Russische Propaganda: Muss Ukraine für US-Waffen zahlen?
Russische Propaganda :US-Waffen für die Ukraine nur geliehen?
von Alexandra Hawlin, Washington, D.C.
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Kiew müsse US-Waffenlieferungen zurückzahlen - das behaupten russische Propagandisten. Tatsächlich billigte der US-Kongress ein Leih-und Pachtgesetz. Was hat es damit auf sich?
Kampfpanzer M1 Abrams
Quelle: dpa
Sind die US-Waffenlieferungen an die Ukraine nur geliehen? Solche Vermutungen kursieren im Netz. Auf den ersten Blick mag es so scheinen. Tatsächlich gibt es das sogenannte Leih- und Pachtgesetz von 2022 zur Verteidigung der Demokratie in der Ukraine (Ukraine Democracy Defense Lend-Lease Act of 2022), verabschiedet vom US-Kongress.
Russische Propagandisten erklären, die ukrainische Regierung würde daher früher oder später für die militärische Unterstützung der USA finanziell aufkommen müssen. Was hinter diesem Gesetz steckt und wer für die Waffenlieferungen aus den USA bezahlt.
Welche Rolle spielen die USA bei Waffenlieferungen an die Ukraine?
Die USA unterstützen die Ukraine politisch, wirtschaftlich, aber vor allem sicherheitspolitisch. In absoluten Zahlen stellen die Vereinigten Staaten den größten Betrag:
27,8 Milliarden Dollar an Sicherheitshilfe für die Ukraine, seit Biden im Amt ist.
Das macht etwa vier Prozent des Verteidigungshaushaltes der USA aus.
"Aber andere Länder tun viel mehr", erklärt Derek Chollet, ein hochrangiger politischer Berater von US-Außenminister Antony Blinken am Dienstag. Rund 50 Länder unterstützen die Ukraine in ihrer Verteidigung.
Betrachtet man den prozentualen Anteil am Bruttoinlandsprodukt, gehören die USA zwar immer noch zu den größten Unterstützern der Ukraine, aber: "Estland, Lettland und Polen leisten verhältnismäßig noch mehr", erklärt Garret Martin, Experte für Transatlantische Beziehungen und Professor an der American University in Washington, D.C.
In den ersten Tagen des Krieges wurden infrarotgelenkte Flugabwehrraketen (FIM-92 Stinger) geliefert. Dann kamen tragbare Panzerabwehrlenkwaffen (FGM-148 Javelin) hinzu und später Artillerie wie Haubitze und Bradley Fighiting Vehicles, panzerähnliche Fahrzeuge. Darüber hinaus bilden die USA ukrainische Soldaten an den Waffen aus.
Vergangene Woche haben sich US-Präsident Biden und Bundeskanzler Scholz schließlich auf die Lieferung schwerer Panzer geeinigt. Nun wird diskutiert, ob Kampfjets geliefert werden. Biden lehnt dies bisher ab.
Woher kommen die Waffen aus den USA und wer bezahlt dafür?
Das Verteidigungsministerium leistet der Ukraine militärische Hilfe mittels zweier Instrumente. Dabei fallen für die Ukraine keine Kosten an - es sind die US-amerikanischen Steuerzahler, die diese finanzieren.
Dies erlaubt es dem US-Präsidenten, in Notfällen ohne Zustimmung des Kongresses auf US-Militärbestände zu greifen und sie direkt an die Ukraine zu liefern.
Der US-Kongress hat für die Aufstockung dieser Bestände folgende Summen bewilligt:
Bisher wurden davon neun Milliarden verwendet, um die Bestände aufzustocken. Teils wird dies Jahre dauern, da die Produktion bestimmter Waffen laut Verteidigungsministerium zwei bis drei Jahre dauert.
Die Möglichkeit der "PDA" wurde bisher am häufigsten angewendet - seit August 2021 rund 30 Mal. "Der Vorteil ist, dass die Ausrüstung sehr schnell auf das Schlachtfeld gebracht werden kann", sagt Garret Martin, Experte für Transatlantische Beziehungen.
