aller Medienschaffenden und bedauerte, dass sich der Fernsehrat überhaupt mit dem Thema befassen müsse. Bislang sei eine derartige Gefährdungslage nur aus dem Ausland bekannt; dass dies nun auch Deutschland betreffe, bedrücke sie. Die Angriffe würden sich nicht allein gegen Einzelne richten, sondern gegen das demokratische System. „Am Ende sind wir alle die Leidtragenden“, so Kroemer.
Familien tragen Gefährdungslagen mit
Michael Jörg (Inklusive Gesellschaft) lenkte den Blick auf seelische Aspekte, gerade wenn Kolleg*innen über „in diesem Falle unsoziale“ Medien psychisch unter Druck gesetzt würden. In diesem Zusammenhang wurde aus dem Kreis der Fernsehräte auf psychologische Begleitung und Betreuung von Angehörigen gedrungen, schließlich trügen die Familien der Korrespondent*innen die Gefährdungslagen mit.
Das ZDF erstattet nach eigenen Angaben bei Bedrohungen konsequent Anzeige, die Sicherheitsbehörden stießen indes oft auf Probleme bei der Nachverfolgbarkeit von IP-Adressen. In einem Beschluss verurteilt der ZDF-Fernsehrat jegliche verbale, virtuelle und körperliche Angriffe auf alle Drehteams und Journalist*innen als Gefahr für die Unversehrtheit der Person und die grundgesetzlich garantierte Pressefreiheit. Die ungehinderte Ausübung ihrer Aufgaben ist für den ZDF-Fernsehrat essentiell für die demokratische Funktion der Medien bei der freien Meinungsbildung der Bürger*innen.
„Natur verhandelt nicht“
Ausführlich debattiert wurde auch über den Tagesordnungspunkt „Umwelt- und Klimathemen in den ZDF-Programmangeboten“. Als entscheidend für eine angemessene Behandlung solcher Themen nannte Achim Dercks (DIHK) die Einordnung in komplexe Zusammenhänge und die Lösungsorientierung der Berichterstattung. Klaus Brunsmeier (BUND) bemerkte: „Natur verhandelt nicht und berücksichtigt keine wirtschaftlichen und sozialen Belange.“ Holger Schwannecke (Zentralverband des Deutschen Handwerks) ergänzte, dass Umwelt und Klima unseren Alltag beeinflussten – auch wirtschaftlich, sozial und ethisch. Daher gelte es, ein Gesamtbild zu vermitteln. Steffen Kampeter (Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände) mahnte, dass der Sender nicht dem gelegentlich geäußerten Wunsch nachgeben dürfe, sich zum Akteur bei den mit diesen Themen verbundenen Konflikten zu entwickeln. Er wies zudem auf den Fokus unternehmerischer Nachhaltigkeit hin, der sich in den vergangenen fünf Jahren massiv verändert habe.
Neben den programmlichen Aspekten würdigten die Fernsehräte auch das Engagement des ZDF, das Unternehmen selbst nachhaltiger zu gestalten.
Beratung über Programmbeschwerden
In der Sitzung wurde zudem über sieben Programmbeschwerden beraten. Ein Schwerpunkt der Diskussion lag auf der Sendung „Frontal 21“ vom 31. März 2020, nach der sich Forstwissenschaftler über einen Beitrag zur Waldbewirtschaftung beschwert hatten. Olaf Tschimpke (Naturschutzbund Deutschland) bezeichnete den Bericht von „Frontal 21” als erfrischend, da er eine zentrale Frage zur Abkehr von der traditionellen Forstwirtschaft behandelt habe. Der Beitrag sei wichtig, weil er Bewegung in die Debatte gebracht habe. Werner Schwarz (Deutscher Bauernverband) sah den Beitrag dagegen kritisch und wies darauf hin, dass dessen These nicht auf einer falschen Aussage beruhen dürfe und die wissenschaftlichen Grundlagen wesentlich seien. Der Fernsehrat wies die Programmbeschwerde letztlich als unbegründet zurück, empfahl aber, das Thema wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung für die Klimadebatte und für die Wirtschaftsfunktion des Waldes noch einmal umfassend aufzuarbeiten und einzuordnen. Dafür hätten der Beschwerdeführer und die ihn begleitenden Fachleute wichtige Anstöße gegeben.
Das ZDF in der Pandemie
In mündlichen Berichten informierte ZDF-Intendant Thomas Bellut über die medienpolitische Situation und die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das ZDF. Er zitierte aktuelle Studien, nach denen das Vertrauen in die Berichterstattung von ARD und ZDF sehr hoch ist. Im Juli 2020 hätten 71% der repräsentativ Befragten der Forschungsgruppe Wahlen (FGW) angegeben, dass ihr Vertrauen in die öffentlich-rechtliche Berichterstattung groß oder sehr groß ist, womit ein Höchstwert seit Beginn der Befragungen im Herbst 2015 erreicht worden sei. Die hohe Akzeptanz der ZDF-Angebote auch nach der Corona-Hochphase zeige sich im Übrigen bei Nachrichten- und Informationsangeboten, aber auch bei unterhaltenden Formaten.
Zudem befasste sich der ZDF-Fernsehrat u. a. mit Stand und Entwicklung des Ereigniskanals phoenix und Nachwahlen von Mitgliedern in den Programmausschuss Partnerprogramme und den Programmausschuss des Rundfunkrates der Deutschen Welle. Das nächste Mal tagt der ZDF-Fernsehrat am 11. Dezember – nach derzeitigem Plan erneut persönlich vor Ort in Mainz.