... Seniorprofessor an der American University in Washington, D.C. und Co-Direktor des "Transatlantic Policy Center" an der School of International Service.
Über diesen Fonds beschafft das Verteidigungsministerium militärische Güter direkt bei der Industrie bzw. gibt sie in Auftrag. Die ukrainische Armee erhält also direkt bei der US-Waffenindustrie bestelltes militärisches Equipment.
Das Finanzierungsprogramm USAI soll den dringlichsten Bedarf der Ukraine decken, um sicherzustellen, dass die Streitkräfte langfristig die Souveränität des Landes verteidigen können,
Im Donbass steht die ukrainische Armee weiter unter Druck. Für diese Kriegsphase würden laut Ukraine neue Waffen benötigt, und das schnell. 01.02.2023 | 30:18 min
Was hat es mit dem Leih- und Pachtgesetz auf sich?
Neben den genannten zwei Instrumenten gibt es noch ein weiteres: das Leih- und Pachtgesetz (Ukraine Democracy Defense Lend-Lease Act of 2022). Es trat zwar 2022 in Kraft, wurde aber von der Regierung Biden bisher noch nicht angewendet.
Es ist eine Antwort auf die russische Invasion in der Ukraine und ermöglicht dem US-Präsidenten, relativ unkompliziert größere Mengen militärischen Geräts an Verbündete zu verleihen. Das Gesetz bezieht sich auf die Jahre 2022 und 2023 und kann verlängert werden.
Der Name des Gesetzes bezieht sich auf das Lend-Lease-Programm aus dem Zweiten Weltkrieg, das die US-Verbündeten im Kampf gegen die Achsenmächte versorgte und als kriegsentscheidend gilt. Das Lend-Lease-Gesetz von 1941 deckte den dringenden Bedarf Großbritanniens an Nachschub und ermöglichte es den Vereinigten Staaten, sich auf den Krieg vorzubereiten, während sie offiziell neutral blieben. Nach Kriegsende sollten die geliehenen Bestände an die USA zurückgegeben werden, der Großteil wurde allerdings im Gefecht zerstört. Hierfür kompensierten u.a. Großbritannien die US-amerikanischen Streitkräfte finanziell – in Raten, die bis 2006 noch abbezahlt wurden.
Quelle: National Archives
Das Gesetz könnte aber in Zukunft wichtig werden. Dafür nennt Experte Garret Martin drei Gründe:
1. Sollte die öffentliche Unterstützung für Sicherheitshilfen an die Ukraine nachlassen und der US-Kongress keine weiteren mehr bereitstellen wollen, kann der Präsident auf das Gesetz zurückgreifen und Waffen auf unkomplizierte Weise an die Ukraine liefern.
2. Das Gesetz hat eine symbolische Kraft. Es geht zurück auf den Zweiten Weltkrieg. Damals wie heute soll es die internationalen Verbündeten der USA unterstützen. Es war kein Zufall, dass Präsident Biden das Gesetz am 9. Mai 2022 unterzeichnete - genau an dem von Russland ausgerufenen "V Day" (Tag des Sieges). Ein historisches Datum, das den Sieg der Sowjetunion über das nationalsozialistische Deutschland 1945 markiert.
3. In dem Leih- und Pachtgesetz geht es nicht nur um Hilfe an die Ukraine, sondern auch um osteuropäische Verbündete, die nicht näher spezifiziert werden. Es eröffnet also auch die Möglichkeit, Partnern zu helfen, die wiederum die Ukraine unterstützen.
Es könne sein, dass die Ukraine eine überschaubare finanzielle Kompensation zahlen müsste - über einen sehr langen und großzügigen Zeitraum, so Martin.
Fazit: Finanziert werden die Waffenlieferungen von US-amerikanischen Steuerzahlern. Das sogenannte Leih- und Pachtgesetz ist zwar in Kraft, wurde aber bislang nicht angewendet. Daher muss die Ukraine bisher nichts zurückzahlen.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.